Die erste Frau als Leitung der Frauenklinik in Basel forscht zum Ovarialkarzinom
Professor Dr. Viola Heinzelmann-Schwarz erhielt vor zehn Jahren das erste Ordinariat einer Frau in ihrem Fachgebiet schweizweit. Neben ihrer Forschung an neuen antihormonellen Therapien engagiert sie sich auch für eine offene Kommunikation über die weiblichen Geschlechtsorgane. Gegen Krebsarten im Genitalbereich setzt sie sich für eine gute Prophylaxe ein.
In einem kleinen Dorf am Rande der Schwäbischen Alb im Raum Stuttgart wuchs sie auf. Von der grossen, weiten Welt hat sie inzwischen aber schon viel gesehen: Prof. Viola Heinzelmann-Schwarz, die erste Frau mit einem Lehrstuhl für Gynäkologie in der Schweiz, amtiert seit 2013 als Chefin der Basler Frauenklinik und arbeitet zudem als Chefärztin für Gynäkologie und gynäkologische Onkologie am Universitätsspital Basel.
Wahl des richtigen Partners entscheidet
Dass eine Leitungsfunktion in dieser urfraulichen Domäne erst in jüngster Zeit in der Schweiz als Premiere mit einer Frau besetzt wurde, überrascht sie nicht besonders. Sie führt diesen Umstand vor allem auf die unterschiedlichen Lebensläufe der Geschlechter zurück. Die Basis für eine Karriere werde in der Regel in der ersten Lebenshälfte gelegt. «Es gibt eine Studie, die zeigt, dass über das ganze Leben betrachtet Frauen in der Medizin rund doppelt so viel publizieren wie Männer.»
Doch das Gros der Veröffentlichungen folgt bei den Frauen eben erst nach dem 40. Altersjahr und ist damit quasi nicht mehr so stark Karriere-relevant. Vorher stehen meist familiäre Verpflichtungen im Vordergrund, deren Hauptlast nach wie vor die Frauen zu tragen haben – «weil viele Männer nicht mitmachen.»
Nicht alle haben in dieser Beziehung so viel Glück wie Prof. Heinzelmann-Schwarz mit ihrem «150-Prozent-Job». Ihr Mann, ein Physiker, arbeitet Teilzeit und in Home Office. Zudem erhält sie noch fallweise Unterstützung von ihrem Bruder. Für eine Mutter, die Karriere machen wolle, sei etwas besonders wichtig, sagte sie einmal in einem Interview: «Die Wahl des richtigen Partners. Das ist das alles Entscheidende.»
Dissertation über einen jüdisch-deutschen Arzt
Als junge Frau hatte Prof. Heinzelmann-Schwarz im deutschen Erlangen zuerst ein paar Semester Rechtswissenschaften studiert und dann zur Humanmedizin nach Tübingen gewechselt. Ihre Promotion bestand aus einer medizinhistorischen Biografie über den jüdisch-deutschen Arzt Walter Griesbach. Sie habe lieber über einen Menschen geschrieben als ein trockenes medizinisches Gebiet beackert, «bei dem nachher vielleicht nichts herauskommt», räumt sie im Gespräch im Garten des Universitätsspitals Basel ein. Den von 1888 bis 1968 lebenden Walter Griesbach lernte Prof. Heinzelmann-Schwarz persönlich nicht mehr kennen, wohl aber seine beiden in Sydney und Auckland lebenden Neffen.
Dass sie gerade Walter Griesbach auswählte, war kein Zufall. Für Judaistik habe sie sich schon lange aus familiären Gründen interessiert. Griesbach emigrierte 1938 nach Neuseeland. Sie folgte seinen Spuren in diese Weltgegend und forschte und arbeitete klinisch während sechseinhalb Jahren selbst in Sydney, am Garvan Institute of Medical Research, Lowy Cancer Research Centre und im Gynecological Cancer Centre am Royal Hospital for Women. Ihr zweites Kind, eine Tochter, wurde auch dort geboren. Ihr erstes Kind, ein Junge, war sechs Jahre zuvor in «Züri», wie Prof. Heinzelmann-Schwarz auf Basler Dialekt diese Stadt bezeichnet, zur Welt gekommen, wo sie einst habilitierte.
«Die ganze Familie hat auch die australische Staatsbürgerschaft erlangt. Wir sind quasi ausgewandert, dann folgte die Rückkehr in die Schweiz, ins schöne Basel.» Eine Vorreiterrolle spielte dabei ihr unmittelbarer Vorgänger als Chefarzt der Gynäkologie in Basel, den sie noch aus ihrer Assistenzarztzeit aus Zürich kannte. Bereut hat sie es noch nie.
Interessensschwerpunkt liegt bei den Hormonen
Und die zweite Verbindung mit dem Kliniker und Forscher Walter Griesbach: Er war Internist und Endokrinologe, der sich ausgiebig mit Hormonen beschäftigte. Gleiche wie Prof. Heinzelmann-Schwarz: «Alle Praktika, die ich während meiner Ausbildung absolviert habe, hatten irgend etwas mit Hormonen zu tun.»
An diesem Schwerpunkt hat sich bis heute nichts geändert. In der Forschung konzentriert sie sich auf gynäkologische Karzinome, insbesondere das heimtückische Ovarialkarzinom, das oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung entdeckt wird. Umgeben von Blase und Darm metastasiert es sehr früh, mit teilweise grossen Konsequenzen. Trotz neuer Behandlungsmöglichkeiten liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei Betroffenen erst bei 30–40 Prozent.
