Möglicherweise erhöht ein früher Antibiotikaeinsatz die Gefahr für Darmkrebs
Neben mangelnder Bewegung und einer zucker- sowie fettlastigen Ernährung stehen zunehmend orale Antibiotika im Verdacht, die Entstehung von Darmkrebs zu begünstigen. Für unter 50-Jährige liegen dazu nun neue Daten vor.
Weltweit nimmt die Verschreibung und damit der Konsum oraler Antibiotika stetig zu. Gleichzeitig lässt sich ein Anstieg von Fällen kolorektaler Karzinome (CRC) bei unter 50-Jährigen beobachten. Blosser Zufall? Zumindest liegt eine Verbindung nahe, stehen die Präparate doch im Verdacht, die Zusammensetzung der Darmflora nachhaltig zu verändern. Somit besteht zumindest die Möglichkeit, dass sich Bakterien ausbreiten, die langfristig das Darmkrebsrisiko erhöhen.
Ob dies im Speziellen für Jüngere zutrifft, untersuchten Forschende um Sarah Perrott,University of Aberdeen, jüngst in einer Fall-Kontroll-Studie. Anhand der Daten des schottischen Erstversorgungsregisters identifizierten sie 7903 Personen, die zwischen 1999 und 2011 die Diagnose CRC erhalten hatten. 5281 davon gaben Fälle eines Kolonkarzinoms an, 2622 entfielen auf das Rektum. Jedem Patienten stellte man fünf gematchte und nicht an Darmkrebs erkrankte Personen aus der Datenbank gegenüber, die als Kontrolle fungierten (n = 30 418).
Im Vergleich zu antibiotikanaiven Patienten erkannten Perrott und Kollegen eine signifikante Erhöhung des Risikos für die Entwicklung eines Kolonkarzinoms, wenn die Teilnehmenden zu irgendeinem Zeitpunkt eine orale Antibiotikatherapie erhalten hatten. Für Personen über 50 Jahre errechneten die Wissenschaftler eine adjustierte Odds Ratio von 1,09 (aOR; 95%-KI 1,01–1,18; p = 0,071), für jüngere eine aOR von 1,49 (95%-KI 1,07–2,07; p = 0,018). In der letztgenannten Kohorte stach der Zusammenhang zwischen Antibiotikaexposition und proximalem Kolonkarzinom hervor (aOR 3,78; 95%-KI 1,60–8,92; p = 0,002). Ein erhöhtes Risiko für ein Rektumkarzinom liess sich anhand der Daten nicht feststellen.
Die Studie sei kein kausaler Beleg dafür, dass Antibiotikaverordnungen mit vermehrten Fällen von Darmkrebs einhergehen, gab Perrott zu. Für ein vollständigeres Bild müsse man etwa den hohen Konsum von Junk Food, zuckerhaltigen Getränken und Alkohol sowie mangelnde Bewegung inkl. Adipositas als weitere wichtige Risikofaktoren berücksichtigen. Die Ergebnisse weisen laut der Referentin aber erstmals darauf hin, dass eine Antibiotikatherapie bei jüngeren Menschen ebenfalls eine Rolle spielen könnte.
Blick in den Magen
H. pylori gilt als eine der grössten mikrobiologischen Gefahrenquellen für Magenkrebs. Forscher aus Südkorea fanden nun heraus, dass sich eine positive Diagnose nicht allein auf das Stäbchenbakterium zurückführen lässt. Möglicherweise kanzerogener: eine fehlende Diversität im Mikrobiom. Biopsien aus dem Tumorrandgebiet von sieben an fortgeschrittenem Magenkrebs Erkrankten sowie Proben aus dem Antrum von sechs Gesunden wurden analysiert. Untersucht wurden die im Biopsat vorhandenen Bakterienstämme anhand der 16S-rRNA-Gene aus der isolierten DNA. In den beiden Gruppen unterschied sich das Profil erheblich. Bei den Kontrollen fanden sich im Mittel 120 Spezies pro Person, unter den Krebspatienten je 72. Fusobakterien waren in der erkrankten Gruppe dominanter, Rhodobacterales hingegen bei Gesunden.
Bang E et al. ESMO WCGC 2021 (virtuell); Abstract P-246
Anknüpfend an diese Aussage mahnte Professor Dr. Thomas Seufferlein, Uniklinik Ulm, man müsse – bei aller Unsicherheit einer Assoziationsstudie – wohl auch hinsichtlich eines möglichen Krebsrisikos auf eine rationale Verordnung von Antibiotika achten. Allen voran bei Kindern und jungen Erwachsenen.
Perrott S et al. ESMO WCGC 2021 (virtuell); Abstract SO-25.
ESMO World Congress on Gastrointestinal Cancer 2021 (virtuell)