Weg mit dem Erdbeerfleck
Bei infantilen Hämangiomen gilt Propranolol als Mittel der Wahl. Neue Studienergebnisse zeigen, dass es noch einen zweiten Betablocker gibt, der durch seinen selektiven Wirkmechanismus keine schlechte Alternative zu sein scheint.
Der Betablocker Propranolol gilt als Standardtherapie bei Kindern mit komplizierten infantilen Hämangiomen. Obwohl Propranolol insgesamt eine gute Verträglichkeit aufweist, können doch Nebenwirkungen auftreten, schreiben Dr. Yi Ji vom Department of Pediatric Surgery, West China Hospital of Sichuan University, und Kollegen. Dazu gehören z.B. bronchiale Irritationen und Hypoglykämien. Zudem erlaubt die Lipophilie des unselektiven Betablockers eine Passage der Bluthirnschranke, sodass zentralnervöse unerwünschte Ereignisse zumindest theoretisch möglich sind. Nach ersten positiven Erfahrungen mit Atenolol, einem hydrophilen selektiven Beta1-Blocker, haben die Wissenschaftler an sechs chinesischen Zentren eine prospektive offene randomisierte Studie durchgeführt.
Ansprechen fällt kurz- und langfristig ähnlich aus
Eingeschlossen in die Untersuchung waren insgesamt 377 Säuglinge mit infantilen Hämangiomen, die für eine systemische Therapie infrage kamen. Die eine Hälfte erhielt Propranolol, die andere Atenolol; bei Beginn der Behandlung waren die Babys rund zehn Wochen alt. Mehr als drei Viertel der Kinder waren Mädchen.
Beide Substanzen erwiesen sich in ihrer Wirksamkeit als ähnlich gut. Nach einem halben Jahr Therapie betrug die Ansprechrate auf Propranolol 93,7 % und auf Atenolol 92,5 %. Mit Blick auf Endpunkte wie den Hämangiom-Aktivitäts-Score, initiales Ansprechen, Lebensqualität, Zeit bis zur Abheilung der Ulzerationen (falls vorhanden) und Rezidivrate wurden ebenfalls keine Unterschiede zwischen den beiden Betablockern beobachtet.
Bei der Abschlussuntersuchung nach zwei Jahren war das Ansprechen weiterhin ähnlich (82,1 vs. 79,7 %). Unterschiede bestanden dagegen hinsichtlich der Rate an unerwünschten Ereignissen: Diese fielen zwar in den meisten Fällen mild bis moderat aus, lagen aber in der Propranolol-Gruppe bei 70 % im Vergleich zu 44 % in der Atenolol-Gruppe. Häufiger unter Propranolol waren beispielsweise Schlafstörungen (14,2 vs. 4,8 %), Agitiertheit (8,4 vs. 2,7 %), kühle Extremitäten (7,4 vs. 3,2 %) und Bradykardie (6,8 vs. 4,8 %).
Was die Zahl schwerer unerwünschter Ereignisse und Wachstumsstörungen betraf, unterschieden sich beide Substanzen nur unbedeutend. Aus Sicht der chinesischen Wissenschaftler könnte Atenolol daher als alternative Erstlinien-Therapie für infantile Hämangiome betrachtet werden. Grösser angelegte Studien müssen nun folgen.
Ji Y et al. JAMA Otolanryngol Head Neck Surg 2021; e210454.
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