Wirtschaftliche antihormonelle Therapie
Prof. Heinzelmann-Schwarz hofft, dass die Überlebenschancen für Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom dank neuer Therapieverfahren verbessert werden können. Zu diesem Zweck leitet sie momentan eine Studie; im Anschluss an eine Operation und eine Chemotherapie sollen Betroffene bis zu fünf Jahre eine antihormonelle Therapie erhalten, die auch wirtschaftlichen Kriterien genügt. Bis jetzt gibt es für diese Behandlung nur zwei sehr teure Medikamente.
Hoffnungen schöpft sie in diesem Zusammenhang auch aus Resultaten der Grundlagenforschung, hierbei wird sie von ihrer neunköpfigen Ovarian Cancer Research Group tatkräftig unterstützt. Antihormonelle Therapien, wie sie schon seit einiger Zeit bei der Brustkrebs-Behandlung zugelassen sind, könnten vergleichbare Wirkungen bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom haben.
Dass ihre Forschungsbemühungen auf diesem Gebiet beachtet werden, verdeutlicht ein Preis (Annemarie Karrasch Forschungspreis), den sie im laufenden Jahr erhielt: Die Forschungsstiftung «propatient» zeichnet Forscherinnen und Forscher aus, die patientennahe Forschungs- oder Innovationsprojekte mit einem onkologischen Bezug lanciert haben.
Keine Scham vor der Vulva
Was Prof. Heinzelmann-Schwarz von vielen Frauen unterscheidet: Sie hat überhaupt keine Mühe damit, über dieses Organ zwischen den Beinen im weiblichen Körper offen zu sprechen. Das fängt schon mit dem Namen an. «Wie heisst das Pendant zum Penis beim Mann? Keine Scham vor der Vulva», rät sie deshalb. Es sei dringend nötig, die Vulva, unter der sämtliche äusseren primären Geschlechtsorgane der Frau zusammengefasst werden, endlich aus der Tabuzone zu holen.
In ihren Sprechstunden hat sie die Erfahrung gemacht, dass sich Frauen oft gar nicht getrauen («aus Angst, dass sie eine Geschlechtskrankheit haben»), zu sagen, dass es etwas juckt. Dieses Schamgefühl überträgt sich nicht selten auch auf die Hausärzte. Sie tippen auf eine Pilzinfektion und verzichten auf eine weitere Abklärung. «Dabei könnte Juckreiz ein Anzeichen auf ein Vulva-Karzinom sein», warnt Prof. Heinzelmann-Schwarz. Ursache sind unter anderem auch sogenannte HP-Viren (HPV). Sowohl Gebärmutterhalskrebs wie auch ein Krebs an den Schamlippen kann durch HPV verursacht werden.
«Selbst wenn Eierstöcke, Eileiter und Gebärmutter schon entfernt sind, kann eine Frau an Schamlippen- oder Scheidenkrebs erkranken», fügt Prof. Heinzelmann-Schwarz an. «Viele Frauen glauben fälschlicherweise immer noch, dass sie dann nicht mehr zur gynäkologischen Kontrolle müssen», ergänzt sie. Eine Wunde, Schwellung oder Erhärtung der Vulva sollte aber immer medizinisch genauer abgeklärt werden.
Man sollte die Prophylaxe gross schreiben
Die Behandlungen von Krebserkrankungen im Genitalbereich sind vor allem im fortgeschrittenen Stadium längst nicht immer erfolgreich. Umso wichtiger ist in den Augen von Prof. Heinzelmann-Schwarz eine wichtige und sehr effektive prophylaktische Massnahme, die noch im Kindesalter durchgeführt werden sollte: eine Impfung. «Diese Erkenntnis hat sich in der Schweiz leider immer noch nicht breit durchgesetzt», bedauert sie und verweist auf das in dieser Beziehung weit aufgeklärtere Australien. «In Australien kann man kein Kind in die Krippe bringen, das nicht gegen HPV geimpft wird», weiss sie aus eigener Erfahrung. Mit «Kind» sind übrigens nicht nur Mädchen gemeint. Karzinome bedingt durch HP-Viren treten auch bei Männern auf.
Empfohlen wird eine Impfung vor dem geschlechtsreifen Alter, also um die elf Jahre. «Australien ist heute durchgeimpft». Von einer Impfpflicht könne man trotzdem nicht sprechen. «Dennoch – wer sich dort nicht impfen liess, konnte gewisse Leistungen, z.B. einen Krippenplatz, einfach nicht beanspruchen.»
In Kürze
Prof. Viola Heinzelmann-Schwarz amtiert seit 2013 als Leiterin der Frauenklinik am Universitätsspital Basel. Sie ist die erste Ordinaria mit einem Lehrstuhl für Gynäkologie in der Schweiz. Vorgängig hatte sie in Tübingen, London und Neuseeland studiert. Nach ihrer Assistenzarztzeit am Universitätsspital Zürich habilitierte sie 2007 als zweite Frau in ihrem Fachbereich an der Universität Zürich. Prof. Heinzelmann-Schwarz ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Im Gespräch mit Ärzten und Ärztinnen in der Forschung
Welchen Stellenwert die medizinische Forschung hat, und welche (hohen) Erwartungen die Bevölkerung in die medizinische Forschung setzt, hat man am Beispiel Covid-19 eindrücklich gesehen. Medical Tribune portraitiert hier in loser Folge Ärztinnen und Ärzte aus der Schweiz, die auf einem interessanten medizinischen Gebiet Forschungsarbeit im Dienste von Patientinnen und Patienten leisten.