Betablocker auch bei pAVK, COPD und Diabetes?
Viele Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder Myokardinsuffizienz leiden zusätzlich an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Bis vor Kurzem befürchtete man, dass Betablocker in dieser Patientengruppe zu einer peripheren Vasokonstriktion – vor allem in den Beinarterien – führen könnten.
Gehstrecken nehmen zu durch Betablocker bei pAVK!
Diese Sorge ist unberechtigt, wie eine aktuelle Studie zeigt: 128 Hypertoniker mit Claudicatio intermittens wurden mit Nebivolol oder Metoprolol behandelt. Unter beiden Betablockern nahmen die Gehstrecken und der Knöchel-Arm-Index signifikant zu.
Betablocker sind bei pAVK sicher und sie bessern die Symptomatik und das Befinden der Patienten, so das Fazit von Professor Dr. Erland Erdmann vom Herzzentrum der Universität zu Köln in der Zeitschrift "Der Internist". Mehr als 30 % der Herzinsuffizienz-Patienten haben gleichzeitig eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD).
COPD-Patienten leben länger mit Betablocker
Verschlechtern sich pulmonale Symptomatik und Prognose, wenn diese Patienten einen Betablocker einnehmen? Offensichtlich nicht, wie aktuelle Untersuchungen belegen. In einer Studie mit über 2200 COPD-Patienten konnte gezeigt werden, dass Teilnehmer, die mit einem Betablocker behandelt wurden, deutlich länger überlebten. Das galt auch für Patienten, die mit Bronchodilatatoren (Beta-2-Mimetika, Anticholinergika) therapiert wurden.
Diese Resultate werden von britischen Daten unterstützt, die ergaben, dass die Behandlung mit lang wirksamen Beta-2-Agonisten oder Tiotropium durch die gleichzeitige Gabe von Betablockern nicht negativ beeinflusst wird. Einige ältere Untersuchungen wiesen darauf hin, dass sich Betablocker auf den Glukosestoffwechsel ungünstig auswirken könnten.
Bei Hypertonikern: Diabetes durch Betablocker?
Jedenfalls kam es bei Hypertonikern nach Betablockertherapie – meist unter Atenolol – zu einer wahrscheinlich etwas höheren Diabetes-Inzidenz. Deshalb wurde in einigen Leitlinien von Betablockern als Erstlinientherapie bei Hochdruck abgeraten. Dies ist heute laut Prof. Erdmann jedoch umstritten.
Der positive Betablockereffekt auf das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko bleibt auch bei Zuckerkranken bestehen. Ausserdem erzielen diese Substanzen bei Diabetikern mit Herzinsuffizienz oder akutem Koronarsyndrom den gleichen Gewinn an Überlebenszeit wie bei Stoffwechselgesunden.
Machen Betablocker impotent?
Schliesslich scheinen neuere Betablocker wie Bisoprolol und Carvedilol den Glukosestoffwechsel ohnehin nicht mehr nachteilig zu beeinflussen, schreibt Prof. Erdmann. Und wie steht es mit urologischen Nebenwirkungen: Machen Betablocker impotent? Patienten mit Bluthochdruck und anderen kardiovaskulären Erkrankungen klagen häufig über eine erektile Dysfunktion.
Nach einem Herzinfarkt nimmt die sexuelle Aktivität in der Regel stark ab – entweder weil Herzprobleme befürchtet werden oder aus Versagensangst. Viele Männer, die ihre sexuelle Potenz schwinden sehen, schieben die Schuld dem Betablocker zu, doch vermutet Prof. Erdmann, dass hier psychische Faktoren im Spiel sind. In diese Richtung deutet auch das Ergebnis einer Studie an 96 Männern mit Betablocker-Indikation.
Erektile Dysfunktion nach Herzinfarkt meist psychisch bedingt?
Teilnehmer, die nicht wussten, welche Medikamente sie einnahmen, gaben zu 3,1 % eine erektile Dysfunktion an. Wussten die Männer dagegen, dass sie Betablocker bekamen, und wurde ihnen gesagt, dass diese eine erektile Dysfunktion zur Folge haben können, stieg die Quote auf 31,2 %. Eine Therapie mit Sildenafil oder Placebo war bei diesen Patienten interessanterweise gleich häufig wirksam.
Richtig dosieren!
Entscheidend für den Therapieerfolg ist die Senkung der Herzfrequenz. Studien zeigen, dass auch Patienten, die nur geringe Betablockerdosen erhielten, von der Therapie voll profitierten (verlängerte Überlebenszeit), wenn ihre Herzfrequenz deutlich abgesenkt werden konnte. Internationale Leitlinien empfehlen, bei Patienten mit Koronar- oder Herzinsuffizienz den Betablocker so zu titrieren, dass ein Ruhepuls von 55 bis 60/min erreicht wird.
Quelle: Erland Erdmann, Internist 2012; 53: 630-634