Medical Tribune
26. Jan. 2023Konsensusstatement in "Nature"

Existenz eines fötalen Mikrobioms «unwahrscheinlich»

In den letzten Jahren wurde immer wieder vermutet, dass Menschen schon vor der Geburt von Bakterien besiedelt werden könnte. Ein internationales Expertenteam nimmt nun die Evidenz dafür ins Visier, und hält dies in einem Konsensusstatement im Journal Nature für unwahrscheinlich. Vermutet wird, dass es sich in den zuvor erschienenen Arbeiten um experimentelle Fehler gehandelt haben könnte.

Ein fötales Mikrobiom gibt es wahrscheinlich nicht.
Leptospira/gettyimages

Mittlerweile ist unbestritten, dass das Mikrobiom die Gesundheit und Entwicklung eines Menschen beeinflussen kann. Fraglich ist bislang nur, wann die mikrobielle Besiedelung beginnt. Galt es lange als sicher, dass der erste Kontakt mit Mikroorganismen bei der Geburt erfolgt, wurden in den letzten Jahren einige Arbeiten veröffentlicht, die nahelegten, dass schon der Fötus erste Erfahrungen mit diesen machen könnte. Sie zeigten unter anderem das Vorhandensein von Bakterien in Fruchtwasser und Plazenta.

«Das hätte ernste Konsequenzen für die Pädiatrie», sagt Prof. Jens Walter von der irischen Universität Cork. Die von ihm geleitete Forschungskollaboration bestehend aus 46 internationalen Experten aus Reproduktionsforschung, Mikrobiologie und Immunologie überprüfte nun die Evidenz für Mikroorganismen in menschlichen Föten.

Forschungsergebnisse beruhen auf experimentellen Fehlern

Das Team kam zu dem Schluss, dass in den Forschungsarbeiten, die Mikroorganismen in fötalen Geweben nachweisen konnten, diese sehr wahrscheinlich durch Kontaminationen entstanden sind. Diese können während einer vaginalen Entbindung, bei klinischen Prozeduren oder während der Laboranalyse passieren.

Das Konsortium zweifelt das Konzept eines fötalen Mikrobioms einstimmig an, und hält für wahrscheinlich, dass sich der Fötus sich, wie früher vermutet, in einer sterilen Umgebung aufhält. «Die Besiedelung mit Bakterien findet während der Geburt und in der frühen Kindheit statt. Darauf sollte sich die Mikrobiomforschung konzentrieren», schreiben die Wissenschaftler.

Referenz
  1. Kennedy KM et al. Questioning the fetal microbiome illustrates pitfalls of low-biomass microbial studies. Nature. 2023 Jan;613(7945):639-649. doi: 10.1038/s41586-022-05546-8.