Medical Tribune
2. März 2022Die Stroke-Unit kommt zum Patienten

Mobile Stroke-Units verbessern Schlaganfall-Versorgung

Bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall muss die Thrombolyse, falls indiziert, so früh wie möglich erfolgen. Um die Zeitspanne maximal zu verkürzen, werden inzwischen auch mobile Stroke-Units (MSU) eingesetzt. Diese können laut einer neuen Studie die Outcomes der Patienten wesentlich verbessern. In der Schweiz ist die mobile Thrombolyse jedoch noch kein Thema.

Ambulance parked on pavement at City of Zurich. Photo taken April 7th, 2021, Zurich, Switzerland.
iStock/Michael Derrer Fuchs

Eine amerikanische Forschergruppe hat nun in einer prospektiven multizentrischen Studie den Einfluss mobiler Schlaganfall-Units auf das Outcome von Patienten untersucht. Dabei handelt es sich um Rettungsfahrzeuge, die mit CT-Scanner, Labor und speziell geschultem Personal für die Durchführung einer intravenösen Thrombolyse vor Ort ausgerüstet sind. Eingeschlossen wurden Patienten, die innerhalb von 4,5 Stunden nach Beginn der Schlaganfallsymptome entweder in einer mobilen Stroke-Unit oder standardmässig notfallmedizinisch (im normalen Krankenwagen und dann im Spital) behandelt wurden.

Thrombolyse erfolgte eine halbe Stunde früher

Von den 1.515 Patienten kamen 1047 Patienten für eine Thrombolyse mit rt-PA in Betracht, 617 davon wurden in der MSU, 430 laut. Durchgeführt wurde sie in 97,1 % bzw. 79,5 % der Fälle. In der MSU erhielten die Patienten die t-PA-Behandlung eindeutig früher, nämlich im Mittel nach 72 Minuten, im Vergleich zu 108 Minuten in der Standardgruppe. In der ersten Stunde nach Symptombeginn konnten bereits 32,9 Prozent der Patienten in der MSU-Gruppe gegenüber 2,6 Prozent in der Standardgruppe thrombolysiert werden.

Aber auch im primären Endpunkt der Studie, dem Ausmass der Behinderung 90 Tage nach einem Schlaganfall (nutzengewichtete modifizierte Rankin-Scale), ergaben sich signifikante Vorteile für die MSU-Gruppe. Der Score lag dabei bei 0,72 im Vergleich zu 0,66 in der Vergleichsgruppe. Einen modifizierten Rankin-Scale von 0 oder 1 (keine Symptome, bzw. keine relevante Beeinträchtigung) nach 90 Tagen wiesen 55 Prozent der MSU-Patienten und 44,4  Prozent der standardmässig Behandelten auf.

Rechnet sich die mobile Stroke-Unit auch am Land?

Auch in den sekundären Endpunkten schnitt die MSU-Gruppe besser ab. Die Mortalität nach 90 Tagen betrug etwa 8,9 versus 11,9 Prozent. Insgesamt ergibt die Studie nach Einschätzung der Autoren einen klaren Vorteil für den Nutzen mobiler Stroke-Units.

In einem begleitenden Kommentar merkt Professor Dr. Kennedy Lees, University of Glasgow, an, dass das Konzept, die Stroke-Unit zum Patienten zu bringen, statt die Kranken dorthin zu fahren, das diagnostische und therapeutische Prozedere durchaus beschleunigen kann. Patienten, die für eine Thrombolyse in Betracht kommen, würden davon kurz- und langfristig profitieren. Doch eine mobile Stroke-Unit zu implementieren, bedeute einen hohen Kostenaufwand.

Ausserdem sei die Studie ausschliesslich im städtischen Bereich durchgeführt worden; im ländlichen Gebiet könnte der Kosten-Nutzen-Faktor ungünstiger sein als in der Stadt. Bevor über eine solche Investition nachgedacht werde, solle man zunächst die Abläufe im Standard-Notfallmanagement so weit wie möglich optimieren, fordert der Kommentator.

In der Schweiz noch kein Thema

In der Schweiz sind MSUs bislang noch kein Thema: Eine Leitlinie Schweizer Neurologen aus dem Jahr 2021 hat die mobilen Stroke-Units für den flächendeckenden Einsatz evaluiert (3).

Hier kam man zu dem Schluss, dass das Konzept aktuell noch zu kostenintensiv ist, und nur im dicht besiedelten Gebiet mit über einer Million Einwohner nützlich ist. In der Schweiz sind die Städte aber verhältnismässig klein, und die Dichte an Stroke Units und Stroke Centers hoch. Und auch nicht zuletzt aufgrund der geographischen Gegebenheiten erachten die Autoren die mobile Thrombolyse für die Schweiz als ungeeignet.

Referenzen
  1. Grotta JC et al. Prospective, Multicenter, Controlled Trial of Mobile Stroke Units. N Engl J Med. 2021 Sep 9;385(11):971-981. doi: 10.1056/NEJMoa2103879. 
  2. Lees KR. Does My District Need a Mobile Stroke Unit? N Engl J Med. 2021 Sep 9;385(11):1043-1044. doi: 10.1056/NEJMe2111028. 
  3. Kägi G et al. Prähospitalphase beim akuten Hirnschlag. Swiss Medical Forum 2021; 21 (19–20): 322–328