Wie nächtlicher Fluglärm die Arterien angreift
Unter den verschiedenen Arten von Verkehrslärm scheinen Geräusche von Flugzeugen die Gesundheit am meisten zu beeinträchtigen. Vor allem nächtlicher Fluglärm, der die Schlafarchitektur stört, kann zur Entstehung von kardiovaskulären Krankheiten beitragen.
Arterien gewöhnen sich nicht an den Lärm
Wissenschaftler der Universitätsklinik Mainz wollten nun herausfinden, welche Veränderungen am Gefässsystem dahinterstecken. Dazu setzten sie 75 gesunde Erwachsene (Durchschnittsalter 26 Jahre) im heimischen Bett drei Szenarien aus: eine lärmfreie Nacht, eine mit 30 und eine mit 60 simulierten Nachtflügen.
In den beiden Simulationsnächten lag der maximale Geräuschpegel im Mittel bei 60 dB. Die Probanden wurden polysomnograpisch überwacht. Am folgenden Morgen wurden u.a. die Flow-vermittelte Dilatation (FMD) der Brachialarterie, die Puls-Transitzeit (PTT) als Zeichen der arteriellen Beweglichkeit und der Adrenalinspiegel gemessen.
Nächtlicher Lärm - Blutdruck und Adrenalinspiegel steigen an
Das Ergebnis: Der nächtliche Lärm störte die Schlafqualität signifikant. Mit zunehmendem Geräuschpegel wurde die flussvermittelte Dilatation geringer, das heisst, die Erweiterungsfähigkeit der Arterien sank. Es entwickelte sich also eine endotheliale Dysfunktion, berichten Dr. Frank Schmidt von der Medizinischen Klinik II und seine Kollegen von der Universitätsmedizin Mainz.
Interessanterweise war dabei auch ein Priming-Effekt zu beobachten. Nach einer Nacht mit 30 simulierten Flügen führte eine mit 60 Flügen zur weiteren Abnahme der flussvermittelten Dilatation. Die Gefässe gewöhnen sich also nicht an den Lärm, das Ausmass der Gefässschäden nimmt eher zu. Die PTT sank ebenfalls, korrespondierend dazu stieg der Blutdruck nach der höchsten Lärmbelastung um durchschnittlich 6,2 mmHg systolisch und 7,4 mmHg diastolisch.
Ausserdem wiesen die Teilnehmer nach der Exposition erhöhte Adrenalinspiegel auf. Cortisolwerte und Entzündungsmarker (Interleukin 6, CRP) sowie die Herzfrequenz blieben den Studiendaten zufolge unbeeinflusst. Die entstehende endotheliale Dysfunktion ist offenbar auf oxidativen Stress zurückzuführen, denn die Gabe von Vitamin C besserte die flussvermittelte Vasodilatation deutlich, erklären die Autoren.
Beängstigende Befunde schon bei jungen Leuten
Die Ergebnisse legen nahe, dass die kardiovaskulären Folgen nächtlichen Fluglärms sowohl durch steigende sympathische Aktivität als auch durch vaskuläre Dysfunktion bedingt sind. Und die klinische Relevanz wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass die Befunde bei jungen, gesunden Menschen erhoben wurden, die in der Regel weniger Schlafprobleme aufweisen als Ältere, betonen die Mainzer Kollegen.
Quelle: Frank P. Schmidt et al., Eur Heart J 2013; online first