Erdnuss-Allergie durch Birkenpollen?
Viele Patienten, die eine Allergie gegen ein Nahrungsmittel bemerken, haben eigentlich ein anderes Grundproblem – nämlich eine Pollenallergie, wie z.B. gegen Birkenpollen. Während man aber gegen die Pollenallergie therapeutisch gut vorgehen kann, hilft bei Nahrungsmittelallergenen eigentlich nur eines: Sie zu identifizieren und die verantwortlichen Lebensmittel zu meiden.
«Typisch für die Präsentation einer Nahrungsmittelallergie ist beispielsweise, wenn Patienten nach dem Verzehr ein Brennen oder einen Juckreiz im Mund spüren, oder ein Anschwellen der Lippen bemerken», sagt Dr. Susann Hasler, Ärztin für Allgemeine Innere Medizin, Allergologie und klinische Immunologie (1).
Diese Symptome werden unter dem Begriff «orales Allergiesyndrom» zusammengefasst. Weitere Symptome, die auftreten können, sind
- Nesselfieber (Urticaria)
- Erbrechen und Durchfälle
- Magen- und Darmkrämpfe
- Asthmaanfälle
- Schwächeanfälle/Kraftlosigkeit
- Blutdruckabfall, sowie
- Herzrasen.
Für eine Immunglobulin (Ig)-E-vermittelte, allergische Genese spricht, wenn die Beschwerden des oralen Allergiesyndroms auf Antihistaminika gut ansprechen.
Allergisch gegen Erdnuss und Sojabohne? Allergisch gegen Birkenpollen!
«Von weiterer diagnostischer Bedeutung ist, ob die Symptome spezifisch für ein Lebensmittel sind, oder ob diese auch beim Verzehr anderer Nahrungsmittel auftreten», so die Expertin.
Passend dazu präsentieren die Patienten auch eine typische Allergiesymptomatik während der Pollenflugzeit. Zu dieser gehören beispielsweise
- «Heuschnupfen»: Niesen, Schnupfen, Überempfindlichkeit der Nase
- Konjunktivitis
- Müdigkeit
- Erschwerte Atmung
Rund 70 Prozent der Patienten, die eine Allergie gegen eine Baumpollen-Art haben (z.B. Birke), weisen auch Kreuzreaktionen mit Nahrungsmitteln auf. Besonders häufig ist dabei eine Kreuzallergie mit den Birkengewächsen. Dazu gehören neben der Birke auch die Hasel und die Erle. «Das kommt daher, dass das Hauptallergen der Birkenpollen (Bet v1) Proteinstrukturen mit den Nahrungsmittelallergenen von Nüssen, Kern- und Steinobst (Kirsche), oder Sellerie teilen, die das orale Allergiesyndrom verursachen (siehe Kasten)».
Zu den mit Bet v1-verwandten Allergenen in Nahrungsmitteln gehören Proteine aus: Kiwi, Jackfruit, Erdnuss, Sellerie, Karotte, Haselnuss, Birne, Mango, und Soja
Die häufigste Allergie auf Soja in Mitteleuropa ist z.B. auf die Kreuzreaktivität von Bet v1 mit Gly m4 aus der Sojabohne zurückzuführen. Diese Kreuzreaktion tritt bei rund zehn Prozent der Birkenpollenallergiker auf. Auffällig sind dabei allergische Reaktionen nach dem Essen von grossen Mengen schwach prozessierter Soja-Produkten (z.B. Sojamilch). Allergische Reaktionen auf Soja können schlimmstenfalls auch schwer und systemisch ausfallen.
Dem Auslöser auf die Spur kommen, und ihn vermeiden
Steht eine mögliche Nahrungsmittel- oder Pollenallergie im Raum, sind Massnahmen zur Allergiediagnostik angezeigt, so Dr. Hasler. Dazu gehört beispielsweise ein Prick-Test mit den infrage kommenden Pollen- und Nahrungsmitteln.
Zusätzlichen Aufschluss kann ein Bluttest auf allergenspezifische Antikörper geben. Die Expertin erinnert jedoch, dass das Vorliegen von Allergen-spezifischen IgE-Antikörpern nicht notwendigerweise auch eine symptomatische Allergie bedeutet: «Ein IgE-Wert ersetzt niemals eine Anamnese. Wenn ein Patient positive IgE-Werte z.B. auf Haselnuss aufweist, diese aber gut verträgt, so kann er diese weiterhin verzehren.»
Im Labor zeigt sich bei Allergikern auch oft ein erhöhtes Gesamt-IgE – ein typisches Charakteristikum einer Atopie. Ob es sich bei einer Nahrungsmittelallergie um eine Kreuzallergie (und somit um eine sekundäre Nahrungsmittelallergie bei vorheriger Sensibilisierung über ein inhalatives Allergen wie z.B. über Pollen) handelt, lässt sich durch eine Untersuchung auf nicht Birkenpollen-verwandte Allergen-Antikörper austesten. «Man kann dann sicherheitshalber zum Beispiel Allergene mittesten, die nicht mit Bet v1 verwandt sind. Etwa bei Soja das Gly m5 und 6, oder bei der Erdnuss das Ara h1-3 und 9». Falls diese positiv sind, handelt es sich somit nicht um eine pollenassoziierte Kreuzallergie.
Auch wenn sich bei einer Lebensmittelallergie erweist, dass diese sekundär auf eine Birkenpollenallergie entstanden ist, lässt sich diese aber leider dennoch nicht beseitigen. «Wir empfehlen deswegen, Nahrungsmittel, die Symptome verursachen, wirklich zu vermeiden. Oft werden aber die Proteinstrukturen der Allergene durch Erhitzen zerstört – man kann also ausprobieren, ob die Lebensmittel durch Dünsten, Backen oder Kochen verträglicher werden», rät die Expertin. Die allergenen Lebensmittel erst recht zu sich zu nehmen, in der Hoffnung, dass sich der Körper «daran gewöhnt», empfiehlt sie keinesfalls.
Bestehen allerdings zusätzliche Allergiesymptome in den Atemwegen und Augen während des Pollenfluges, lässt sich eine allergenspezifische-Immuntherapie zur Desensibilisierung durchführen, um diese inhalativen und okulären Symptome zu vermindern. Die pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie bessert sich aber dadurch nur in etwa 50 Prozent der Patienten und wird somit zur Behandlung der Nahrungsmittelallergie nicht empfohlen.
Typische Kreuzreaktionen auf Nahrungsmittel mit Pollen- und Atemwegsallergenen
- Birken-, Erlen-, Haselpollen (Januar-April): Kern- und Steinobst (Äpfel, Birnen, Pflaumen, Aprikosen, Kirschen usw.), Haselnuss, Walnuss, Mandeln, Tomaten, Karotten, Sellerie, Mango, Avocado, Fenchel, Kiwi, Litschi
- Beifusspollen (Artemisia) (Juli-August): Sellerie, Karotten, Fenchel, Artischocken, Kamille, Pfeffer, Senf, Dill, Petersilie, Koriander, Kümmel, Anis, Sonnenblumenkerne
- Hausstaubmilben: Crevetten, Hummer, Langusten, Krebse, Schnecken
- Latex: Avocado, Banane, Edelkastanie, Kiwi, Papaya, Feige, Paprika
- Vogelfedern: Hühnerei (Dotter)
*Quelle: aha! Allergiezentrum Schweiz
Referenz
- Forum Medizin Fortbildung (FOMF): WebUp Update Allergologie, 12. Dezember 2022