Medical Tribune
2. Juli 2023Wie man Patienten helfen kann

Posturales Tachykardiesyndrom: Post-Covid jagt das Herz

Zu den unangenehmsten Spätfolgen von Covid-19 zählt die orthostatische Intoleranz beim posturalen Tachykardiesyndrom. Das Herzrasen kann die Patienten massiv beunruhigen und in ihrem Alltag oder Beruf erheblich beeinträchtigen. Viele Betroffene suchen deshalb Rat und brauchen konkrete Hilfe.

Ein posturales Tachykardiesyndrom macht sich unter anderem durch Schwindel bemerkbar.
Tunatura/gettyimages

Das posturale Tachykardiesyndrom nach ­Covid-19 macht sich typischerweise mit Herzklopfen im Stehen oder bei minimaler Anstrengung bemerkbar. Zusätzlich kommt es häufig zu Schwindel, Kurzatmigkeit und Brustschmerz, zu Schweissausbrüchen und Blähungen.

Die Beschwerden persistieren definitionsgemäss mindestens drei Monate nach der akuten Infektion mit dem Corona­virus. Ausgelöst werden sie wahrscheinlich durch eine Fehlregulation des autonomen Nervensystems­.

Nach typischen Symptomen des posturalen Tachykardiesyndroms fragen

Eine detaillierte Anamnese kann den Betroffenen viele unnötige Untersuchungen ersparen, betont ein Autorenteam um Dr. Ana­ Espinosa-­Gonzales­ vom Imperial­ College­ in London­. An erster Stelle steht die Suche nach Warnzeichen für eine kardiale Ischämie, zum Zweiten ist nach typischen Symptomen des posturalen Tachykardiesyndroms zu fragen.

Die Beschwerden unterliegen oftmals tageszeitlichen Schwankungen und zeigen sich mit klarem Bezug zu einem Wechsel in der Körperhaltung. Häufig lassen sich Trigger ausmachen:

  • körperliche Anstrengung
  • schwere Mahlzeiten
  • Alkoholkonsum
  • höhere Umgebungstemperaturen

Mit der körperlichen Untersuchung müssen seltene, aber dringend behandlungsbedürftige Erkrankungen wie Lungenembolie, Herzinsuffizienz und Sepsis ausgeschlossen werden. Auch thyreotoxische Krisen, Anämien oder Angststörungen kommen differenzialdiagnostisch in Betracht.

Messverfahren liefern nur Momentaufnahme

Standardisierte Messverfahren erleichtern den Nachweis des Syndroms. