Medical Tribune
21. Feb. 2023Mpox

Affenpocken: Gekommen um zu bleiben?

Mittlerweile fallen die Fallzahlen der im Jahr 2022 international aufgetauchten Affenpocken (Mpox) wieder. In den vergangenen Monaten wurde einiges über die Viruserkrankung bekannt. So, dass unter anderem ein über Jahre schwelender Anstieg der Fallzahlen im Kongo, und eine Änderung der Ausbreitungsstrategie des Virustyps dazu geführt haben, dass sich die Mpox als STD einen Namen gemacht haben. Experten sind sich mittlerweile einig, dass es immer wieder zu Ausbrüchen kommen könnte.

Die Mpox haben sich im letzten Jahr als STD einen Namen gemacht.
wikimedia

Die Affenpocken gab es bisher als humane Erkrankung nur sporadisch. Beschrieben wurde der erste Fall 1970 bei einem neunjährigen Jungen im Kongo. Kam es zu Fällen ausserhalb Afrikas, waren dies Reiseerkrankungen, erklärt Prof. Dr. Mario Fabri von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie, Uniklinik Köln (1).

Die mittlerweile in Mpox umbenannte Erkrankung ist traditionell eine Zoonose. Trotz des Namens gelten Affe und Mensch als Fehlwirte, wobei der Hauptwirt (das natürliche Reservoir) nicht klar definiert ist. «Dazu gehören etwa bestimmte Erdhörnchenarten (Squirrels), aber auch Ratten und andere Nagetiere», gibt Prof. ­Fabri einige Beispiele.

Für die frühere überschaubare Anzahl an Infektionen war stets eine Tier-zu-Mensch-Übertragung in den afrikanischen Endemiegebieten verantwortlich. Die Mensch-zu-Mensch-Übertragung sah man bisher als nebensächlich an, da es sich um wenige Fälle und immer um Angehörige aus dem gleichen Haushalt handelte – ein deutlicher Unterschied zu der aktuellen Mpox-Variante, betont Prof. Fabri.

Fallzahlen stiegen schon seit einigen Jahren deutlich an

Mittlerweile spielt die Übertragung von Tier zu Mensch nur eine untergeordnete Rolle, da sich die Mpox von Mensch zu Mensch weiterverbreiten. Die sprunghafte Evolution, die das Virus auch zu einem Problem ausserhalb Afrikas werden liess, kam allerdings nicht so plötzlich wie von vielen angenommen. Eine aktuelle Studie belegt, dass die Fallzahlen bereits zwischen 2000 und 2019 deutlich anstiegen (2). Betroffen waren dabei sowohl die Bewohner der endemischen Gebiete (Kongo und angrenzende Länder) als auch Reisende (unter anderem aus den USA).

Auf welchem Weg die aktuelle Mpox-Variante nach Europa kam, ist mittlerweile wieder weniger klar. Retrospektive Untersuchungen wiesen den Erreger in Proben vor dem vermeintlichen Indexpatienten am 09. Mai 2022 nach. Aktuell geht man davon aus, dass es davor schon eine Zirkulation des Virus gegeben hat, so Prof. Fabri.

Zumindest kam es aber nach diesem Stichtag zu einer drastischen Zunahme der Fälle, was mittlerweile in Online-Tools quasi in Echtzeit abrufbar ist. Aus den verfügbaren Daten lässt sich aber eine gute Nachricht ableiten: Der bisher grösste Ausbruch der Geschichte scheint vorbei zu sein, da die Kurve stagniert.

Wie geht es weiter mit den Mpox?

Was bedeutet das für die Zukunft? «Die grosse Sorge ist, dass das Virus Zugang zu Tierreservioren ausserhalb Afrikas bekommt. Es würde dann immer mal wieder zu sporadischen Ausbrüchen ausserhalb Afrikas kommen», gab Prof Fabri zu bedenken.

Was uns allerdings tatsächlich erwarte, könne niemand absehen. «Das ist ein völlig ungeklärtes Kapitel.» Viele Experten gehen derzeit wohl davon aus, dass Mpox trotz momentaner Beruhigung nicht ganz verschwinden. Positiv ist für Prof. Fabri allerdings, dass die 2022er-Infektion relativ mild verläuft.

Die aktuelle Virusvariante wird daher einer neuen Klade 3 zugeordnet, im Gegensatz zu den früheren, relativ aggressiven Viren der Kladen 1 und 2 mit höherer Mortalität. Hospitalisiert werden mussten Patienten bisher selten und nur zur Schmerzbehandlung, oder weil es zu einer bakteriellen Superinfektion kam. Nicht unterschätzen darf man allerdings, dass ein pharyngealer Befall den Patienten die Nahrungsaufnahme deutlich erschweren kann.

