Medical Tribune
20. Mai 2024Dünne Luft und schwache Herzen

Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Höhenlagen

Ein Aufenthalt in Höhenlagen belastet den menschlichen Körper. Hieraus können besonders für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen Risiken resultieren, die es individuell zu evaluieren gilt, wie Professor Dr. Alain Bernheim, Leitender Arzt Kardiologie, Stadtspital Triemli, Zürich, ausführt (1).

Ein alter Mann wandert in den Bergen.
Travelvolo/stock.adobe.com
Patienten mit Herzproblemen sollten den Aufstieg langsam angehen.

«Das primäre Problem in der Höhe ist natürlich die Hypoxie», so der Experte. Während die inspiratorische Sauerstofffraktion bei 0 Meter über Meer (m ü. M.) bei 21 Prozent liegt, sinkt sie ab 3500 m ü. M. auf 14 Prozent ab, was auch herzgesunde Personen spüren (2).

Höhenluft stellt Herausforderung für das Herz dar

In grossen Höhen stellen zudem

  • Lufttrockenheit,
  • Kälte,
  • Hypoxie (alle fördern die Sympathikusaktivierung) und die
  • stärkere Sonnenstrahlung

Belastungen dar. Die Sympathikusaktivierung führt zu einer vermehrten Herzarbeit, wodurch Blutdruck, Herzfrequenz und Herzzeitvolumen steigen.

Auch kommt es zu einer pulmonalen Vasokonstriktion mit ausgeprägten interindividuellen Unterschieden. Reaktiv zur Hypoxie neigen Betroffene zur Hyperventilation mit der Folge einer respiratorischen Alkalose und Hypokaliämie (und mitunter gesteigerter Thrombozytenaggregation).

Bei Flugreisen ist die Belastung nicht allzu hoch

Häufig stellt sich laut dem Experten die Frage, unter welchen Bedingungen ein Patient mit kardiovaskulären Erkrankungen flugfähig ist. «Generell ist zu sagen, dass die Belastung bei einer Flugreise nicht allzu hoch ist», so Prof. Bernheim.

Die Bedingungen in modernen Passagierflugzeugen entsprechen denen in Höhenlagen von 1.500–2.400 m ü. M. Erschwerend kommen eine tiefe Luftfeuchtigkeit, Immobilität und ggf. Flugangst hinzu.

Um die Reise möglichst komplikationslos zu gestalten, sollten Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Reihe von Vorkehrungen treffen. Hierzu zählt, die

  • Formalitäten am Flughafen zeitlich einzuplanen,
  • die Medikamente wie gewohnt einzunehmen und
  • sicherzustellen, dass ausreichend Medikamente im Reisegepäck sind.

Zudem sei es ratsam die Medikamentenliste, einen kurzen Krankenbericht und idealerweise eine Kopie des EKG bei sich zu haben. Patienten mit Schrittmacher oder ICD sollten entsprechende Ausweise und Kontaktadressen mit sich führen.

Während des Fluges ist auf ausreichende Hydrierung, den Verzicht auf Alkohol und eine regelmässige Mobilisierung zu achten. Bei mittlerem Risiko für tiefe Beinvenenthrombosen helfen Kompressionsstrümpfe, bei hohem Risiko zusätzlich niedermolekulares Heparin. Zur Beratung der Patienten vor einer Flugreise verweist Prof. Bernheim auf die Empfehlungen der British Cardiovascular Society (2). «Aus meiner Sicht die Empfehlung, die am griffigsten ist», so der Experte.

Individuelle Evaluation vor Höhenexposition

Wie gut jemand grosse Höhen toleriert, hängt vom Schweregrad der Herzkrankheit, dem Ausmass der Höhenexposition und der körperlichen Aktivität ab. Daher legt Prof. Bernheim eine individuelle Evaluation mit Belastungstest und Echokardiogramm nahe.

Die Risiken, die mit einem Höhenaufenthalt einhergehen, sind während der ersten Tage am höchsten und sinken dann infolge einer körperlichen Akklimatisation. Deshalb empfiehlt sich ab einer Höhe von 2.500 m ü. M. ein langsamer Aufstieg von 300–500 m/Tag. In den Höhen angekommen, sind die Patienten gut beraten, ihre körperlichen Aktivitäten den dortigen Bedingungen v.a. in den ersten drei bis vier Tagen anzupassen.

Bei Patienten mit chronischer stabiler Herzinsuffizienz empfiehlt Prof. Bernheim je nach NYHA-Klasse:

  • NYHA I–II: nur moderate körperliche Aktivitäten in der Höhe, möglich ist ein Aufstieg bis 3500 m ü. M.
  • NYHA III: nur leichte körperliche Aktivitäten in der Höhe, möglich ist eine Aufstieg bis 3000 m ü. M.
  • NYHA IV: Patienten sollten eine Höhenexposition meiden.

Sofern bei einer vorliegenden KHK eine zunehmende Angina pectoris oder Dyspnoe auftreten, sind Ruhe, Sauerstoffgabe und mitunter ein Abbruch des Höhenaufenthalts angebracht (s. Kasten).

Empfehlungen für Patienten mit KHK

KHK-RisikoklasseEmpfehlungenEvidenzklasse, -level
Generell- Verschriebene Medikamente auch in der Höhe einnehmen.
- Patienten, welche im Flachland inaktiv sind, sollten auch in der Höhe ­keinen Sport treiben. - Acetazolamid kann zur Prävention der Höhenkrankheit hilfreich sein.
I, C I, C
IIa, C
Nach akutem Myokardinfarkt oder ACBP-OperationPatienten mit unkompliziertem Verlauf sollten mindestens sechs Monate
bis Höhenexposition warten.
I, C
Nach StentingPatienten sollten mindestens sechs bis zwölf Monate warten bis Höhen­exposition (Sorge vor Stentthrombosen in der Höhe)IIa, C
Stabile Angina pectoris (CCS 0–I; Low Risk) Können sicher bis 4200 m ü. M. aufsteigen und dort leichte bis moderate ­körperliche Aktivitäten ausüben.IIa, C
Stabile Angina pectoris (CCS II-III; Moderate Risk) Vorsichtiger Aufstieg bis 2500 m ü. M., dort nur leichte körperliche ­AktivitätenIIa, C
Angina pectoris (CCS IV; High Risk) Keine Höhenaufenthalte empfohlen.I, C
modifiziert nach der Präsentation von Prof. Bernheim; Parati G et al. (1)

Evidenzlage begrenzt

«Unsere Patienten wollen in der Höhe körperlich aktiv sein», führt er weiter aus. Die Evidenz zu körperlicher Aktivität in der Höhe ist sowohl bei Patienten mit KHK als auch bei solchen mit Herzinsuffizienz laut dem Experten sehr gering. So gibt es nur wenige Studien, die zudem nur niedrige Teilnehmerzahlen aufweisen. Weitere Limitationen waren das überwiegend männliche Probandenkollektiv und deren zumeist stabilisierte Herz-Kreislauf-Erkrankungen.