Ellenbogenschmerz, Übelkeit, Hydrophobie: Lebensgefahr!
Vier Tage vor der Vorstellung im Krankenhaus bemerkte der Patient Schmerzen im Ellenbogen, die sich durch die Gabe von Ibuprofen besserten. Kurz darauf schmerzte auch der rechte Ellenbogen, hinzu kamen Appetitverlust und ein merkwürdiges Würgegefühl, sobald er etwas trinken wollte – feste Nahrung bereitete keine Probleme. Dann stellten sich Atemnot und Sprachstörungen ein.
Anamnestisch berichtete der Patient, dass einige Tage vor der Krankenhausaufnahme morgens eine Fledermaus im Schlafzimmer herumgeflattert sei.
Routinelabordiagnostik, Röntgen und Schädel-CT zeigten keine richtungsweisenden Befunde. Aufgrund der schwerwiegenden Symptomatik wurde der Mann aus dem regionalen Krankenhaus in die Neurologische Klinik der Universität Yale in New Haven verlegt. Dort fielen Gesichtszuckungen, ein Ruhetremor der Hand, gesteigerte tiefe Sehnenreflexe sowie pathologische Koordinationstests (Finger-Nase-Versuch) auf.
Schon das Piepen des Monitors löst Angst aus
Der Mann sprach hastig mit Phasen von verwaschener Sprache und Wortfindungsstörungen. Im Schädel-MRT und in der Magnetresonanzangiographie fanden sich Hyperintensitäten an verschiedenen Stellen periventrikulär und subkortikal.
Ausserdem klagte der Patient zunehmend über Angst. Allein die Umgebungsgeräusche auf der Station, etwa das Piepen von Monitoren, bereiteten ihm Unbehagen. Seine Körpertemperatur stieg auf 38,2oC, eine Lumbalpunktion wurde veranlasst, die zytologische Untersuchung zeigte keine auffälligen Befunde.
Hydrophobie wies Richtung Tollwut
Nach der Punktion verschlechterte sich der Zustand des Mannes akut: Er wurde zyanotisch, Blutdruck, Atem- und Herzfrequenz schnellten hoch, die Sauerstoffsättigung fiel auf 40 %. Schliesslich musste der Patient intubiert werden. Das Röntgenbild wies auf ein Lungenödem hin und im EEG zeigte sich eine allgemeine Verlangsamung.
Nach Diskussion und Ausschluss mehrerer Differenzialdiagnosen, z.B. Tetanus, Diphtherie, Botulismus, Delirium tremens und Medikamentenintoxikation, lag die Diagnose Tollwut nahe, insbesondere angesichts der ausgeprägten Hydrophobie, der Agitation und der autonomen Dysfunktion (als Hinweise auf eine Rabiesenzephalitis).
Selbst Intensivtherapie kann Patient mit Rabies-Infektion nicht retten
Die Ärzte gingen davon aus, dass die Fledermaus im Schlafzimmer der Überträger war. Da der 63-Jährige über Juckreiz im Nacken berichtet hatte, vermutete man dort die Bissstelle und biopsierte die Haut. Im direkten Fluoreszenztest wurde Rabiesantigen nachgewiesen, im Serum mittels PCR auch IgM- und IgG-Antikörper gegen Rabies.
Trotz Behandlung gemäss dem Milwaukee-Protokoll und Intensivtherapie konnte der Mann nicht gerettet werden. Im weiteren Verlauf kam es zu Lungenödem, Diabetes insipidus und Fieber mit letalem Ausgang am 30. Tag.
Fledermäuse nur mit Handschuh anfassen!
Auch in Europa einschliesslich Deutschland gilt die Fledermaus neben dem Fuchs als Tollwutvirus-Reservoir, schreiben Experten des Robert-Koch-Instituts. Allerdings übertragen die Flattertiere Lyssaviren, die sich von den Erregern der terrestrischen Tollwut genetisch unterscheiden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie weniger gefährlich wären.
Zur Sicherheit sollten Fledermäuse nur mit Lederhandschuhen angefasst werden. Schon bei Verdacht auf einen Biss oder Kratzer durch eine Fledermaus bzw. Schleimhautkontakt mit einer Fledermaus ist eine Tollwutimpfung simultan mit der Gabe von Immunglobulin indiziert.
Quelle: David M. Greer et al., NEJM 2013; 368: 172-180