Medical Tribune
8. März 2023Siegeszug steht erst am Anfang

Roboterassistierte Chirurgie bei Eingriffen am Pankreas und im kleinen Becken

Roboterassistierte Systeme kommen in der Chirurgie des Magen-Darm-Traktes zunehmend zum Einsatz. In einem Gastbeitrag geben die beiden Chirurgen PD Dr. Christian Oberkofler und Dr. Andreas Rickenbacher von der Klinik vivévis in Zürich einen Überlick zu den Indikationen für diese Methode.

Die robotische Technik hat auch bei Eingriffen am Pankreas Einzug in den chirurgischen Alltag gefunden.

Die minimal-invasive Chirurgie ist seit ihrer Einführung vor knapp 40 Jahren eine Erfolgsgeschichte in diversen chirurgischen Disziplinen. Speziell in der Viszeralchirurgie hat sich die laparoskopische Technik rasch verbreitet und durchgesetzt und ist mittlerweile bei vielen Eingriffen der Standard.

In den letzten 10 Jahren hat sich die minimal-invasive Chirurgie weiterentwickelt mit der Einführung roboter­assistierter Systeme. Neue minimal-invasive Optionen werden erschlossen, die vielversprechend sind und bei technisch anspruchsvollen Eingriffen entscheidend zum Tragen kommen. Speziell in der Pankreas- und Rektumchirurgie sind die Vorteile der roboter­assistierten Chi­rurgie offensichtlich.

Die Roboter-Technologie erlaubt ein Höchstmass an Präzision, dank HD-TV, bis zu 40-facher Vergrös­serung des Operationsfeldes und 3D-Visualisierung. Sämtliche Gewebeschichten und Strukturen können detailgenau dargestellt und beurteilt werden. Der Roboter als erweiterter Arm des Chirurgen schafft eine höhere Beweglichkeit als die Hand, weil sich die Instrumente mit ihren sieben Freiheitsgraden um 540 Grad um die eigene Achse drehen lassen.

Das Nähen z.B. zum Anfertigen von Anastomosen wird dadurch enorm erleichtert. Zudem sitzen die Chirurgen an der Konsole und geniessen eine ausgezeichnete Ergonomie. Rückenschmerzen und Fatigue, wie es bei langen laparoskopischen Eingriffen regelmässig der Fall ist, bleiben aus.

Neuer Standard bei der Pankreaschirurgie?

Hauptindikationen für die Pankreas­chirurgie sind maligne Tumore und chronische Pankreatitis. Angesichts der Tatsache, dass die Technik der Pankreas­resektion vor etwa hundert Jahren entwickelt wurde, wurde sie überwiegend über einen offenen Zugang durchgeführt.

Seit knapp 30 Jahren gewinnt jedoch die minimal-invasive Chirurgie mehr und mehr an Einfluss und ist in vielen Bereichen der Chirurgie zum Stand der Technik geworden. 1994 wurde die erste laparoskopische Pankreasresektion durchgeführt. (1) Der Siegeszug der Laparoskopie auf dem Gebiet der Pankreas­chirurgie blieb jedoch aus.

Das laparoskopische Anfertigen von Anastomosen wie einer Pankreatikojejunostomie oder biliodigesitiven Anastomose ist technisch anspruchsvoll, zeigt flache Lernkurven und aktuell nur wenige Chirurgen, welche dies regelmässig praktizieren. (2) Die niederländische LEOPARD-2-Studie untersuchte laparoskopische vs. offene Pankreato­duodenektomie bei Pan­kreas- oder periampullären Tumoren. Diese multizentrische, randomisierte kontrollierte Studie musste vorzeitig abgebrochen werden, da die laparo­skopische Pankreatoduodenektomie mit mehr komplikationsbedingten Todesfällen verbunden war als die offene Pankreatoduodenektomie. (3)

Eine Reihe von Beobachtungsstudien und mehrere Metaanalysen zeigen vergleichbare Raten der Morbidität und der postoperativen Pankreasfistel (POPF) zwischen der laparoskopischen und der robotergestützten Pankreasresektion, einschliesslich der distalen Resektion und der Pankreatikoduodenektomie. (4-8)

Auswahl der Patienten entscheidet

Gleichzeitig zeigen die verfügbaren Daten aus grossen Studien, in denen die beiden Verfahren mit Propensity-Score-Matching verglichen wurden, dass die robotergestützte Chirurgie bei der distalen Pankreatektomie bei gutartigen Erkrankungen durchwegs mit einer geringeren Rate an Konversionen zu einem offenen Verfahren und einem höheren Anteil an Milzerhalt assoziiert ist. (5-7)

Tatsächlich kann der Roboter im Vergleich zur Standard-Laparoskopie erhebliche Vorteile in Bezug auf die Visualisierung, die Freilegung und die chirurgische Geschicklichkeit beim Präparieren und Nähen bieten, (4, 6-8) wodurch sich der robotergestützte Ansatz besonders gut für technisch anspruchsvolle Pankreasresektionen eignet.

