Medical Tribune
14. Dez. 2012Metabolischen Syndroms im Kindes- und Jugendalter

Als Teenie alle zwei Jahre zum Zuckertest

Bereits bei Übergewicht zeigen 40 % der betroffenen Kinder mindestens ein Zeichen des metabolischen Syndroms, sagte Dr. Susanna Wiegand vom Adipositas-Zentrum der Berliner Charité. Wie bei Erwachsenen ist das Vollbild des metabolischen Syndroms auch bei Kindern und Jugendlichen durch gestörte Glukosetoleranz, vermehrten Bauchumfang, erhöhte Triglyceride, vermindertes HDL und Hypertonie definiert. Und wie bei den "Grossen" liegt oft eine pathologische Fettverteilung mit vermehrtem viszeralen und hepatischen Fett vor.

Pubertät leitet Fett in die Bauchregion

Als Risikofaktoren für diese Fehlverteilung gelten neben positiver Familienanamnese für Typ-2-Diabetes, Lifestyle-Faktoren und Ethnizität auch fetale Wachstumsstörungen und nicht zuletzt die Pubertät. Dicke Kinder mit überwiegend subkutanen Fettpolstern sind dagegen in aller Regel stoffwechselgesund.

Eine Schlüsselstelle beim metabolischen Syndrom bilden Insulinresistenz und Hyperinsulinämie. In einer Longitudinalstudie wurde bei 718 Kindern gezeigt, dass ein BMI und Insulinwert in der vierten Quartile im Alter von zwölf Jahren mit einer deutlich erhöhten Prävalenz des metabolischen Syndroms im Erwachsenenalter einhergeht. Adipöse Kinder weisen zudem bereits eine deutlich erhöhte Intima-Media-Dicke auf, berichtete Dr. Wiegand.

Auf dunkle Stellen in den Hautfalten achten!

Die Diagnostik des metabolischen Syndroms im Kindes- und Jugendalter ist aber gar nicht so einfach. Die Insulinresistenz nimmt in der Pubertät auch physiologischerweise zu, was eine Abgrenzung erschweren kann. Ausserdem gibt es z.B. für die Lipide im Kindesalter noch keine guten Normwerte.

Nichtsdestotrotz gehören bei Verdacht auf metabolisches Syndrom neben BMI, Blutdruck und Bauchumfang, Nüchtern-Blutzucker, Nüchterninsulin, ein oraler Glukosebelastungstest (oGTT), Gesamtcholesterin, HDL und LDL zur Basisdiagnostik. Auch die Leberwerte (GOT, GPT), Kreatinin und Harnsäure sollten immer bestimmt werden.

Eine Acanthosis nigricans der Hautfalten und bei Mädchen auch eine Hyperandrogenämie können auf ein metabolisches Syndrom hinweisen. Ein Screening auf einen Typ-2-Diabetes mit Nüchtern-Blutzucker oder oGTT sollte bei adipösen über Zehnjährigen alle zwei Jahre erfolgen – insbesondere bei positiver Familienanamnese und Zeichen eines metabolischen Syndroms, riet die Kollegin.

Therapeutisch steht abnehmen an erster Stelle beim metabolischen Syndrom

Für die Therapie gilt: "So viel wie nötig, so wenig wie möglich". Abnehmen steht an erster Stelle. Mit einer lipidsenkenden Therapie sollte man vor Abschluss der Pubertät zurückhaltend sein, es sei denn, es sind kardiologische Komplikationen aufgetreten. Metformin würde die Pädiaterin bei Kindern aufgrund der mangelhaften Studienlage "nur zwei Minuten vor Manifestation eines Typ-2-Diabetes" einsetzen.

Auch die Leber muss man im Auge behalten. Eine nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) kann bereits im Kindesalter progressiv verlaufen, warnte Professor Dr. Ulrich Baumann von der der Abteilung Pädiatrische Gastroenterologie und Hepatologie der Medizinischen Hochschule Hannover.

Das Spektrum umfasst eine Steatosis mit oder ohne entzündliche Veränderungen bis hin zu Steatohepatitis mit Fibrose (NASH), die in eine Zirrhose übergehen kann. Was die Häufigkeit angeht, so reichen bei Steatosis die Angaben von 10 bis 70 % aller adipösen Kinder – davon liegt der Anteil der gefährlicheren  NASH bei etwa 60 %.

Ernste Leberprobleme häufiger bei Jungen

In einigen Punkten unterscheidet sich die NAFLD bei Kindern von der Erwachsenen-Form. So sind bei den Erwachsenen überwiegend Frauen betroffen – bei den Kindern dagegen deutlich mehr Jungen. Erwachsene zeigen in der Histologie eine lobuläre Entzündung und perisinosidale Fibrose – bei Kindern sieht man dagegen eher portale Veränderungen.

Die NASH-Risikofaktoren sind dagegen wieder ähnlich: Hyperinsulinämie und metabolisches Syndrom, Hypothalamische Interventionen oder Hypophysendysfunktion und vorausgegangene Chemotherapie.

Dass eine NAFDL auch im Kindesalter nicht ungefährlich ist, zeigt eine 20-jährige Nachbeobachtung von 66 pädiatrischen Patienten. In diesem Zeitraum wurden zwei Lebertranplantationen notwendig (mit 20 bzw. 25 Jahren). Bei jedem adipösen Kind sollten daher die Leberwerte regelmässig kontrolliert werden, forderte Prof. Baumann.

Auf der anderen Seite darf man erhöhte Leberwerte nicht vorschnell der Adipositas zuschreiben. Wichtige Differenzialdiagnosen wie z.B. ein M. Wilson oder Virushepatitis gilt es auszuschliessen – notfalls durch Leberbiopsie, betonte der Experte. Therapeutisch steht bei der Fettleber die Gewichtsabnahme ganz im Vordergrund.

Quelle: 108. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Hamburg, 2012