Vom Herrchen auf den Hund

Ein Bericht aus Frankreich zeigt, dass bei Patienten mit Mpox evtl. auch auf Haustiere geachtet werde sollte. Der Fall dreht sich um ein Paar, das sich im August 2022 mit dem Erreger infiziert hatte. Zwölf Tage später traten allerdings auch beim Hund Symptome auf. Die Männer gaben an, dass dieser mit ihnen im Bett schlief. Der PCR-Nachweis aus den mukokutanen Läsionen des Hundes bestätigte, dass es sich um denselben Mpox-Virus handelte. Bisher gilt das zwar als der erste publizierte Fall einer Übertragung von Mensch auf Haustier. Allerdings ergab sich daraus eine Diskussion darüber, ob Haustiere von Infizierten auch isoliert werden müssen.

Die PCR-Diagnostik erfolgt aus Abstrichen direkt vom Ort des Geschehens, also aus der läsionalen Haut oder Schleimhaut. Andere (u.a. blind genommene) Abstriche oder Blutproben sind für den Nachweis eher ungeeignet. Allerdings zeigte eine Studie, dass sich bei 29 von 32 untersuchten Männern Mpox-DNA in der Samenflüssigkeit nachweisen liess. Das belege zwar noch keine Infektiosität, aber es suggeriere es und unterstütze damit die Zuordnung der Mpox 2022 zu den sexuell übertragbaren Infektionen, so Prof. Fabri.

Impfung bisher nur im Ausnahmefall

Therapiert wird symptomatisch, z.B. mit Zinkschüttelmixturen. Superinfektionen behandelt man je nach Erreger. Es gibt zwar das Pockenmittel Tecovirimat, allerdings ist dieses aufgrund der gering vorhandenen Mengen für eine Therapie «praktisch nicht verfügbar», erklärt Prof. Fabri.

Die Impfung mit einem Pockenimpfstoff der dritten Generation wird derzeit in der Schweiz nur als Post-Expositionsprophylaxe, für Kontaktpersonen, oder für erwachsene Männer empfohlen, die Sex mit Männern haben oder häufig die Partner wechseln. Als zusätzlicher Sonderfall gilt exponiertes medizinisches Personal, sowie das Personal in Speziallaboren. Impfstellen sowie ggf. Anmeldelinks sind auf der Webseite des BAG zu finden.

Steckbrief Mpox 2022

Mpox-Viren gehören zu den Doppelstrang-DNA-Viren, sowie zur Familie der Orthopoxviren. Die Infektion manifestiert sich als tiefe, ca. 1–2,5 cm grosse Vesikel und Pusteln. Einzelläsionen durchlaufen die klassische Abfolge von Erythem, Papel, Vesikel und Pustel. Sie sind in der Regel schmerzhaft und weisen einen charakteristischen weissen Rand auf. Allerdings kann die für ältere Varianten typische monomorphe Ausprägung fehlen, was die Verwechslungsgefahr mit Windpocken erhöht. 2022er-Mpox treten vermutlich v.a. an der Stelle der primären Inokulation auf: dem Ort der sexuellen Aktivität (z.T. ausschliesslich), so Prof. Fabri. Ursprünglich war bei älteren Fällen ein typischer Befall von Gesicht, Extremitäten und Rumpf mit einer zentrifugalen Ausbreitung beschrieben. 

Eine aktuelle Auswertung mit 500 Patienten hilft dabei, die 2022er-Mpox weiter zu charakterisieren. 98 Prozent der Infizierten waren Männer, die Sex mit Männern haben, bzw. Männer, die Sex mit Frauen und Männern haben: Sie bilden daher die wichtigste Risikogruppe. 95 % der Patienten zeigten einen Hautbefall, allerdings hatten zwei von drei Infizierten weniger als zehn Läsionen. Neben typischen Infektionssymptomen (Fieber, Kopfschmerzen, Lethargie, Myalgie) trat eine Lymphadenopathie verhältnismässig häufig auf (Abgrenzungsmöglichkeit zu Windpocken). Jeder zweite Patient hatte zudem eine HIV-Infektion (33 Prozent eine andere weitere STI). Das mediane Alter lag bei ca. 38 Jahren, was insofern relevant ist, da die jüngere Bevölkerung nicht mehr standardmässig gegen Pocken geimpft ist. Infiziert hatten sich die Patienten praktisch ausschliesslich über sexuelle Aktivität. 

Letzteres bestätigt den Unterschied zu den früheren Fällen, bei denen sexuelle Kontakte eine absolut untergeordnete Rolle spielten, erläuterte Prof. Fabri. Die Inkubationszeit liegt zwischen 3 und 20 Tagen. Da man derzeit davon ausgeht, dass die Übertragung nur über direkten Körperkontakt erfolgt, kann man über die empfohlenen Isolationsmassnahmen (mind. 21 Tage) kritisch diskutieren, so der Experte – u.a. wegen der damit verbundenen starken Stigmatisierung. 

Referenzen
  1. 16. Dermatologie-Update-Seminar, 11.-12. November 2022, Berlin
  2. Patalon T et al. Mpox Infection in a Developed Country: A Case Report. Trop Med Infect Dis. 2022 Dec 27;8(1):15. doi: 10.3390/tropicalmed8010015