Essenziell? Sekundär? Psychogen? Tremor differenzieren!
Tremor – definiert als rhythmische, unwillkürliche Bewegung eines beliebigen Körperteils – ist die häufigste Bewegungsstörung und extrem verbreitet. Alle Erwachsenen weisen einen unterschiedlich ausgeprägten physiologischen Tremor auf, daher ist es wichtig, den physiologischen Tremor von pathologischen Tremorformen abzugrenzen, schreiben Dr. W. Jeffrey Elias von der Neurochirurgischen University of Virginia, Charlottesville, und Kollegen.
So beurteilen Sie die Tremorform
- Um einen Ruhetremor zu beurteilen, sollte der Patient ruhig auf dem Rücken liegen und den Mund leicht öffnen.
- Haltetremor wird offensichtlich, wenn der Patient seine Hände nach vorne ausstreckt und in dieser Position etwa 20 bis 30 Sekunden lang verharrt.
- Kinetische Tremorformen lassen sich beim Finger-Nase-Versuch grob testen, aber genauer bei koordinierten Aktivitäten wie Schreiben, Trinken oder Essen beurteilen.
- Der orthostatische Tremor tritt bei isometrischer Kontraktion der Extremitäten auf, z.B. beim Stehen mit ausgestreckten Händen.
Physiologischer oder pathologischer Tremor
Es gibt sehr unterschiedliche Tremorarten (siehe Kasten). Als häufigste pathologische Form gilt heute der essenzielle Tremor. Seine Prävalenz wird mit 0,4 bis 6,3 % angegeben, doch vermuten Experten, dass die tatsächliche Prävalenz deutlich höher liegt. Neben dem essenziellen Tremor ist der Parkinson-Tremor weit verbreitet.
Meist gehen aus der Anamnese entscheidende diagnostische Hinweise hervor. So kann Tremor beispielsweise nach einem spezifischen Ereignis wie Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma auftreten oder durch eine Erkrankung (z.B. multiple Sklerose) ausgelöst werden.
Asymmetrisches Zittern am Daumen richtig gedeutet
Die Manifestationsformen unterscheiden sich: Asymmetrischer Tremor am Daumen oder an einem anderen Finger, sollte an M. Parkinson denken lassen, während ein bilateraler und symmetrischer Aktionstremor eher für eine systemische Ursache, eine metabolische Störung oder eine Medikamentennebenwirkung spricht.
Tritt das Zittern hingegen bei ansonsten gesunden Personen auf, deutet dies eher auf einen essenziellen Tremor hin, insbesondere bei positiver Familienanamnese. Generell muss eine sorgfältige Medikamentenanamnese erfolgen, weil Substanzen wie Valproinsäure, Lithium etc. einen Tremor induzieren können.
Mit einfachen Untersuchungen lassen sich Ruhe- und Haltetremor sowie weitere Manifestationsformen unterscheiden (siehe Kasten). Mit Spezialdiagnostik. z.B. Kernspintomographie, können seltene strukturelle Parkinson-Ursachen sowie Tremorformen im Zusammenhang mit multipler Sklerose, zerebellären Erkrankungen oder posttraumatischen Ereignissen ausgeschlossen werden.
Essenzieller Tremor: In 70 % hilft die First-Line-Therapie
Für die medikamentöse Tremortherapie stehen verschiedene Substanzen zur Verfügung. Zur Therapie von Patienten mit essenziellem Tremor gelten Propranolol oder Primidon als Erstlinientherapie, sie reduzieren den Handtremor um etwa die Hälfte. Allerdings sprechen bis zu 30 % der Patienten nicht auf diese "First-line-Behandlung" an oder entwickeln inakzeptable Nebenwirkungen. In diesen Fällen können Medikamente zweiter Wahl wie Topiramat, Gabapentin, Atenolol, Sotalol oder Alprazolam eingesetzt werden.
Zur Behandlung des Parkinson-Tremors gibt es keinen Konsens, schreiben die Experten, was vor allem daran liegt, dass die Erkrankung sehr unterschiedlich verläuft und einer individualisierten Therapie bedarf.
Levodopa gilt als die Substanz, mit der alle motorischen Parkinson-Symptome am effektivsten behandelt werden können. Auch Dopaminagonisten reduzieren motorische Parkinson-Beschwerden inklusive Tremor, doch sind sie in späteren Krankheitsstadien nicht mehr so effektiv.
Zu den nicht dopaminergen Substanzen, die gegen den Parkinson-Tremor eingesetzt werden, zählt das Anticholinergikum Trihexyphenidyl, das zufriedenstellend gegen das Zittern hilft, aber auch mit unerwünschten Nebenwirkungen wie kognitiver Verlangsamung einhergehen kann.
Amantadin wird seit vielen Jahren zur Behandlung von Parkinson-Symptomen einschliesslich Tremor eingesetzt, doch das Ansprechen in frühen Stadien kann sehr variieren.
Bei therapieresistentem Tremor kommt gegebenenfalls eine chirurgische Therapie in Betracht, z.B. die tiefe Hirnstimulation.
Zitternde Hände: Die Differenzialdiagnosen
- Physiologischer Tremor: kinetischer und Haltetremor mit hoher Frequenz und niedriger Amplitude
- Essenzieller Tremor: kinetischer und Haltetremor, mittlere Frequenz
- Parkinson-Tremor: Ruhetremor, manchmal mit posturaler Komponente
- Durch Medikamente induzierter Tremor: unterschiedliche klinische Manifestation, meist Aktions- oder Haltetremor. Auslöser sind u.a. Valproinsäure, Neuroleptika, Lithium, SSRI und Betaagonisten
- Durch Läsionen bedingter Tremor: z.B. bei multipler Sklerose, Schlaganfall, nach Trauma, zerebellär
- Dystoner Tremor: grober, unregelmässiger Tremor aufgrund von zentral vermittelten Muskelkontraktionen
- Psychogener Tremor: bedingt durch psychosomatische Faktoren
Quelle: Jeffrey Elias et al., JAMA 2014; 311: 948-954