Endoskopische Eingriffe in der Adipositastherapie
Bei Patienten mit einem BMI zwischen 30 und 40 mit Kontraindikationen gegen einen chirurgischen bariatrischen Eingriff könnte ein endoskopisches Vorgehen sinnvoll sein. Aktuell verfügbare Techniken wählen einen weniger invasiven Zugang transoral oder transluminal. Im Vergleich zu ihren chirurgischen Vorbildern sind endoskopische Eingriffe weniger effektiv, aber auch weniger komplikationsreich.
Von den zahlreichen Konzepten für endoskopische Eingriffe im Kampf gegen die Adipositas haben es die meisten nicht ans Krankenbett geschafft. Am aussichtsreichsten und durch die meisten Daten gestützt ist die endoskopische Schlauchmagen-Gastroplastie (ESG), wie Dr. Jocelyn de Heer, Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für interdisziplinäre Endoskopie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, ausführt (1).
Endosleeve: 16 Prozent Gewichtsabnahme nach 5 Jahren
Bei dem Eingriff, auch als «Endosleeve» bekannt, werden mit Devices, die an die Spitze des Endoskops montiert werden, transmurale Nähte in der Magenwand gesetzt. Damit wird diese gerafft oder gefaltet, sodass sich das Magenvolumen verkleinert.
Für die ESG liegen inzwischen Fünfjahresdaten vor. In einer prospektiven Studie erhielten 216 Patienten mit einem initialen BMI von im Schnitt 39 eine ESG. Nach fünf Jahren lag die durchschnittliche Gewichtsabnahme bei 16 Prozent. Eine Gewichtsreduktion von mindestens 10 Prozent beobachtete man nach dieser Zeit bei 61 Prozent der Patienten. Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf.
In einer retrospektiven Studie verglich man das Outcome nach einer ESG mit dem nach laparoskopischer Schlauchmagen-OP. Bezüglich Gewichtsabnahme nach zwei Jahren war der laparoskopische Eingriff mit einer Reduktion des Gewichts um 28,3 Prozent effektiver als der endoskopische mit 18,5 Prozent. Aber endoskopisch behandelte Patienten konnten das Krankenhaus schneller wieder verlassen (mittlere Verweildauer 1 vs. 3 Tage). Ausserdem wiesen sie eine wesentlich geringere Komplikationsrate auf (0,5 vs. 4,9%).
In einer aktuellen kontrollierten prospektiven Studie wurde der Effekt der ESG plus Lebensstilberatung mit dem einer ausschliesslichen Lebensstilberatung bei Patienten mit Adipositas der Klassen 1 oder 2 verglichen. Von ihrem überschüssigen Gewicht hatten die Patienten der ESG-Gruppe nach einem Jahr 49,2 Prozent, die Patienten der Vergleichsgruppe nur 3,2 Prozent verloren. Das Gesamtkörpergewicht hatte um 13,6 vs. 0,8 Prozent abgenommen. Dieser Effekt war auch nach einem weiteren Jahr noch nahezu unvermindert erhalten.
Insgesamt hat sich die ESG als sichere Methode erwiesen, bei der unerwünschte Ereignisse höchstens in sehr geringer Häufigkeit auftreten. Der Effekt auf das Körpergewicht ist geringer als bei der laparoskopischen Sleeve-OP. Späteren bariatrischen Eingriffen steht eine ESG aber nicht im Wege.
Endoskopie kann helfen, wenn eine OP nicht infrage kommt
Den Platz für endoskopische Eingriffe sieht Dr. de Heer dort, wo das Potenzial der ausschliesslich konservativen Optionen erschöpft ist, aber die Voraussetzungen für einen chirurgischen bariatrischen Eingriff noch nicht erfüllt sind. Geeignet seien dafür vor allem gut informierte kooperationsbereite Patienten mit einem BMI zwischen 30 und 40, die keine OP wünschen oder bei denen aktuell Gründe vorliegen, die dagegen sprechen.
Endoskopische Interventionen haben ausserdem einen Platz im Komplikationsmanagement nach bariatrischen Operationen. Eine wichtige Indikation ist die erneute Gewichtszunahme mit oder ohne Dumping-Syndrom. Hier kann je nach vorliegendem Problem eine endoskopische Anastomosen-/Pouchrevision helfen.
Referenz
Viszeralmedizin 2022, 12. bis 17. September 2022, Hamburg, Deutschland.