Medical Tribune
30. Dez. 2022Was für das Original-, und was für das Nachahmerprodukt spricht

Biosimilars in der Rheumatologie

Biosimilars sind Präparate, die einem bestimmten Biologikum in vielerlei Hinsicht ähneln. Die Frage, welche Vor- und Nachteile diese Medikamente in der Rheumatologie bieten, diskutierten Dr. Thomas Langenegger, Leitender Arzt Rheumatologie/Osteoporose, Zuger Kantonsspital, und Professor Dr. Andrea Rubbert-Roth, Leitende Ärztin und stellvertretende Klinikleiterin der Klinik für Rheumatologie, Kantonsspital St. Gallen, am gemeinsamen Kongress SGR-SGPMR*.

So viel günstiger kommt die Therapie mit einem Biosimilar manchmal im Vergleich zur Originaltherapie gar nicht.
Dr_Microbe/gettyimages

«Biosimilars sind Nachahmerpräparate, die dem Originalpräparat hinsichtlich Struktur, biologischer Aktivität, Reinheit, Immunogenität und Sicherheit ähneln. Unterschiede sehen wir bei der dreidimensionalen Struktur und der Glykolisation», erläuterte Dr. Langenegger.

Genauso gut getestet wie das Original

Ein Argument, das für die Biosimilars spricht, ist laut dem Referenten, dass diese Medikamente ein strenges Prüfverfahren durchlaufen, bevor sie die Zulassung erhalten. Die Tests reichen von strukturellen Analysen bis hin zu klinischen Studien. Hierbei muss das Biosimilar seine Wirksamkeit und Sicherheit bei der Therapie einer Referenzkrankheit vorweisen, für die das Originalpräparat zugelassen ist.

In verschiedenen Studien schnitten Biosimilars im Vergleich zu den Originalpräparaten als gleichwertig hinsichtlich pharmazeutischer Qualität, Wirksamkeit, Immunogenität und Sicherheit ab. Zudem scheint die Wirksamkeit bei allen Indikationen des Originalpräparats äquivalent zu sein. Als Beispiel hierfür nannte Dr. Langenegger das Wirkungsspektrum von Adalimumab.

Neben den Indikationen rheumatoide Arthritis und Psoriasis-Arthritis liessen sich die Daten für das Biosimilar auf die ankylosierende Spondylitis, die Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, die Uveitis, die Plaque-Psoriasis und die Hydradenitis suppurativa extrapolieren. «Die Zukunft wird zeigen, ob diese Extrapolation für alle Biosimilars gilt, aber mir sind bis jetzt diesbezüglich keine negativen Daten bekannt», führte der Experte aus.

Bei Patienten, die stabil eingestellt sind, ist ein Therapiewechsel vom Originalpräparat zum Biosimilar möglich. Beachtung sollte hierbei allerdings der Nocebo-Effekt finden, da einige Patienten auf eine Behandlung mit dem Originalpräparat bestehen und Wirkungseinbussen nach der Umstellung fürchten.

Auch in puncto Kosten weisen die Biosimilars Vorteile auf. Zum Zeitpunkt ihrer Markteinführung in der Schweiz müssen sie 25 Prozent günstiger als das Originalpräparat sein. Drei Jahre darauf folgt eine Re-Evaluation, nach der die Preisdifferenz noch mindestens 10 Prozent betragen muss. «Das ist nicht so viel, aber es zeigt sich, dass es durch die Biosimilars einen gewissen Preisdruck nach unten gibt», bemerkte der Referent.

Biosimilars: schwächere Evidenz als beim Original

«Gleich ist nicht gleich – es gibt gewisse Unterschiede zwischen Bio­similars und dem Original, mit denen wir umgehen müssen», betonte Prof. Rubbert-Roth. Schon bei der Zulassung der Präparate zeigen sich laut der Expertin Unterschiede. Die Anforderungen an die Zulassung eines Biologikums sind sehr streng. Ein Nachteil der Biosimilars liege darin, dass die Daten von einer Indikation auf andere Indikationen extrapoliert werden und oft Langzeitdaten fehlen.

Die meist bessere Evidenzlage bei den Originalpräparaten verdeutlichte die Referentin anhand der Patientenjahre unterschiedlicher Studien. Während das Adalimumab-Original es in 77 klinischen Studien an rund 30.000 Probanden auf fast 57.000 Patientenjahre bringt, kommen bei der Biosimilar-Studie für das Präparat mit 728 Probanden nur 1.456 Patientenjahre zusammen (1,2).

Auch die Studienlage für den Therapiewechsel zwischen verschiedenen Biosimilars ist laut Prof. Rubbert-Roth überschaubar. So zeigt sich, dass der Switch in Einzelfällen auch zu Nebenwirkungen führen kann. «Man kann nicht davon ausgehen, dass die biologische Identität auch wirklich gegeben ist», so die Referentin.

In der Schweiz besonders selten eingesetzt

Als weitere Nachteile der Bio­similars nannte die Expertin eine Unübersichtlichkeit der Preisgestaltung (möglicherweise Preisabsprachen), fehlende Transparenz im Beipackzettel (lediglich Verweise auf die Sicherheitsdaten des Originalpräparats ohne exakte Daten aus den Biosimilar-Studien), die Chargendokumentation und die Kommunikation mit Patienten (Nocebo-Effekt). Zudem sei der Preisvorteil nicht eminent, da «die meisten Biosimilars weniger als 15 Prozent günstiger als das Originalpräparat» sind.

Wie Professor Dr. Axel Finkh, Hôpitaux Universitaires Genève, berichtete, werden im Vergleich zu anderen Ländern Biosimilars in der Schweiz sehr viel weniger häufig eingesetzt. Es fehlen Anreize für Verschreiber und Patienten.

* Schweizerische Gesellschaft für Rheumatologie – Schweizerische Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation

Referenzen
  1. Burmester GR et al. Long-Term Safety of Adalimumab in 29,967 Adult Patients From Global Clinical Trials Across Multiple Indications: An Updated Analysis. Adv Ther. 2020 Jan;37(1):364-380. doi: 10.1007/s12325-019-01145-8
  2. Huizinga TWJ et al. Adalimumab Biosimilars in the Treatment of Rheumatoid Arthritis: A Systematic Review of the Evidence for Biosimilarity. Rheumatol Ther. 2021 Mar;8(1):41-61. doi: 10.1007/s40744-020-00259-8