Rektumkarzinome gleich oder später operieren?
Ein neuer Rechner hilft dabei, abzuschätzen, ob das Rezidivrisikos so hoch ist, dass sofort operiert werden sollte oder ob nach vollständigem Ansprechen auf eine totale neoadjuvante Therapie vorerst abgewartet werden kann.
Sprechen Patienten mit lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen auf eine totale neoadjuvante Therapie (TNT) an, neigt man immer mehr dazu, mit einer Operation vorerst zuzuwarten. Denn so kann manchmal eine Operation ganz vermieden werden.
Eine Anfang des Jahres veröffentlichte randomisierte Studie zeigte etwa, dass so bei bis zu der Hälfte der Patienten mit Adenokarzinomen im Stadium II und III, die sich einer TNT unterzogen hatten, das Rektum erhalten werden konnte – bei gleichbleibendem krankheitsfreien Überleben (1).
Noch kein Rechner für die Prognose von Watch-and-Wait-Patienten
Aktuell gibt es noch keine Tools für die Entscheidung für oder wider eine Operation. Wie hoch das Rezidivrisiko ist, wird meist anhand der TNM-Klassifikation und älteren prognostischen Hilfen beurteilt. Diese sind aber statisch und nicht adäquat geeignet, um die Wahrscheinlichkeit von Fernmetastasen bei Patienten mit Watch-and-Wait-Management vorherzusagen.
Ein Forscherteam des New Yorker Memorial-Sloan-Kettering-Instituts veröffentlichte nun Daten zu einem neuen, dynamischen, Rechner im Journal JAMA Network Open. Dieser soll das Rezidivrisiko bei einer Watch-and-Wait-Strategie zuverlässig vorhersagen.
Für das neue Tool passten sie einen ihrer bereits etablierten Rechner zur Abschätzung der Rezidiv- und Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten mit Rektumkarzinomen an. Dazu integrierten sie noch eine dynamische Komponente, um eine Prognose des Rezidivrisikos über die Zeit zu ermöglichen.
Das Team validierte den Rechner anschliessend an einer Kohorte von 302 Patienten mit Rektumkarzinomen im Stadium II oder III. Sie alle erhielten eine TNT bestehend aus einer FOLFOX/CAPOX-Induktion, gefolgt von einer Chemoradiotherapie. 204 der Patienten unterzogen sich innerhalb von drei Monaten nach Abschluss der neoadjuvanten Therapie einer Operation, 98 weitere entschieden sich, abzuwarten. Diese Patienten wurden in den ersten zwei Jahren alle drei bis sechs Monate und in den folgenden drei Jahren alle sechs bis 12 Monate einer Proktoskopie und MRT unterzogen, zusätzlich erhielten sie einmal jährlich eine CT-Kontrolle.
Rezidivfreies Dreijahresüberleben nicht signifikant unterschiedlich
Insgesamt 54 der 98 Watch-and-Wait-Patienten wurden mehr als drei Monate nach der Therapie aufgrund eines festgestellten Rezidivs oder auf eigenen Wunsch hin operiert. Die anderen 44 hatten die abwartende Haltung bis zum Zeitpunkt der Datenübermittlung fortgesetzt.
Von den 54 ursprünglichen Watch-and-Wait-Patienten, die sich für eine Operation entschieden, liessen sich 25 drei bis sieben Monate nach Beendigung der Therapie, 14 sechs bis 12 Monate danach, und 14 ein Jahr oder später operieren.
Insgesamt unterschied sich das rezidivfreie Dreijahres-Überleben (RFS) zwischen diesen drei Gruppen nicht signifikant, mit Raten von 73, 71, und 70 Prozent. Die Verzögerung der Operation hatte das Therapieergebnis also nicht massgeblich beeinträchtigt. Auch Fernmetastasen waren bei ihnen nicht übermässig häufig.
In ihrer Studie geben die Autoren an, dass sich die Genauigkeit des Modells im Laufe der Zeit verbesserte. "Der Konkordanzindex stieg von 0,62 drei Monate nach der neoadjuvanten Therapie auf 0,66 nach zwölf Monaten an. Das entspricht einer Verbesserung der Voraussage gegenüber dem, was typischerweise mit aufeinanderfolgenden Wiederholungen eines Stagings nach American Joint Committee on Cancer (AJCC) erzielt werden kann", schreiben sie.
In den kommenden Tagen soll der Rechner auf der Website des Sloan-Kettering-Instituts für Ärzte und Patienten verfügbar gemacht werden.
Referenzen
1 Garcia-Aguilar J et al. Organ Preservation in Patients With Rectal Adenocarcinoma Treated With Total Neoadjuvant Therapy. J Clin Oncol. 2022 Aug 10;40(23):2546-2556. doi: 10.1200/JCO.22.00032.
2 Weiser MR et al. A Dynamic Clinical Calculator for Estimating Conditional Recurrence-Free Survival After Total Neoadjuvant Therapy for Rectal Cancer and Either Surgery or Watch-and-Wait Management. JAMA Netw Open. 2022 Sep 1;5(9):e2233859. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2022.33859.