Diabetes mellitus – klassische Einteilung schon überholt
Diabetes ist eine heterogene Erkrankung – die Einteilung in Typ 1 und Typ 2 wird dem offenbar nicht gerecht. Viele Patienten weisen eine genetische Prädisposition für beide Typen auf.
Gibt es Diabetes-Hybridformen?
Gemeinsamer Nenner der verschiedenen Diabetes-Formen ist die chronische Hyperglykämie. Traditionell unterscheidet man die Typen 1 und 2. So werden die Insulin bildenden Betazellen bei Typ-1-Diabetes durch einen Autoimmunprozess zerstört. Insulinresistenz sowie Merkmale eines metabolischen Syndroms liegen hingegen im Falle eines Typ-2-Diabetes vor.
Doch diese Einteilung ist eine grobe Vereinfachung und beschreibt das tatsächliche Spektrum an Diabetes-Formen nur unvollständig, kritisieren Dr. Tiinamaija Tuomi von der Universitätsklinik Helsinki und Kollegen.
Bei 20- bis 40 Jährigen wird der Diabetes häufig fehlgedeutet
Was ist LADA?
Die verbreitete Diabetesform LADA, "latent autoimmune diabetes in adults", kommt in manchen Regionen häufiger vor als der klassische Typ-1-Diabetes. Allerdings weisen LADA-Patienten eine erhebliche Heterogenität auf. Letztlich ist die LADA-Definition nicht einheitlich, folgende Kriterien werden oft genannt:
Alter über 35 Jahre bei Diagnose n Nachweis von GAD-Antikörpern (Glutamatdecarboxylase), in den ersten sechs bis zwölf Monaten nach Diagnose n primär keine Insulintherapie erforderlich
Bei 20- bis 40-Jährigen findet sich die grösste Heterogenität: In dieser Altersgruppe ist die Gefahr am grössten, dass ein neu diagnostizierter Diabetes nicht richtig klassifiziert wird. Im Kindesalter ist der Typ-1-Diabetes nach wie vor die häufigste Form. Doch immer mehr Kinder erkranken an Typ-2-Diabetes, insbesondere nach Beginn der Pubertät. In der Regel sind sie übergewichtig oder adipös. Fettablagerungen in insulinempfindlichen Organen wie Skelettmuskulatur und Leber scheinen die Insulinresistenz entscheidend zu fördern und auch die Insulinsekretion zu beeinträchtigen.
Fatal allerdings: Bei adipösen Jugendlichen kommt es viel schneller zu einem Betazellversagen als im Erwachsenenalter. Im Schnitt dauert es bei jungen Menschen nur 2,5 Jahre bis aus einem Prädiabetes ein manifester Diabetes wird – bei Erwachsenen zieht sich dieser Prozess über etwa zehn Jahre hin.
Obwohl junge Typ-2-Diabetiker immer adipös sind und Zeichen eines metabolischen Syndroms aufweisen, können dicke Kinder grundsätzlich auch an einem Typ-1-Diabetes erkranken. Deshalb empfehlen die Experten: Wird im Kindes- und Jugendalter eine Zuckerkrankheit festgestellt, sollte aus differenzialdiagnostischen Gründen immer nach Antikörpern gesucht und eine mögliche Ketoazidoseneigung beachtet werden. Und auch ein monogener Diabetes kann in Betracht kommen.
MODY, Typ 1, Typ 2, LADA oder doch Basalzelldestruktion?
Tritt ein Diabetes hingegen im Erwachsenenalter auf, erfolgt die Klassifikation häufig anhand folgender Parameter:
- Alter zum Zeitpunkt der Krankheitsmanifestation,
- Adipositas und/oder metabolisches Syndrom,
- Insulinresistenz und
- Vorliegen von Autoantikörpern.
Doch letztlich ist keines dieser Kriterien eindeutig. Die Zuordnung kann bei 20- bis 50-Jährigen besonders schwierig sein, weil in dieser Altersgruppe ausser Typ-1- und Typ-2-Diabetes häufig MODY und sekundäre Diabetesformen auftreten. Adipositas und metabolisches Syndrom erlauben keine sichere Zuordnung zu einem Typ-2-Diabetes, weil beide Befunde zunehmend auch bei Typ-1-Diabetikern beobachtet werden. Hinzu kommt, dass Erwachsene, die einen Typ-1-Diabetes entwickeln, oftmals noch eine Restfunktion der Betazellen zeigen. In diesen Fällen lässt sich ein Typ-2-Diabetes zunächst schwierig abgrenzen.
Pankreas-Antikörper auch beim Typ-2-Diabetikern
Ausserdem gibt es eine Subgruppe von Patienten mit der Diagnose "Typ-2-Diabetes", die Pankreas-Antikörper aufweisen. Diese diagnostischen Unsicherheiten haben dazu geführt, dass LADA, "latent autoimmune diabetes in adults", als Diabetesklassifikation eingeführt wurde.
Im Allgemeinen haben LADA-Patienten ein günstigeres metabolisches Profil als Typ-2-Diabetiker – also z.B. einen geringeren BMI, eine bessere Insulinsensitivität und etwas bessere Blutdruckwerte. Doch sichere Unterscheidungsmerkmale sind das nicht.
Unterschiede zwischen LADA, Typ-1- und Typ-2-Diabetes?
Verschiedene pathophysiologische Typen beachten
Keinesfalls alle Zuckerkranken können eindeutig einer der folgenden Diabetesformen zugeordnet werden – viele weisen überlappende Merkmale verschiedener Diabetestypen auf. Betazelldestruktion: Diabetes als Folge einer Zerstörung der Betazellen führt zu absolutem Insulinmangel. Ein weniger ausgeprägter Mangel an Insulin tritt bei Patienten mit Pankreatitis auf. Monogener Diabetes: Bei MODY, maturity-onset diabetes in the young, produzieren die Betazellen zwar Insulin, doch reagieren diese Zellen nicht auf ansteigende Glukosespiegel im Plasma. Typ-2-Diabetes: Patienten bilden zwar oft grosse Mengen an Insulin. Doch diese reichen nicht aus, um den erhöhten Insulinbedarf zu decken, der durch Adipositas und Insulinresistenz bedingt ist.
In einer finnischen Studie z.B. zeigten 83 % der Typ-2-Diabetiker und 33 % der LADA-Patienten Merkmale eines metabolischen Syndroms. Im Vergleich zu Typ-1-Diabetikern weisen LADA-Patienten hingegen signifikant häufiger Merkmale eines metabolischen Syndroms auf und sie sind bei der Diabetesmanifestation älter als Patienten mit Typ-1-Diabetes.
"Hybrid-Diabetes" LADA weist Merkmale von Typ 1 und 2 auf
Sowohl Typ-1- als auch Typ-2-Diabetes sind polygene Erkrankungen. Während man bisher aufgrund genetischer Untersuchungen annahm, dass LADA eine langsam progrediente Form des Typ-1-Diabetes sei, ergaben neuere Forschungsarbeiten: LADA-Patienten tragen auch Genvarianten, die stark mit Typ-2-Diabetes assoziiert sind. Es ist also davon auszugehen, dass es sich bei LADA um einen "Hybrid-Diabetes" handelt, der genetische und klinische Merkmale sowohl des Typ-1- als auch des Typ-2-Diabetes aufweist. Und damit nicht genug: Die Autoren prognostizieren, dass künftig weitere Diabetes-Subgruppen beschrieben werden