Wie Sie den Teufelskreis chronischer Wunden durchbrechen können
Ein Fall aus der Praxis: Der Patient ist starker Raucher, dialysepflichtig und leidet an einer zunehmenden peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) beider Beine. Aufgrund einer feuchten Fussgangrän rechts muss er einer Zehenstrahlamputation mit Nekrosektomie der Weichteile am Fussrücken und der Planta pedis unterzogen werden.
Die massive Wunde heilt daraufhin jedoch nicht ab – eine Unterschenkel-Amputation steht im Raum, wie Dr. Gabriele Hastermann, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien, berichtet. Mithilfe einer hyperbaren Sauerstoff-Therapie kombiniert mit einem Débridement und Alginatauflagen mit Schaumstoffdeckverband versuchen die Ärzte das Bein zu retten und sind schliesslich erfolgreich – nach knapp zwei Wochen setzt die Heilung ein.
Debridement immer nötig
Doch was steckt hinter diesen modernen physiologischen feuchten Wundbehandlungsmethoden und welche Optionen eröffnen sie für die generelle Therapie von Patienten mit chronischen Wunden? Moderne Wundauflagen durchbrechen die pathophysiologischen Vorgänge in der Wunde und greifen direkt in die Heilung ein. Sie können ihre Wirkung allerdings nur bei optimaler Wundtemperatur (= physiologische Körpertemperatur) und angepasster Tragedauer entfalten.
- Wundauflagen mit Silber: Alginatkompressen, hergestellt aus Braunalgenextrakt, mit integriertem Silber haben sich besonders etabliert. Sie geben antibakteriell wirksame Silberionen an die Wundoberfläche ab und unterstützen die Selbstreinigung der Wunde. Schutz vor einer bakteriellen Superinfektion mit resistenten Keimen bietet die Kompresse allerdings nicht – ein regelrechtes Débridement der Wunde muss auch hier immer vorausgesetzt sein.
- Wundauflagen mit Kollagen: Das Strukturprotein Kollagen in resorbierbaren Zelluloseauflagen reduziert Entzündungsmediatoren (z.B. Matrix-Metalloproteasen, Elastase, Interleukine) und fördert die Granulation. Bei Rest-Nekrosen oder massiven bakteriellen Besiedlungen sollten sie allerdings nicht eingesetzt werden.
- Medizinischer Honig (pollen- und giftfrei): Das Bienenprodukt verhindert das Bakterienwachstum, indem es geringe Mengen an Wasserstoffperoxid bildet und den pH-Wert vermindert. Ein leicht saures Milieu fördert die Wundheilungsprozesse. Die osmotische Wirkung des Honigs kann jedoch zu Schmerzen führen.
- Biobags: Die Goldfliegenlarven in Gazebeuteln bieten sich vor allem für die Behandlung von Weichteil-Nekrosen an. Mit ihren Verdauungssekreten verflüssigen sie abgestorbenes Gewebe. Der Deckverband muss ein warmes, feuchtes und gut belüftetes Milieu für die Maden gewährleisten.
Auch die apparativen Techniken haben sich weiterentwickelt. Als besonders empfehlenswert bewertet Dr. Hastermann folgende Therapieformen:
- Hyperbare O2-Therapie: Das Verfahren ist amputationsgefährdeten Patienten mit chronischen Wunden an den Gliedmassen vorbehalten. Die betroffene Extremität wird in einer sogenannten Hyper-Box mindestens zweimal täglich für 90 Minuten einem lokalen Sauerstoff-Überdruck (50 mmHg) ausgesetzt.
- Vakuumassistierte Unterdrucktherapie: Diese therapeutische Option ist heute Standard für die offene Behandlung von Patienten mit septischen Prozessen im Abdomen, findet aber zunehmend auch bei peripheren Wunden Anwendung. Mithilfe eines extern angelegten Unterdrucks von 50 bis 150 mmHg wird bei dieser Methode Wundsekret und Detritus in einen exakt auf die Wundkavität angepassten Schwamm eingesaugt.
- Niedrigenergie-Laser: Die Biostimulation durch monochromatisches Licht verbessert die Wundranddurchblutung und fördert so den Heilungsprozess. Aber auch Schmerzen werden auf diese Weise reduziert.
- Stosswellentherapie: Die durch Schallwellen extrakorporal erzeugten Minidruckwellen regen die Granulation an. Bei pAVK-Patienten kann die Therapie Schmerzen auslösen.
- Transkutane Vagusstimulation: Die Stimulation wirkt gefässerweiternd und fördert in Kombination mit Fibrin-/Thrombozytenkonzentraten die Granulation.
Die Autorin betont, dass die modernen Wundtherapeutika nicht ohne kritische Prüfung und genaue Indikationsstellung zum Einsatz kommen sollten. Einen der Gründe dafür stellen die mitunter immensen Kosten dar.
Quelle: Gabriele Hastermann, internist. prax. 2015; 55: 125-133