Medical Tribune
25. Apr. 2022Irritable bowel syndrome

Beschwerden wegen FODMAPs: Nicht immer ist Gluten der Übeltäter

In den letzten Jahren ist die Low-FODMAP-Diät zur Linderung von Reizdarmbeschwerden stärker in den Fokus gerückt. Durch einfache Tricks im Alltag können die vergärbaren Zucker und die von ihnen ausgelösten Beschwerden effektiv reduziert werden.

Traditionelle Brotback-Verfahren sehen eine Langzeit-Gare vor, im Zuge derer die Hefen im Sauerteig die Beschwerden verursachenden FODMAPs abbauen.
iStock/alvarez

Traditionelle Brotback-Verfahren sehen eine Langzeit-Gare vor, im Zuge derer die Hefen im Sauerteig die Beschwerden verursachenden FODMAPs abbauen.

Sogenannte FODMAPs bezeichnen eine Gruppe von bestimmter Zucker, die in vielen Nahrungsmitteln vorkommen. Das Akronym steht für «fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols». Damit gemeint sind vergärbare Mehrfach-, Zweifach-, Einfachzucker und mehrwertige Alkohole. Zu dieser Gruppe gehören auch Fruktose, Laktose, Fruktane, Galakto-Oligosaccharide und Sorbit, sowie Mannit (1).

Gelangen diese Zuckermoleküle in den Dickdarm, werden sie von der dort ansässigen Darmflora vergoren. Dadurch kommt es zur vermehrten Gasbildung. Folge davon sind Beschwerden wie Blähungen, Durchfall oder krampfartige Schmerzen.

Diese Symptome treten oft im Wechsel auf und sind eine grosse Belastung für manche Patienten körperlich sowie psychisch. Zumeist mündet diese Symptomatik in der Sammeldiagnose «Reizdarmsyndrom» (siehe Kasten).

Reizdarmsyndrom eine unbefriedigende Diagnose für Arzt und Patient

Das Reizdarmsyndrom auch als Reizkolon, Colon irritabile oder Irritable bowel syndrom (IBS) bezeichnet zählt in der Gastroenterologie zu den funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen.

Schätzungen zufolge leiden zwischen sieben und 25 Prozent der Bevölkerung westlicher Industrieländer an einem Reizdarmsyndrom, das die Lebensqualität deutlich einschränken kann. Die Diagnose gestaltet sich schwierig: Mit konventionellen Untersuchungstechniken lässt sich meist keine Ursache finden. Nachdem entzündliche Darmerkrankungen, Nahrungsunverträglichkeiten oder Infektionen vom Arzt ausgeschlossen wurden, ist das Reizdarmsyndrom dann häufig eine «Verlegenheitsdiagnose».

FODMAP-arme Ernährung lindert die Symptome des Reizdarmsyndroms

Erstmals von einer positiven Wirkung einer FODMAP-armen Ernährung auf die Symptomatik funktioneller Darmerkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom wurde in einer 2010 veröffentlichten klinischen Studie berichtet (2).

Seither zeigten mittlerweile einige klinische Studien, dass eine FODMAP-arme Ernährung vor allem zu ihrem Beginn die Symptomatik, Nährstoffaufnahme und gastrointestinale Mikrobiota verbessern kann. In einer aktuellen britischen Langzeitanalyse, die 2022 publiziert wurde, berichteten zwei Drittel der Patienten nach einer 12-monatigen Low-FODMAP-Diät über eine spürbare Linderung der Symptome (3).

Der Reizdarm-Symptom-Score verringerte sich darin von 227 auf 154. Bei den untersuchten nützlichen Darmbakterien (Bifidobakterien) fanden sich zwar keine Unterschiede gegenüber dem Ausgangswert, dafür sank die Konzentration blähender Verbindungen (kurzkettige Fettsäuren, Acetat, Propionat und Butyrat) im Stuhl.

Sauerteigbrot und handwerkliche Backtechniken klar im Vorteil

Für viele Menschen gehört Brot zur täglichen Ernährung. Doch vor allem in Backprodukten sind FODMAPs meist reichlich vorhanden. FODMAPs werden dabei beim Brotbacken mit langer, mehrstündiger Teigführung durch Hefen im Sauerteig nach für nach abgebaut.

Eine deutsche Studie stellte nach 4,5 Stunden Gehzeit einen um 90 Prozent reduzierten Gehalt an FODMAPs im Brotteig fest (4). Moderne Bäckereien setzen effizienzbedingt jedoch eher auf schnelle Garen; dadurch finden sich hohe FODMAP-Konzentrationen im Brotteig. Dagegen hilft nur, sich Brot beim guten Bäcker zu besorgen, oder es selbst zu backen (siehe Rezept unten). Übrigens: Urgetreide wie Dinkel haben von Natur aus einem geringeren Gehalt an FODMAPs.

FODMAPs sind nicht nur in Getreide – individuelles Austesten lohnt sich

Auch Gemüse, Früchte, Getreide und Milchprodukte enthalten FODMAPs. Ein Ernährungstagebuch kann helfen, herauszufinden, welche Lebensmittel Beschwerden verursachen, und wann und wie stark welche Symptome auftreten. Durch das systematische Austesten lässt sich herausfinden, ob FODMAPs in den alltäglich konsumierten Nahrungsmitteln der Übeltäter für das Unwohlsein sein könnten.

FODMAPs werden auch durch sehr hohe Temperaturen abgebaut und lösen sich im Wasser: Es lohnt sich also, FODMAP-haltiges Obst und Gemüse in viel Wasser einzulegen, und das Kochwasser vor der Zubereitung abzugiessen.

Tipps für FODMAP-reduzierte Mahlzeiten gibt die Stanford-Universität unter http://stanfordhospital.org/digestivehealth/nutrition/DH-Low-FODMAP-Diet-Handout.pdf.

Mischbrot mit Roggen-Sauerteig

Rezept für ein Brot à 500 Gramm

  1. Vorteig:

20g aktives Anstellgut mit Roggensauerteig, 45g Roggenmehl mittel und 45g Wasser mischen, und 10-14 Stunden bei Raumtemperatur gehen lassen

2. Hauptteig:

  • 100 g Sauerteig, 150 g Weizen-Weissmehl, 75 g Vollkorn-Dinkelmehl, 75 g Roggenmehl mittel, und 180 g lauwarmes Wasser mischen, 30 Minuten stehen lassen (Autolyse), danach noch einmal 10 mL Wasser und einen TL Salz zugeben.
  • 5 Minuten langsam in der Küchenmaschine kneten, danach 15-20 Minuten auf Stufe 3-4
  • 2,5 Stunden in einer eingeölten Schüssel bei Raumtemperatur ruhen lassen, 2-3 mal falten, dann formen, und zugedeckt in einem Gärkörbchen über Nacht im Kühlschrank nachgehen lassen

3. Am Backtag:

  • Ofen rund 30 Minuten lang auf 250°C Umluft vorheizen, dabei eine feuerbeständige Tasse in den Backofen geben
  • Wasser in die Tasse geben, und Brot auf 230°C backen
  • Nach 15 Minuten Dampf ablassen und die Tasse entfernen
  • Brot noch 25 Minuten fertig backen

Die Klopfprobe sagt, wann das Brot fertig ist: Klingt es hohl, ist es ausgebacken. Vor dem Verzehr vollständig auskühlen lassen; die Auskühlzeit gehört zum Backprozess!