Medical Tribune
10. Juni 2021Augen auf bei Rheuma-Patienten

Eine übersehene Uveitis kann zur Erblindung führen

Ein rheumatologischer Patient klagt über gerötete Augen und leichte Sehstörungen. Hinter diesen scheinbar harmlosen Beschwerden kann eine gefährliche Uveitis stecken.

Eine Uveitis kann sich in jedem Lebensalter manifestieren, auch schon bei Kindern, schreiben Dr. Bryn Burkholder und Kollegen von der Johns Hopkins University in Baltimore. Die Symptome reichen von der konjunktivalen Injektion bis zum Visusverlust. Hierzulande sind etwa 10–15 % der Erblindungen eine Folge der intraokulären Inflammation.

Die anatomische Klassifikation erfolgt anhand der befallenen Kompartimente (s. Tabelle). Uveitiden können sich akut (plötzlicher Beginn, Dauer < 3 Monate) oder chronisch manifestieren. Manchmal bleibt es bei einer Episode, vielfach kommt es zu Rezidiven. Wie bei den Arthritiden lässt sich die Diagnose oft schon anhand von Verlauf, Lateralität (ein- oder beidseitig) und anatomischer Ausbreitung genauer eingrenzen. So ist für HLA-B27-positive Patienten eine anteriore Uveitis typisch, die akut, unilateral und alternierend auftritt.

Unterscheidung zwischen infektiös und nichtinfektiös

Entscheidend für die Therapie ist die Differenzierung zwischen infektiösen und nichtinfektiösen Entzündungen. Erstere werden mit Antibiotika und Virostatika behandelt, Letztere mit Kortikoiden und Immunsuppressiva. Wichtig zu wissen ist auch, ob der Uveitis eine Systemerkrankung zugrunde liegt. Denn dann sollte die gewählte Medikation beide Störungen adressieren.

Die häufigste systemische Ursache einer anterioren Uveitis bei Erwachsenen ist die HLA-B27-assoziierte Spondyloarthritis. Die akuten okulären Episoden treten üblicherweise etwa einmal im Jahr auf und halten im Schnitt sechs Wochen an, allerdings mit grosser Variabilität auch beim selben Patienten. Eine immunsuppressive Dauertherapie ist üblicherweise nicht indiziert, die Attacken sprechen meist gut auf topische Steroide an. Einen HLA-B27-Test bei Patienten mit Uveitis unklarer Genese halten die Autoren hingegen für sinnvoll. Denn damit lässt sich eventuell eine bisher undiagnostizierte Spondyloarthritis aufdecken.

Der systemische Lupus erythematodes wird nur selten von einer intraokulären Entzündung begleitet. Kontrollen auf antinukleäre Antikörper (ANA) sind deshalb nur bei hoher Prätestwahrscheinlichkeit (z.B. SLE-verdächtige Befunde, okklusive retinale Vaskulopathie) indiziert.

Bei Kindern mit chronischer anteriorer Uveitis plädieren die Autoren hingegen für einen routinemässigen ANA-Test. Denn die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) ist in diesem Alter die häufigste systemische Ursache für die intraokuläre Entzündung. Betroffen sind etwa 30 % der jungen Patienten mit ANA-positiver JIA. Eine frühzeitige (immunsuppressive) Therapie kann das Risiko für eine Erblindung deutlich senken.

Bei der Sarkoidose sind etwa 5–10 % der Patienten von einer Uveitis betroffen. Sie tritt sowohl akut als auch chronisch auf und befällt vor allem die hinteren Augenabschnitte. Bei Patienten mit posteriorer Uveitis oder Panuveitis ist deshalb zum Sarkoidose-Screening ein Throax-Röntgen empfehlenswert.

Die Behandlung der nichtinfektiösen Uveitis erfolgt primär mit Kortikosteroiden. Das Ziel ist eine vollständige Suppression der Entzündung bei möglichst geringen Nebenwirkungen (Katarakt, Glaukom etc.). Für die Lokalbehandlung stehen inzwischen auch periokuläre und intravitreale Injektionen sowie Implantate zur Verfügung.

Systemische Kortikoide werden zur Behandlung schwerer Entzündungen oder einer Inflammation in den hinteren Augenabschnitten (z.B. intermediär, posterior, Panuveitis) genutzt. Die Autoren bevorzugen eine orale Prednison-Tagesdosis von 1 mg/kgKG, maximal 60 mg/d. Bei gutem Ansprechen kann nach zwei bis vier Wochen schrittweise reduziert werden. Angestrebt wird eine komplette Suppression der Entzündung mit einer Dosis ≤ 7,5 mg/d.

Bei intermediärer Uveitis auf MS screenen

Wenn Patienten zur Kontrolle ihrer okulären Entzündung inakzeptabel hohe Kortison-Dosen benötigen oder die Grunderkrankung eine Immunsuppression erfordert, ist eine Steroid-sparende Therapie indiziert. Am häufigsten eingesetzt werden Methotrexat und Mycophenolat-Mofetil. Die Autoren setzten primär auf MTX in einer Dosis von 15 mg/Woche und steigern bei Bedarf auf 25 mg/Woche. Mycophenolat-Mofetil wird mit 2 g/d begonnen und eventuell auf 3 g/d erhöht. Ein knappes Viertel der Patienten braucht zusätzlich einen Calcineurininhibitor als zweites Immunsuppressivum. Bei gleicher Wirksamkeit wird Tacrolimus besser vertragen als Ciclosporin.

Klassifikation der Uveitis
Anatomischer Typ
Primäre Entzündung
Systemerkrankung
anterior
Vorderkammer
Spondyloarthritis oder HLA-B27-assoziierte anteriore Uveitis, JIA, M. Behçet, Sarkoidose
intermediär
Glaskörper
Multiple Sklerose, Sarkoidose, tubulointerstitielle Nephritis
posterior
Retina und/oder Choroidea
Sarkoidose
Panuveitis
Vorderkammer, Glaskörper und Retina oder Choroidea (ohne dominierende Region)
M. Behçet, Sarkoidose

Einen neuen Ansatz zur Behandlung der nichtinfektiösen Uveitis bieten die Biologika: Die TNF-α-Inhibitoren Adalimumab und Infliximab reduzieren nachweislich die okuläre Inflammation und das Risiko für Rezidive und Visusverlust. Besonders effektiv sind die TNF-Hemmer bei Patienten mit Spondylitis und M. Behçet. Zu beachten ist das vermehrte Auftreten von Infektionen und nichtmelanotischen Hauttumoren. Vor Therapiebeginn müssen Tuberkulose und Hepatitis ausgeschlossen werden. Für Patienten mit intermediärer Uveitis empfehlen die Autoren zudem ein Screening auf Multiple Sklerose (kraniale MRT), da TNF-Inhibitoren diese Erkrankung verschlimmern können.

Die Entscheidung für ein Absetzen der immunsuppressiven Therapie bei der chronischen Uveitis hängt von Krankheitsverlauf, Schweregrad und Rezidivneigung ab. Auch die rheumatologische Grunderkrankung spielt eine wesentliche Rolle. Bei nichtalkylierenden Substanzen wie MTX reduzieren die Autoren die Dosis erst, wenn der Patient zwei Jahre steroidfrei ist. Eine Behandlung mit alkylierenden Substanzen wie Cyclophosphamid sollte wegen ihrer Toxizität und des erhöhten Malignomrisikos möglichst nicht länger als 18–24 Monate fortgesetzt werden.

Burkholder BM et al. BMJ 2021; 372: m4979.