Medical Tribune
4. Dez. 2014Die Wirksamkeit eines Antidepressivums

Antidepressiva nach zwei Wochen wechseln?

Mehrere Wochen zu warten, um erst dann abzuschätzen, ob die antidepressive Therapie anschlägt oder nicht – das ist für Patient und Arzt gleichermassen unbefriedigend. Neue Strategien sollen das Prozedere beschleunigen.

Wie schnell die Wirksamkeit eines Antidepressivums beurteilt werden kann, ist international durchaus umstritten. Die deutsche S3-Leitlinie zur Major Depression sieht drei bis vier Wochen Wartezeit vor, die des britischen NICE (National Institute of Clinical Excellence) bis zu sechs und die der amerikanischen Psych­iatrie-Gesellschaft sogar bis zu acht Wochen – und sie alle stützen sich auf retrospektive Daten und Mittelwerte, die für den Einzelfall wenig Aussagekraft besitzen.

Wie Privatdozent Dr. André Tadic, Leiter des Schwerpunkts Affektive Störungen am Universitätsklinikum Mainz berichtete, zeigte eine Analyse von 41 klinischen Studien, dass bereits das Ansprechen nach zwei Wochen hohe prädiktive Aussagekraft besitzt: Von den Patienten, die nach zwei Wochen keinerlei Besserung gezeigt hatten, entwickelten später nur noch 4 % eine stabile Remission.

Antidepressiva: Wie effektiv ist der frühe Therapiewechsel?

Dr. Tadic und sein Team nahmen dieses Ergebnis zum Anlass, eine prospektive klinische Studie zu starten, in der die übliche Strategie – Treatment As Usual (TAU) – mit einer frühen Therapieumstellung bei ausbleibender Response verglichen wurde (Early Medication Change, EMC).

Zunächst bekamen alle eingeschlossenen 879 Patienten Escitalopram. Wer darauf binnen zwei Wochen ansprach, erhielt das Medikament weiter. Die knapp 200 Non-Responder wurden randomisiert entweder mit Escitalopram weiterbehandelt (TAU) oder auf Venlafaxin umgestellt (EMC). Nach weiteren zwei Wochen kontrollierte man den Therapieerfolg noch einmal.

Non-Responder der TAU-Gruppe erhielten anschliessend Venlafaxin, Non-Responder der EMC-Gruppe zusätzlich Lithium zur Augmentation. Der erhoffte primäre Endpunkt, die Überlegenheit der EMC-Strategie nach acht Wochen zu zeigen, wurde zwar knapp verpasst, wie Dr. Tadic einräumte. Dafür schnitt EMC aber bei einer Reihe sekundärer Endpunkte signifikant besser ab, so bei der Zeit bis zur Remission – für Patienten ein wichtiges Kriterium.

Remissionsintervall verlängert sich bei Wechsel

"Die EMC-Studie liefert uns die Rationale, einen frühen Medikationswechsel zumindest in Erwägung zu ziehen, wenn ein Patient nach zwei Wochen kein Zeichen des Ansprechens zeigt", meinte Dr. Tadic.

Die Mainzer suchen ausserdem nach Biomarkern, die ein objektives Kriterium für die Response abgeben könnten. Der Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF) erschien als aussichtsreicher Kandidat, stiegen die Plasmaspiegel doch bei allen Respondern in der ersten Therapiewoche an. Doch leider wurde umgekehrt kein Schuh draus, sprich: Der Spiegelanstieg garantierte das Ansprechen nicht.

Bessere Voraussagekraft hat offenbar die Methylierung im BDNF-Promotorgen am Locus CpG-87, die die antidepressive Wirkung mit einer Odds Ratio von 12 vorhersagt, wie Dr. Tadic’s Team feststellte. Sollte sich diese Beobachtung in weiteren Studien bestätigen lassen, könnte die Methylierung einen brauchbaren Biomarker abgeben, zumal sie sehr stabil zu sein scheint.

Biomarker zur Therapievoraussage: Promotormethylierung

Einen anderen Ansatz, um den Therapieerfolg vorherzusagen, verfolgt Professor Dr. Catherine Harmer von der Universität Oxford. Sie ging von der Tatsache aus, dass schon die erste Dosis eines Antidepressivums die Art und Weise verändert, wie Patienten per Gesichtsausdruck dargestellte Emotionen erkennen und erinnern – und dies, bevor sie selbst das überhaupt wahrnehmen können.

Aus dieser Response will Prof. Harmer einen Prädiktor für das Therapieansprechen gewinnen. Tatsächlich konnte die Kollegin in einer Pilotstudie zeigen, dass die verbesserte Erkennung eines fröhlichen Gesichts nach zwei Wochen medikamentöser oder Psychotherapie in rund 60 % der Fälle mit einem guten Effekt korrelierte.

Patienten, die mit dem Gesichtsausdruck nach Behandlung so wenig anfangen konnten wie zuvor, sprachen dagegen zu 90 % nicht an. "Diese frühen Veränderungen könnten wir nutzen, um die Therapie der Depression besser dem individuellen Patienten anzupassen", so Prof. Harmer.

Quelle: 27. Kongress des European College of Neuropsychopharmacology