Konservativ behandeln bei der Blasen-Darm-Dysfunktion
Eine Blasen-Darm-Fehlfunktion (Bladder Bowel Dysfunction, BBD) ist bei Kindern häufig ein Grund für rezidivierende Harnwegsinfekte. Sie sollte deshalb nach Entwicklung der Kontinenz immer kontrolliert werden. Worauf in der Praxis zu achten ist und wie eine BBD behandelt wird, erläuterte Professor Dr. Christoph Rudin, Leitender Arzt für Nephrologie und Pädiatrie am UKBB, in einem Vortrag am Forum für medizinische Fortbildung Pädiatrie Update Refresher.
Zu Beginn präsentierte Prof. Rudin das Fallbeispiel eines 6-jährigen gesunden Mädchens, das mit dysurischen Beschwerden auf die Notfallstation kommt und nachts zuvor überraschend eingenässt hat. Die Mutter berichtet über übelriechenden Urin, Pollakisurie, frühere afebrile Harnwegsinfektionen (HWI) und von «Unfällen» tagsüber. Der Arzt vermutet eine Zystitis, veranlasst eine Urinkultur und verschreibt das Antibiotikum Cefpodoximproxetil. «Unklar bleibt, ob es sich beim Harnwegsinfekt um die Diagnose oder um ein Symptom einer BBD handelt», umriss der Referent das Problem.
Blasen-Dysfunktion: Diagnose ab fünf Jahren
Etwa die Hälfte der HWI bei Kindern hängt mit einer Fehlfunktion von Blase und/oder Darm zusammen. Eine Blasen-Fehlfunktion wiederum ist ein häufiger Grund für Inkontinenz, eine Darm-Fehlfunktion für Verstopfung. Die Obstipation wird zudem meist noch verstärkt, weil die Kinder zu wenig trinken.
«Diagnostiziert wird eine Blasen-Dysfunktion ab fünf Jahren, eine Darm-Fehlfunktion ab vier Jahren», erklärte der Experte. 30–80 % der Kinder mit einer Blasen-Dysfunktion haben auch eine Überdehnung des Rektums. Die ICCS (International Children’s Continence Society) fasst deshalb die beiden Fehlfunktionen unter dem Begriff Blasen-Darm-Dysfunktion (BBD) zusammen.
«Um zu unterscheiden, ob es sich – wie bei dem Mädchen im Fallbeispiel – beim HWI um die Diagnose oder eher ein Symptom einer BBD handelt, ist anamnestisch die Trinkmenge und das Miktionsverhalten abzuklären», erläuterte Prof. Rudin. Dazu ist es hilfreich, wenn die Eltern zwei bis drei Tage lang für das Kind ein Flüssigkeitszufuhr- und -ausscheidungs-Tagebuch führen.
Ärzte sollten auch die Stuhlkonsistenz und die Häufigkeit der Stuhlentleerung erfragen. Die ROME-IV-Kriterien der funktionellen Obstipation und die Bristol Stool Scale lassen sich bei Kindern allerdings nicht anwenden. «Denn Kinder sind bereits verstopft, wenn sie eine Darm-Dysfunktion und nur sehr wenig Stuhl haben», erläuterte der Experte. Auch ist Stuhlschmieren meistens nicht ein Zeichen für fehlende Reinlichkeit, sondern für eine Obstipation.
Für die klinische Untersuchung empfahl er, das Genitale anzuschauen, das Abdomen auf eine allfällige Stuhlwalze hin zu palpieren sowie die Analregion auf Rhagaden, Fissuren und Hämorrhoiden zu untersuchen. Zudem sollte die Unterwäsche der Kinder auf Urin- und Stuhlspuren unter die Lupe genommen werden.
Die Behandlung einer BBD besteht in erster Linie aus konservativen Massnahmen. Es gilt die Flüssigkeitszufuhr zu normalisieren (empfohlen wird täglich 1 l Wasser für Schulkinder und 1,5 l für Jugendliche) und ein Blasentraining durchzuführen. Dazu wird das Kind alle zwei Stunden auf das WC geschickt, wo es einige Minuten verharren und keine Haltemanöver durchführen soll. «Damit das Kind bequem auf der Toilette sitzen kann, gehört ein Schemel unter die Füsse», betonte Prof. Rudin.
Beim Blasentraining muss oft auch die Schule mithelfen. So sollten die Lehrer, wenn die Kinder in der grossen Pause nicht von sich aus auf die Toilette gehen, sie jeweils kurz vorher dorthin schicken. Wenn Mädchen die Schultoilette meiden, weil sie «gruusig» ist, sollten die Lehrer das Kind jeweils auf die Lehrertoilette gehen lassen.
Hohe Erfolgsrate bei konsequenter Umsetzung
Oft ist auch ein Stuhltraining angezeigt. Dazu werden die Kinder jeden Tag etwa um die gleiche Zeit einmal auf die Toilette geschickt, wo sie eine Viertelstunde verweilen und den Darm möglichst entleeren sollten. Um den Stuhl weicher zu machen, kann Macrogol eingesetzt werden. Bei den Mädchen ist zudem auf eine korrekte Genitalhygiene – Reinigung von vorne nach hinten, keine irrigierenden Schaumbäder oder Seifen – zu achten.
«Die Erfolgsrate ist hoch, wenn die Massnahmen konsequent über längere Zeit umgesetzt werden», führte Prof. Rudin aus. Bis die ganze Sache aber überwunden sei, dauere es oft Monate. Immerhin trete eine deutliche Besserung aber bereits nach zwei bis drei Wochen ein.