Medical Tribune
24. Nov. 2015Ernährungszustand von Alkoholkranken

Alkoholiker mit Übergewicht mangelernährt

Wenn es um den Ernährungszustand von Alkoholkranken geht, dürfen Sie sich nicht auf das Gewicht der Patienten verlassen! Denn trotz hohem BMi fehlt es oft an Vitaminen, Spurenelementen oder Eiweiss. Eine ausreichende Proteinzufuhr ist entscheidend für die Prognose, vor allem bei bereits bestehender Leberzirrhose.

Während der spindeldürre Leberzirrhotiker mit dem Aszitesbauch für jeden sichtbar mangelernährt ist, sieht man dem normalgewichtigen oder gar adipösen Alkoholkranken seine Unterversorgung nicht immer an. Der viele Speck kann durchaus mit einer Sarkopenie, also Mangel an Muskelmasse, einhergehen.
Bei onkologischen und geriatrischen Patienten ist diese Konstellation mit einem schlechteren Überleben assoziiert. Und das Gleiche gelte für Alkoholkranke, berichtete Professor Dr. Mathias Plauth von der Klinik für Innere Medizin am Städtischen Klinikum Dessau. Daher kann auch beim Übergewichtigen eine Ernährungstherapie notwendig sein.

Ganz vorne auf der Mangelliste stehen die Mikronährstoffe. So werden bei Vitamin-B1-Mangel meist sehr hohe Dosen benötigt. Um z. B. eine Wernicke-Enzephalopathie zu verhindern, gibt man 250 mg/Tag i.m. oder i. v. über drei bis fünf Tage. Auch eine Laktatazidose kann durch den Thiaminmangel entstehen. Diese ist nur mit einer raschen Substitution zu behandeln – Vitamin B1 wirkt dann aber wie ein Zaubermittel, so der Referent.

Eine Ernährungstherapie beim Patienten mit Malnutrition geht aber auch mit gewissen Risiken einher. Denn beim sogenannten Refeeding-Syndrom wandern Insulin, Kalium und Phosphat in die Zelle. Es kommt zu einem eventuell dramatischen Phosphatabfall im Serum und die Patienten entwickeln eine therapierefraktäre kardiorespiratorische Insuffizienz. Daher beginnt man bei Alkoholkranken, aber auch bei anderen schwer Leberkranken, nur mit der halben Ernährungsdosis (also der Hälfte der normalerweise empfohlenen Energiezufuhr, z.B. 1000 kcal) und beobachtet das Phosphat engmaschig.

Meist fehlen mehrere  Vitamine und Spurenelemente gleichzeitig. Daher riet Prof. Plauth zur Gabe von Multivitaminpräparaten ohne teuren und aufwendigen Nachweis der einzelnen Defizienzen. Liegt bereits eine ausgeprägte Zirrhose vor, leiden die Patienten an einem Gesamteiweissdefizit. Die Proteinmangelernährung ist nachweislich mit eingeschränkter kardiovaskulärer Leisungsfähigkeit und schlechter Prognose assoziiert.

In der S3Leitlinie zur klinischen Ernährung in der Gastroenterologie* empfehlen die Experten, bei Patienten mit Leberzirrhose eine adäquate Energiezufuhr sicherzustellen. Dazu sollten 30 kcal pro kgKG und Tag zugeführt werden. Als tägliche Ziele gelten für Eiweiss 1,2 g/kgKG bzw. 1,5 g/kgKG, je nachdem ob die Leberzirrhose kompensiert oder dekompensiert (schwere Mangelernährung) ist. Bei den Fetten liegt das Tagesziel bei 1 g/kgKG. Auch für Patienten mit alkoholbedinger Hepatitis scheint die Ernährung eine wesentliche Rolle für das Überleben zu spielen.

So hat bereits 1993 eine Studie gezeigt, dass nicht die Gabe anaboler Steroide das Überleben verbessert, sondern der Ausgleich der Mangelzustände. Schwer Mangelernährte wiesen eine Halbjahressterblichkeit von 60% auf.

Allein durch ausreichende Nährstoffzufuhr senkte man diese Sterblichkeit signifikant auf gut 20 %. Die Kortikoidgabe dagegen brachte keinen entscheidenden Effekt. Vielmehr gehe die Kortisontherapie mit erhöhter Infektionsgefahr für diese ohnehin schon immungeschwächten Patienten einher, warnte der Referent. Die zusätzliche Energiezufuhr kann man mit Trinksupplementen bewerkstelligen. In vielen Fällen aber hat sich das Legen einer transnasalen Magensonde bewährt, über die zusätzliche Nährstoffe gegeben werden können.

* www.awmf.org
Kongress Viszeralmedizin 2015


Wie viel Eiweiss braucht der Mensch?

Für einen ausgeglichenen Eiweisshaushalt geht man bei gesunden normal ernährten Menschen von einem täglichen Bedarf von 0,5g Eiweiss/kgKG und Tag aus. Mit einem Sicherheitszuschlag empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) daher eine tägliche Zufuhr von 0,8g/kgKG. Ein Zirrhosepatient aber braucht deutlich mehr, um seine Proteinbilanz auszugleichen. Die Empfehlung lautet 1,2–1,5 g/kgKG und Tag.


Leberkranke abends an den Kühlschrank schicken

Patienten mit Leberzirrhose sollten vor allem spätabends oder nachts noch einmal Nährstoffe aufnehmen. Stellt man die ausreichende Versorgung z.B. durch Trinksupplemente sicher, so rät man am besten zu spätabendlicher oder sogar nächtlicher Zufuhr. Denn Zirrhotiker haben einen sehr niedrigen Glykogengehalt in der Leber.Wenn der Blutzucker dann über die nächtliche Fastenphase absinkt, nagt die Leber über die Glukoneogenese am körpereigenen Eiweiss, erklärte Prof. Plauth. Essen die Patienten dann spätabends noch eine Mahlzeit, verbessert sich der Gesamteiweissgehalt. Raten Sie daher Ihren Patienten, z.B. abends mit der Tagesschau Trinksupplemente zu sich zu nehmen und noch etwas zum Essen auf den Nachttisch zu stellen.