Da es aktuell keine randomisierten kontrollierten Studien gibt, welche die laparoskopische vs. roboterassistierte Pankreas­chirurgie vergleicht, ist es wissenschaftlich unzulässig, endgültige Schlüsse zur Überlegenheit der einen Methode über die andere zu ziehen. Eine multizentrische sehr rezente Benchmark-Studie zeigte jedoch, dass die robotergestützte distale Pankreasresektion im Vergleich zur laparoskopischen und offenen Pankreasresektion bessere postoperative Ergebnisse liefert. (9)

Der Anteil der minimal-invasiven Pankreasresektion wird weiter zunehmen. Die Auswahl der Patienten ist entscheidend. Die robotergestützte Pankreasresektion eignet sich für komplexe Rekon­struktionen, einschliesslich vaskulärer Resektionen. (4, 10-12)

Vorteile auch im kleinen Becken und beim Rektum

Das Rektumkarzinom stellt eine der häufigsten Indikationen für eine Rektumresektion dar. Aber auch Beckenbodenpathologien können häufig chirurgisch korrigiert werden. Der Roboter bietet in diesen beiden Gebieten viele Vorteile.

Beim Rektumkarzinom erfolgt häufig eine neoadjuvante multimodale Vorbehandlung. Für eine kurative Therapie ist aber in den allermeisten Fällen die Chirurgie unumgänglich. Dabei ist eine radikale Operationstechnik von entscheidender Bedeutung, um Lokalrezidive und R1-Resektionen zu vermeiden. Ein genügend grosser Sicherheitsabstand zum Tumor und eine Operationstechnik, bei der alle Lymphknoten im Abflussgebiet mitentfernt werden, sind die wichtigsten chirurgischen Faktoren.

Die Lymphknoten befinden sich beim Rektumkarzinom im Mesorektum, welches je nach Lage des Tumors komplett (totale mesorektale Exzision) oder partiell (partielle mesorektale Exzision) entfernt werden müssen. Die Operationstechnik, um diese Ziele zu erreichen, hat sich über die Zeit verändert. Während früher ausschliesslich die offene Operation über eine mediane Laparo­tomie eine valable Option darstellte, kam im Verlauf die laparoskopische Technik auf. Es dauerte aber einige Zeit, bis in grossen Studien bewiesen werden konnte, dass diese Technik onkologisch gleichwertig ist.

Die COLOR-II-Studie konnte zeigen, dass die Rate der Lokalrezidive, aber auch das «disease-free survial» und das «overall survival» mit der laparoskopischen Technik gleichwertig zur offenen Technik sind. (13) Auch die COREAN-Studie zeigte vergleichbare Resultate der laparoskopischen und offenen Technik. (14)

Diese minimal-invasive Technik hat sich weiterentwickelt. Mit der neuen Generation der Operationsroboter ist die roboterassistierte Operationsmethode insbesondere für die kolorektale Chirurgie sehr attraktiv geworden. Die im Eingangstext erwähnten Vorteile, welche mit konventionellen laparoskopischen Instrumenten nicht erreicht werden können, sprechen dabei für sich. Die Vorteile kommen speziell bei der Chirurgie im kleinen Becken voll zum Tragen.

Hilfe bei der Erhaltung der Blasen- und Sexualfunktion

Anatomisch ist im kleinen Becken kaum Platz vorhanden und delikate Strukturen müssen unbedingt geschont werden. Dazu zählen auch die beiden Nn. hypogastrici, welche für die Blasen- und Sexualfunktion wichtig sind. Die präzise Operationstechnik, die mit dem Roboter möglich ist, hilft entscheidend mit, diese Nerven zu schonen.

Diverse Studien liefern Daten, dass die Blasen- und Sexualfunktion bei Patienten, welche mit dem Roboter am Rektum operiert wurden, tatsächlich signifikant besser sind. (15-17)

Vor allem die Männer scheinen früher eine Erholung der urogenitalen Funktion zu haben. Die randomisierte klinische ROLARR-Studie untersuchte 471 Patienten mit einem resektablen Rektumkarzinom. (18) Das onkologische Outcome konnte zwar in dieser Studie noch nicht abschlies­send beurteilt werden, aber die perioperativen Parameter waren vergleichbar zwischen der robotischen und laparo­skopischen Gruppe. Dazu gehört auch die pathologische Beurteilung des Präparates, welches das onkologische Outcome entscheidend beeinflusst.

