Ayahuasca: Kaum Evidenz für den bitteren Tee
Ayahuasca, ein traditionelles psychotropes Gebräu aus Südamerika, wird von «Sensation Seekers» und Menschen mit psychischen Problemen gleichermassen gesucht. Vor allem bei Depressionen und beim Alkoholismus soll der Tee wirksam sein. Eine Übersichtsstudie hat nun die Evidenz für seine Wirksamkeit unter die Lupe genommen. Diese ist bei allen untersuchten seelischen Erkrankungen dürftig.
Ayahuasca ist ein psychedelisch wirkender Pflanzensud, der aus der volksmedizinischen Tradition indigener Völker im Amazonasbecken stammt. Aber auch ausserhalb der Ursprungskulturen wenden immer mehr Menschen Ayahuasca an. Viele davon tun das auf der Suche nach einem neuen Kick, einige Ayahuasca-Konsumenten erhoffen sich aber eine Verbesserung ihrer psychischen Probleme.
Steckbrief Ayahuasca
Ayahuasca besteht üblicherweise aus Bestandteilen der Lianenpflanze Banisteriopsis caapi und des Strauchs Psychotria viridis.
Der Konsum von Ayahuasca kann zu Veränderungen in Wahrnehmung und Kognition führen, sowie tiefgreifende emotionale und spirituelle Erfahrungen auslösen. Die akute Wirkung umfasst vier bis sechs Stunden. Übelkeit, Erbrechen und andere gastrointestinale Symptome sind häufige Nebenwirkungen.
Die psychotrope Wirkung der Mischung ergibt sich aus dem Alkaloid Dimethyltryptamin (DMT), dessen chemische Struktur mit Serotonin verwandt ist, und das in den Blättern des Psychotria viridis-Strauchs enthalten ist. In den Bestandteilen der Liane sind Carboline enthalten, die das Enzym Monoaminoxidase-A hemmen, und so die Inaktivierung von DMT im Verdauungstrakt verhindern, Dadurch hat es länger Zeit, seine psychotrope Wirkung zu entfalten.
Schon länger gibt es Hinweise darauf, dass die Substanz etwa bei Depressionen stimmungsaufhellend wirken kann. Forschende aus Brasilien nahmen in einem Review diese und eventuelle weitere therapeutische Vorteile des bitteren Tees bei verschiedenen psychiatrischen, neurologischen und körperlichen Erkrankungen unter die Lupe (1).
Evidenz von Ayahuasca dürftig
Die Forschenden schlossen in das narrative Review Studien ein, die vor Mai 2022 erschienen waren. Zu vielen psychiatrischen Fragestellungen liegen in Bezug auf Ayahuasca nur vorläufige Ergebnisse vor, teilweise mit kleiner Stichprobengrösse, ohne längere Nachbeobachtungszeit und häufig in naturalistischen Kontexten wie spirituellen Gruppenevents erfasst.
Die stärkste Evidenz für den Konsum von Ayahuasca gibt es bislang bei der Depression. In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie erlebten beispielsweise 29 Patienten mit behandlungsresistenter Depression nach einmaliger Einnahme des Pflanzensuds eine deutliche Besserung ihrer Krankheit. Die Nachbeobachtungszeit betrug allerdings nur sieben Tage. In zwei weiteren Studien mit insgesamt 23 Patienten, die an rezidivierenden Depressionen litten, reduzierte eine Dosis Ayahuasca deren Symptome bis zu 21 Tage lang. Des Weiteren gibt es Online-Befragungen unter Anwendern der Droge. In einer davon mit 1.571 depressiven Personen berichteten 78 Prozent von einem Rückgang der Symptome.
Weniger Alkoholprobleme nach Ayahuasca-Konsum
Einen gewissen Nutzen könnte Ayahuasca auch bei Substanzgebrauchsstörungen haben. Besonders für Alkoholkonsum zeigen sich in Beobachtungsstudien geringere Probleme nach Ayahuasca-Erfahrungen bzw. ein verminderter Konsum. Auch zwei aktuelle, 2022 veröffentlichte Online-Umfragen unter Ayahuasca-Konsumenten zeigten einen Zusammenhang mit weniger Alkohol- und Drogenabusus.
Viele Teilnehmer berichteten davon, nach der Einnahme des Psychedelikums mit dem Rauchen oder Trinken aufgehört zu haben – insbesondere, wenn sie während ihres «Trips» ein spirituelles Erlebnis hatten.
Nach Auswertung der vorliegenden Studien zu Trauer, Essstörungen, posttraumatischer Belastungsstörung sowie Persönlichkeitsstörungen zeigt sich für alle eine gewisse positive Evidenz, die den Autoren zufolge allerdings noch als «sehr vorläufig» einzustufen ist. Sie fusst vor allem auf einigen wenigen Beobachtungsstudien, Einzelberichten sowie einzelnen klinische Erfahrungen.
Hinweise gibt es ebenfalls auf antidepressive und angstlösende Wirkungen bei Krebs und anderen schweren körperlichen Erkrankungen; doch auch hier fehlen jedoch bislang randomisierte, kontrollierte Studien.
Und auch die Evidenz zu neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer stufen die Autoren als begrenzt ein. In Bezug auf Angststörungen zeigen sich eher gemischte Ergebnisse.
Wie sieht es mit nachteiligen Auswirkungen für Langzeitkonsumierende aus?
Die Forscher verweisen auf epidemiologische Studien, die darauf hindeuten, dass eine langfristige Einnahme von Ayahuasca nicht mit psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen verbunden ist. Sie räumen jedoch ein, dass die Ergebnisse verzerrt sein können, etwa durch den Einfluss religiöser oder ritueller Kontexte, in denen der Konsum traditionell stattfindet.
In Einzelfällen ist von der Auslösung von Psychosen durch den Konsum berichtet worden. Bei einer kontrollierten Verabreichung ist daher die Frage nach psychotischen Vorerkrankungen beim Patienten und dessen Familie wichtig. Auch der gleichzeitige Gebrauch anderer Drogen erhöht offenbar das Risiko für unerwünschte Wirkungen.
Weitere, insbesondere randomisiert-kontrollierte Studien seien notwendig, um die vielen Hinweise auf den positiven Nutzen von Ayahuasca als Therapeutikum zu stützen, lautet schliesslich das Fazit der Autoren. Ausserdem müssten die der therapeutischen Wirkung zugrunde liegenden Mechanismen noch genauer untersucht werden.
- Maia LO et al. Ayahuasca's therapeutic potential: What we know – and what not. Eur Neuropsychopharmacol 2022; 66: 45-61; doi: 10.1016/j.euroneuro.2022.10.008.