Medical Tribune
19. Jan. 2015Thoraxschmerzen im Kindes- und Jugendalter

Brustschmerzen beim Kind – mit Strategie abklären

In der KiGGS*-Studie gaben 6,1 % der Jungen und 7,9 % der Mädchen – gesundes Kollektiv – anamnestisch wenigstens einmal Thoraxschmerzen innerhalb der letzten drei Monate an. Solche Beschwerden lassen sich meist keiner oder zumindest keiner kardialen Ursache zuordnen, schreiben die Autoren der aktuellen Leitlinie "Thoraxschmerzen im Kindes- und Jugendalter".

Kommt ein Kind mit Brustschmerzen zum Arzt, stellt die ausführliche Anamnese die Weichen für das weitere Vorgehen. Folgende Fragen gilt es abzuklären:

  • Beginn und Dauer: Während erst seit Kurzem bestehende (innerhalb der letzten 48 Stunden), aber anhaltende Beschwerden eher auf eine akute Herzerkrankung hinweisen, darf man bei einem Beginn vor mehr als sechs Monaten eher von einer harmlosen Ursache ausgehen. Eine Dauer von wenigen Sekunden spricht nicht für eine schwere Herzschädigung.
  • Schmerzstärke: Sie ist kaum richtungsweisend. Allerdings werden bei schwerwiegenden akuten Erkrankungen, wie Koronarischämie, Aortendissektion, Pneumothorax, Peri- oder einer Myokarditis, meist auch sehr starke Schmerzen angegeben.
  • Beziehung zur Belastung: Die Tatsache, dass die Schmerzen unter Belastung auftreten, hilft nicht wirklich weiter. Zwar treten bei Koronar­anomalien dann die Beschwerden häufig verstärkt auf. Diese Assoziation ist aber nicht zwingend und in den meisten Fällen erweisen sich Kinder mit Herzschmerzen unter Belastung als herzgesund.
  • Lokalisation/Charakter/Ausstrahlung: Während Lokalisation und Charakter des Schmerzes in der Regel nicht besonders aussagekräftig sind, lassen sich Ausstrahlungen mit denen von Erwachsenen vergleichen. Eine Koronaris­chämie kann vom Sternum bis zum linksseitigen Thorax und in den Arm, links zum Hals und evtl. bis in die Zähne strahlen. Bei Aortendissektion zieht der Schmerz in den Rücken bis in die Schulter­blätter.
  • Atemabhängigkeit: Ebenfalls wie beim Erwachsenen ist bei atemabhängigen Schmerzen an eine Pneumonie oder Pleuritis zu denken. Es können aber auch muskuloskelettale Probleme dahinterstecken.
  • Was Begleitsymptome betrifft, macht Luftnot eine organische Ursache wie Myokarditits oder dilatative Kardiomyopathie wahrscheinlich. Schwindel, Synkopen oder Palpitationen schliessen eine Herzerkrankung weder aus, noch bestätigen sie sie. Bei ängstlichen Patienten, die auch unter Kopf- und Bauchschmerzen leiden und hyperventilieren, sollte man an psychosomatische Ursachen denken.

Anamnese gibt entscheidende Hinweise

Wichtige Hinweise liefern natürlich auch Begleit- bzw. Grunderkrankungen und die Familiengeschichte. Ist eine fieberhafte Erkrankung vorausgegangen, besteht die Möglichkeit einer Peri- oder Myokarditis. Auch Vorerkrankungen wie Z.n. Herz-Op., Kardiomyopathie oder Marfan-Syndrom können Thoraxprobleme erklären.

Eine weitere Ursache für Brustschmerzen ist die Einnahme von Medikamenten oder ein Drogenkonsum. Die Familienanamnese hilft, spezifische oder vererbbare Herzerkrankungen, wie eine hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (HOCM) oder ein Marfan-Syndrom, aufzudecken.

Anamnese und dann?

Für die weiteren Untersuchungen gilt: Ein blasses, kaltschweissiges Kind mit Dyspnoe und schlechtem Allgemeinzustand wird selbstverständlich sofort notfallmässig versorgt. Bei weniger akuten Beschwerden hat die Diagnostik etwas Zeit. Zur Routine gehören zunächst EKG, Echokardiographie und Blutdruck- und Sauerstoffmessung. Weitergehende Untersuchungen braucht es nur bei einem diagnostischen Verdacht.Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung. Da Thoraxschmerzen häufig zu einem chronischen Problem werden, sollte man nach Ausschluss organischer Ursachen mit spezifischer Psychotherapie dagegen angehen. Studiendaten weisen daraufhin, dass eine gesunde sportliche Lebensweise und viel Aufenthalt im Freien unspezifischen Muskel- und Gelenkschmerzen vorbeugen.

*Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland

Quelle:
Liane Kändler et al., Leitlinie "Thoraxschmerzen im Kindes- und Jugendalter", AWMF-online Stand 6/2014