Die Roboterchirurgie wird auch häufig eingesetzt für die Korrektur von Beckenbodenproblemen. Beckenbodensenkungen führen häufig zu Stuhlentleerungsproblemen aufgrund einer Intussuszeption, einer Enterozele oder eines Rektumprolapses. Eine Rektopexie kann diese Probleme gut korrigieren.

Auch hier ist der Roboter ein ideales Hilfsmittel. Durch die präzise Operationstechnik kann das Septum rectovaginale sicher präpariert werden und das intrakorporale Knoten tief im Becken ist durch die erweiterten Freiheitsgrade der robotischen Instrumente deutlich erleichtert. Diese Parameter sind jedoch in Studien schwierig zu erfassen und es wird noch etwas dauern, bis auch diese wissenschaftlich bewiesen werden können.

Vorteile zunehmend wissenschaftlich fundiert

Zusammenfassend hat die robotische Technik sowohl bei der Pankreaschirurgie wie auch bei der Rektumchirurgie im chirurgischen Alltag Einzug gefunden und ihr Siegeszug steht am Anfang. Weltweit steigen die robotisch durchgeführten Eingriffe exponentiell. Die Vorteile sind nun auch zunehmend wissenschaftlich fundiert und geben dem robotischen Trend weiter Aufwind.

vivévis AG
info@vivevis.ch
www.vivevis.ch

Referenzen
  1. Gagner M, Pomp A. Laparoscopic pylorus-preserving pancreatoduodenectomy. Surg Endosc 1994; 8(5): 408–410.
  2. Muller PC et al. Learning Curves in Open, Laparoscopic, and Robotic Pancreatic Surgery. Ann Surg Open 2022; 3(1): e111.
  3. van Hilst J et al. Lancet Gastroenterol Hepatol 2019; 4(3): 199–207.
  4. Schwarz JL, Current state of minimally invasive pancreatic surgery. J Surg Oncol. 2021 May;123(6):1370-1386. doi: 10.1002/jso.26412
  5. Lof S et al. European Consortium on Minimally Invasive Pancreatic Surgery (E-MIPS). Robotic versus laparoscopic distal pancreatectomy: multicentre analysis. Br J Surg. 2021 Mar 12;108(2):188-195. doi: 10.1093/bjs/znaa039
  6. Kwon J et al. A comparison of robotic versus laparoscopic distal pancreatectomy: Propensity score matching analysis. Int J Med Robot. 2022 Apr;18(2):e2347. doi: 10.1002/rcs.2347
  7. Kim H et al. J Hepatobiliary Pancreat Sci 2022; 29(3): 311–321.
  8. Hong S et al. Robotic versus laparoscopic distal pancreatectomy for left-sided pancreatic tumors: a single surgeon's experience of 228 consecutive cases. Surg Endosc. 2020 Jun;34(6):2465-2473. doi: 10.1007/s00464-019-07047-8
  9. Muller PC et al. Ann Surg 2022 Jul 21.
  10. Zureikat AH et al. 500 Minimally Invasive Robotic Pancreatoduodenectomies: One Decade of Optimizing Performance. Ann Surg. 2021 May 1;273(5):966-972. doi: 10.1097/SLA.0000000000003550
  11. Guerra F et al. J Hepatobiliary Pancreat Sci 2020; 27(4): 157–163.
  12. Giulianotti PC et al. Educational step-by-step surgical video about operative technique in robotic pancreaticoduodenectomy (RPD) at University of Illinois at Chicago (UIC): 17 steps standardized technique-Lessons learned since the first worldwide RPD performed in the year 2001. Surg Endosc. 2020 Jun;34(6):2758-2762. doi: 10.1007/s00464-020-07383-0Bonjer HJ et al. N Engl J Med 2015; 372(14): 1324–1332.
  13. Jeong SY et al. Lancet Oncol 2014; 15(7): 767–774.
  14. Miura T et al. BMC Surg 2022; 22(1): 147.
  15. Panteleimonitis S et al. World J Gastro­intest Surg 2016; 8(11): 744–754.
  16. Park SY et al. Urinary and erectile function in men after total mesorectal excision by laparoscopic or robot-assisted methods for the treatment of rectal cancer: a case-matched comparison. World J Surg. 2014 Jul;38(7):1834-42. doi: 10.1007/s00268-013-2419-5
  17. Jayne D et al. Effect of Robotic-Assisted vs Conventional Laparoscopic Surgery on Risk of Conversion to Open Laparotomy Among Patients Undergoing Resection for Rectal Cancer: The ROLARR Randomized Clinical Trial. JAMA. 2017 Oct 24;318(16):1569-1580. doi: 10.1001/jama.2017.7219