Heterogenität von Prostatatumoren erschwert die Therapieentscheidung
Prostatakrebs kann viele Gesichter haben – auch bei demselben Patienten. Der Tumor wächst meist multifokal und oft sind neben vermeintlich harmlosen auch aggressive Läsionen nachweisbar.
Die Zellen eines Karzinoms können sich gewaltig unterscheiden. Paradebeispiel dafür ist das Prostatakarzinom. «Das ist das Heterogenste, das man finden kann», sagte Professor Dr. Matthias Saar, Urologische Klinik der RWTH Aachen.Auch wenn der Begriff eigentlich aus der Genetik stammt, beginnt die Tumorheterogenität von Prostatakarzinomen bereits bei der Anatomie des Organs. Je nachdem, wo man eine Läsion findet, lässt sich bereits ihre Bedeutung abschätzen. So liegen im inneren Bereich der Vorsteherdrüse eher benigne Veränderungen, in der äusseren Zone dagegen maligne Strukturen.
Ein weiterer Punkt ist die Multifokalität, denn das Prostatakarzinom wächst selten gleichmässig nur an einer Stelle. Daher kann eine Biopsiestanze komplett unauffällig bleiben, einen oder gleich mehrere Foci beinhalten. Finde man in einer Probe unterschiedliche Bereiche, lasse sich weder sagen, ob diese zu einer oder mehreren Läsionen gehörten, noch welcher Bereich repräsentativ sei, sagte der Urologe. Das kann man erst nach einer Prostatektomie beurteilen – und nicht selten weicht das Ergebnis von der präoperativen Einschätzung ab.
Der Gleason-Score
Der Score beruht auf der Histologie des Prostatagewebes, wobei fünf Grade unterschieden werden. Je höher der Grad, desto grösser die Entdifferenzierung der Zellen. Im Resektat wird der Score durch Addition der beiden am häufigsten nachgewiesenen Grade gebildet (z.B. 3 + 3). In der Stanzbiopsie addiert man den häufigsten und den schlechtesten Grad.
Hinzu kommt, dass jeder Fokus allein auch noch einmal heterogen erscheinen kann. Ein Umstand, dem auch die Bestimmung des Gleason-Scores anhand der Morphologie und Differenzierung des Zellgewebes Rechnung trägt.
Die Therapie richtet sich nach der vermeintlich aggressivsten Ausprägung, also nach dem höchsten Gleason-Score. Je höher dieser ausfällt, desto mehr genetische Veränderungen sind zu erwarten. Im Fall von Gleason-7-Tumoren kann die Frequenz der Aberrationen bei bis zu 20 % liegen. Ebenfalls wichtig: Ein Gleason 3 + 3, der eher als nicht therapiebedürftig eingestuft wird, darf nicht in falscher Sicherheit wiegen. Es seien nämlich keinesfalls nur Hochrisikoläsionen, die später einmal metastasierten, mahnte Prof. Saar und verwies auf eine Publikation aus dem Jahr 2013.
Jahre nach Prostatektomie doch dem Tumor erlegen
Darin berichten US-Wissenschaftler von einem Patienten, der 17 Jahre nach Erstdiagnose und Prostatektomie seinem Prostatatumor erlag. Es fanden sich mehrere Metastasen, deren Ursprung einer kleinen Gleason-6-Läsion zugeordnet werden konnte und die nicht aus dem vorherrschenden schlechter differenzierten Gewebe stammten. Auch solche geringgradigen Strukturen können sich wie alle Tumoren mit der Zeit verändern und dabei unter Umständen aggressiver werden. Das muss man nach Ansicht von Prof. Saar bedenken, wenn man einen Gleason-6-Tumor nur beobachten will. Er empfahl, Risikofaktoren für besonders aggressive Verläufe mit zu bestimmen, darunter etwa auch die BRCA-1/2-Mutationen.
Könnte man Patienten besser stratifizieren, müssten unter aktiver Überwachung vielleicht weniger Männer doch noch therapiert werden, so die Hoffnung des Experten. Die Kombination aus Magnetresonanztomografie und Künstlicher Intelligenz sowie ein früheres Zusammenbringen von Radiologie und Pathologie sieht er als einen möglichen Lösungsansatz für die Zukunft.
73. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie