Neurologen auf Facebook
Social-Media-Plattformen eröffnen auch Ärzten eine neue Dimension sozialer Interaktionen. Die American Academy of Neurology hat in einem einschlägigen Positionspapier eine kleine Anleitung für das digitale Miteinander mit Kollegen und Patienten zusammengestellt.
Fast 70 Prozent der Erwachsenen nutzen mindestens eine Social-Media-Plattform, mehr als die Hälfte sucht in diesen Kanälen nach Gesundheitsinformationen. Und die Mediziner? Sie sind ebenfalls in den sozialen Medien aktiv. Zu 90 Prozent tun sie das privat, und zu fast 70 Prozent auch im beruflichen Alltag. So fasst es ein Positionspapier der American Academy of Neurology (AAN) zusammen (1). In diesem nahmen Mitglieder der neurologischen Fachgesellschaft dazu Stellung, wie soziale Medien die klinische Praxis beeinflussen können.
"Soziale Medien haben als Kommunikationswerkzeug das Netzwerken im professionellen Umfeld deutlich vereinfacht. Damit eröffnen sie auch neue berufliche Entwicklungschancen", so das Papier. Ausbildung und Forschung profitieren vom barrierefreien Zugang zu vielen Publikationen und Materialien z.B. im Rahmen von Traineeprogrammen. Speziell in der Neurologie gibt es Kanäle mit problembasierten Lernprogrammen oder Falldiskussionen. Diese haben die das Potenzial, den Fortbildungsstand von Ärzten und medizinischem Personal zu verbessern.
Auch Patienten lassen sich über soziale Medien gut erreichen
Gleichzeitig schrecken bisher sowohl die akademische Ausbildung als auch Praxisleitlinien vor der Implementierung der Social-Media-Angebote weitestgehend zurück. Dabei nutzen auch Forscher zunehmend soziale Medien. Diese ermöglichen es ihnen, ihre Ideen und Studienkonzepte in professionellen Netzwerken publik zu machen, und schneller ein breit gefächertes Feedback zu bekommen.
Auch Studienteilnehmer lassen sich über diese Kanäle gut rekrutieren. Dies bietet zwar auf der einen Seite die Chance, ein heterogenes Patientengut zu erreichen, birgt aber auch die Gefahr einer Stichprobenverzerrung durch das Nutzerprofil populärer Kanäle.
Dass Gesundheitsinformationen für Nutzer im Internet und über soziale Medien breit verfügbar und frei zugänglich sind, bringt für die Ärzte auch die verantwortungsvolle Aufgabe mit sich, Patienten mit zuverlässigen, akkuraten Informationen zu versorgen und so Fehlinformationen vorzugreifen. Dies erscheint insbesondere im Zeitalter der "Fake News" extrem schwierig, da sich diese erfahrungsgemäss fast zehnmal schneller verbreiten als wahre Informationen. Ähnliches gilt für negative Bewertungen.
Soziale Medien haben aber auch das Potenzial, Menschen Zugriff auf neue fachspezifische Informationen zu ermöglichen z.B. in sogenannten "Tweetorials". Im besten Fall lässt sich das medizinische Wissen der Bevölkerung auf breiterer Front positiv beeinflussen, als dies durch direkte Gespräche möglich ist. Und nicht zuletzt können Ärzte und Patienten durch Supportgruppen in den sozialen Medien das Management chronischer Krankheiten verbessern.
Patienteninformationen müssen privat bleiben
Es ist also wichtig, dass Ärzte ihr Know-how in solche Gruppen einfliessen lassen, damit dort ein Gegengewicht zu verbreiteten Fehlinformationen gesetzt wird. Gleichzeitig bedeutet der Rückfluss von Erfahrungen der Betroffenen einen direkten Kontakt mit der "Community".
Doch bei allen Vorteilen, die sich bieten, muss der potenzielle Nutzen von sozialen Medien abgewogen werden. Am wichtigsten bleibt das Prinzip "primum non nocere": Die Autonomie des Patienten darf nicht beeinträchtigt werden und seine Privatsphäre muss geschützt bleiben. Deshalb sollten Ärzte in sozialen Medien keine identifizierbaren Patienteninformationen posten, weil sich deren Anonymität und Sicherheit in Online-Foren nicht garantieren lässt. Es sei denn, der Betroffene oder sein juristischer Vertreter haben dem schriftlich zugestimmt.
Die Empfehlung an Patienten, soziale Medien zu nutzen, birgt nicht nur das Risiko, dass sie durch Fehlinformationen verwirrt oder fehlgeleitet werden. Suchtgefährdete User könnten auch eine Abhängigkeit entwickeln.
Reale Konsequenzen bei Geldgebern und Chefs
Ärzte sollten Privates und Berufliches bei der Nutzung sozialer Medien immer trennen. Das schliesst Inhalte, aber auch das Thema Follower und Freundschaftsanfragen mit ein. Zudem gilt es, die eigenen Posts weiterzuverfolgen, weil falsche und unprofessionelle Reposts, Retweets etc. der eigenen Reputation schaden können.
Denn was man online macht, postet oder auch nur vermeintlich gesagt hat, kann reale Konsequenzen haben – auch bei Geldgebern oder Vorgesetzten. Nicht zuletzt entsteht immer mehr über soziale Medien das Bild, das sich die Öffentlichkeit von medizinischem Fachpersonal macht – ob das nun der Realität entspricht oder nicht. So sammelten sich unter dem Twitter-Hashtag #DoctorsAreDickheads im Jahr 2018 in kürzester Zeit etwa 40 000 Posts zu negativen Erfahrungen mit Ärzten.
Referenz
- Busl KM et al. Use of Social Media in Health Care-Opportunities, Challenges, and Ethical Considerations: A Position Statement of the American Academy of Neurology. Neurology. 2021 Sep 21;97(12):585-594. doi: 10.1212/WNL.0000000000012557.