Migräneprophylaxe: Der Ansatz am CGRP bewährt sich
Bei der Migräneprophylaxe hat sich der CGRP(Calcitonin Gene-Related Peptide)-Pathway als wirksamer Ansatz erwiesen. Die entsprechenden monoklonalen Antikörper sind schon seit geraumer Zeit im Einsatz. Mittlerweile gibt es immer mehr Wissen zu deren Anwendung.
Wie wirksam sind etwa die neuen Antikörper im Vergleich zum Standard of Care, also den bisher verfügbaren Prophylaktika? In einem ersten Head-to-Head-Vergleich konnte im letzten Jahr bereits die HER-MES-Studie die Überlegenheit von Erenumab gegenüber Topiramat belegen, erklärte Professor Dr. Chiara Zecca, Neurologin am Ospedale Regionale di Lugano, an der Veranstaltung Virtual Headache News from MTIS* 2022. Kritik erntete die Studie, weil es hier nur um die Verträglichkeit ging – der primäre Endpunkt bezog sich auf Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen.
Nun konnte eine weitere Studie die Überlegenheit von Erenumab auch in puncto Wirksamkeit belegen. Die prospektive, randomisierte und aktiv kontrollierte Phase-IV-Studie APPRAISE untersuchte 621 Patienten mit episodischer Migräne, die auf 1–2 präventive Therapien nicht angesprochen bzw. sie nicht vertragen hatten. Sie erhielten 2:1 randomisiert entweder monatlich Erenumab oder ein orales Prophylaktikum. Die Anzahl durchschnittlicher Migränetage sank mit dem monoklonalen Antikörper signifikant mehr als unter dem Standard of Care.
CGRP-Antikörper sind nicht krankheitsmodifizierend
Unklar ist immer noch, wann der beste Zeitpunkt ist, das Therapieansprechen zu evaluieren. Dies ist normalerweise definiert als mindestens 50-prozentige Reduktion der monatlichen Migränetage nach zwölf Wochen. Eine italienische Studie konnte zeigen, dass auch nach dieser Zeit ein Ansprechen möglich ist.
Von den 912 Patienten, die mit Erenumab, Fremanezumab oder Galcanezumab behandelt wurden, stellten sich nach zwölf Wochen 61 Prozent als Responder heraus und 39 Prozent als Nichtresponder. Im weiteren Verlauf – im Mittel nach 20 Wochen – sprachen jedoch noch weitere 14 Prozent auf die Therapie an. Interessanterweise hatten diese Patienten einen höheren BMI als die anderen Teilnehmer, erklärte die Expertin.
Die Limitatio in der Schweiz sieht vor, die monoklonalen Antikörpern nach einem Jahr zu stoppen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Anzahl an Migränetagen nach dem Beenden erneut steigt. Nach etwa drei Monaten sind es wieder so viele wie vor dem Behandlungsstart. Dies zeigt auch, dass es sich nicht um eine krankheitsmodifizierende Therapie handelt, erklärte Prof. Zecca.
Nicht zugelassen ist derzeit auch der Wechsel von einem monoklonalen Antikörper auf einen anderen, etwa bei Nichtansprechen oder Unverträglichkeit. Dabei könnten Patienten durchaus davon profitieren, wie die Finesse-Studie zeigt. Hier hatte von Patienten, die auf ein erstes Präparat nicht angesprochen und dann auf Fremanezumab geswitcht hatten, etwa ein Drittel doch noch ein Ansprechen erreicht.
Die Ergebnisse neuer Studien sind in das Update der EHF-Guideline für die Therapie mit monoklonalen Antikörpern eingegangen (1). Die Empfehlungen basieren nur auf wissenschaftlichen Daten und Plausibilität. Sie berücksichtigen lokale Regulatorien nicht, so Prof. Zecca. Vieles kann derzeit in der Schweiz nicht umgesetzt werden, etwa die Empfehlung für die CGRP-Hemmer als First-line-Therapie. Nach den Autoren gibt es keinen Grund, diese Therapieoption hinauszuschieben.
Orale Gepante sind in der Pipeline
Die Gepante greifen ebenfalls am CGRP an, sind jedoch oral verfügbar. In der Pipeline für die Prophylaxe befinden sich derzeit Rimegepant und Atogepant, das von der FDA für die Prävention der episodischen Migräne zugelassen ist. Rimegepant kann sowohl als Akuttherapie als auch als Prophylaxe zum Einsatz kommen. Studien zeigen eine gute Wirksamkeit. Frühere Hinweise auf eine Lebertoxizität liessen sich nicht bestätigen. Die Substanz führt wohl auch zu keinem Medikamentenübergebrauch oder einer Chronifizierung der Migräne.
Synergistische Effekte können sich zudem aus der Kombination monoklonaler Antikörper mit Gepanten oder auch mit Onabotulinumtoxin A ergeben.
*Migraine Trust International Symposium, London, 8.–11. September 2022
Referenz
- Sacco S et al. European Headache Federation guideline on the use of monoclonal antibodies targeting the calcitonin gene related peptide pathway for migraine prevention - 2022 update. J Headache Pain. 2022 Jun 11;23(1):67. doi: 10.1186/s10194-022-01431-x
Nichtpharmakologische Möglichkeiten und Kombinationen
Dr. Nina Bischoff, Co-Leitung Psychosomatische Medizin Insel Gruppe AG, Universitätsklinik für Neurologie, Bern, wies darauf hin, dass das Management des Lebensstils bei der Migränebehandlung nicht vergessen gehen sollte. Dazu gehört auch, den Betroffenen bessere Informationen zu Kopfschmerz und Ernährung zur Verfügung zu stellen. Wichtig sind zudem die Suche nach Triggerfaktoren und Komorbiditäten, das Anstreben eines idealen oder normalen Körpergewichts, eine gute Schlafhygiene sowie körperliche Aktivität.
Die Möglichkeit einer kombinierten pharmakologischen und nichtpharmakologischen Behandlung ist mit den Patienten zu diskutieren. Neue Untersuchungen zeigen, dass wohl auch die Mikrobiota eine Rolle bei der Migräne spielt. Sie unterscheidet sich zwischen Patienten mit Migräne und gesunden Kontrollpersonen. Die Gabe von Riboflavin oder Vitamin D3 kann ebenfalls eine wirksame Option in der Migräneprophylaxe sein.
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