Medical Tribune
1. Okt. 2021Covid-19 schwächt Aussagekraft der D-Dimere

Nur bei klarem Verdacht auf Lungenembolie CT-Angiografie durchführen

Patienten mit einer Covid-19-Infektion haben ein hohes Risiko, venöse Thromboembolien (VTE) zu entwickeln. Einer Metaanalyse zufolge erwischt solch ein Ereignis fast jeden Siebten. Die Inzidenz der Lungenembolie liegt bei etwa 7,8 %, die tiefer Venenthrombosen bei 11,2 %. Welche diagnostischen Konsequenzen hat die latente Gefahr?

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iStock/brainmaster

Gemäss der 2019 publizierten Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) zum Management der akuten Lungenembolie (LE) sollte bei einem hämodynamisch stabilen Patienten mit Verdacht auf LE zunächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankung tatsächlich vorliegt, abgeschätzt werden – entweder anhand der klinischen Erfahrung oder mithilfe des Genfer bzw. Wells-Scores. Ergibt sich daraus eine geringe oder mittlere Wahrscheinlichkeit, misst man zunächst die D-Dimere. Bei einem Wert oberhalb des Cut-off folgt eine CT-Angiografie der Lunge. Ist die Wahrscheinlichkeit für eine Lungenembolie hoch, wird diese Untersuchung sofort durchgeführt, so Professor Dr. Stavros Konstantinidis vom Centrum für Thrombose und Hämostase der Universitätsmedizin Mainz.

Bei Covid-19 von der ESC-Leitlinie abweichen

Im Fall von Covid-19 hält der Kollege das D-Dimer-gestützte Vorgehen nicht für sinnvoll, da die Marker bei den Betroffenen unabhängig von einer Lungenembolie erhöht sind. Ein schneller D-Dimer-Anstieg korreliert zwar mit einer schlechten Prognose, ist aber ebenfalls nicht hinweisend auf eine pulmonale Embolie. Deshalb gilt abweichend von der ESC-Leitlinie, dass eine D-Dimer-Erhöhung ohne andere Verdachtsmomente bei Covid-Patienten keine Bildgebung oder Behandlung nach sich zieht. Über die prophylaktische Gabe von Antikoagulanzien herrscht derzeit noch keine Einigkeit, sagte Prof. Konstantinidis.

Routinemässig bei Covid-19-Patienten mit respiratorischer oder hämodynamischer Verschlechterung eine pulmonale CT-Angiografie durchzuführen, lehnt Prof. Konstantinidis ab – dieses Vorgehen sei weder machbar noch medizinisch vertretbar. Dagegen sollte die Untersuchung rasch stattfinden, wenn aufgrund der folgenden Kriterien der Verdacht auf eine Lungenembolie besteht:

  • unerwartete/unerklärliche respiratorische Verschlchterung
  • plötzliche Tachykardie ohne erkennbare Ursache
  • Blutdruckabfall, der nicht auf eine Arrhythmie, Hypovolämie oder Sepsis zurückgeht
  • akute EKG-Veränderungen, die auf eine Lungenembolie hinweisen
  • klinische Zeichen der tiefen Beinvenenthrombose

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