Gelassener auf der Sonnenbank brutzeln?
Mit anerkannten Gremien legt man sich nicht so schnell an. Doch genau das hat ein internationales Wissenschaftlerkonsortium nun getan und prangert die Informationspolitik der Europäischen Kommission und der WHO bzgl. der Solarienwarnung an.1 Anlass gab eine systematische Literaturrecherche einer Arbeitsgruppe um Dr. Barbara Burgard, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinik Saarland in Homburg.2 31 nichtinterventionelle Studien zum Thema «Sonnenbank und Hautkrebs» haben die Forscher in ihre Analyse einbezogen.
Viele Krebsrisikofaktoren blieben unberücksichtigt
Das Ergebnis: Solarium-Anwender hatten zwar ein geringfügig höheres Melanomrisiko als Nie- oder Nicht-Nutzer. Allerdings wiesen die ausgewerteten Studien erhebliche Schwächen auf.
Beobachtungsstudien, so die Forscher, erlauben keine Rückschlüsse auf Kausalzusammenhänge. Zudem blieben in vielen Veröffentlichungen potenzielle Einflussvariablen – wie das Gesundheitsverhalten – unberücksichtigt.
Auf u. a. dieser Basis kommentieren die Experten um Professor Dr. Jörg Reichrath, ebenfalls vom Universitätsklinikum Homburg, die Informationspolitik der Europäischen Kommission und der WHO. Beide Gremien warnen seit 2016 bzw. 2017 vor Solariumbesuchen: Die Strahlenexposition habe nur geringe gesundheitsförderliche Wirkungen, prädisponiere aber für schwarzen und hellen Hautkrebs, insbesondere bei Menschen unter 30 Jahren. Ferner postulierten beide Organe, es existiere keine unbedenkliche Menge künstlicher UV-Strahlen.
Prof. Reichrath und Kollegen kritisieren die Veröffentlichungen scharf. Statt einer umfassenden Sichtung und objektiven Auswertung aller verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz hätten die Autoren bewusst Studiendaten unterschlagen, um so ihre eigene vorurteilsbehaftete Position zu untermauern.
Kausalzusammenhänge seien unzulässig und Metaanalysen, epidemiologische sowie Tierstudien, die keinen Zusammenhang zwischen moderater Sonnenbanknutzung und dem Melanomrisiko nachweisen konnten, wurden in der Auswertung nicht berücksichtigt. Günstige UV-Effekte kamen in den Stellungnahmen sogar überhaupt nicht vor. Weder die lebensverlängernde Wirkung der UV-Exposition, z. B. durch eine gesenkte Rate kardiovaskulärer Erkrankungen, noch die über einen Anstieg des Vitamin-D-Spiegels vermittelten positiven Effekte fanden Erwähnung.
Die Literaturanalysen der EU-Kommission und der WHO sind laut den Autoren von mangelhafter wissenschaftlicher Qualität, «unvollständig, unausgewogen und unkritisch». Ihr Fazit: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keine belastbaren Daten, die belegen, dass künstliche UV-Strahlen allein das Melanomrisiko erhöhen.
- Reichrath J et al. Anticancer Res 2018; 38: 1111–1120.
- Burgard B et al.; a. a. O.: 1187–1199.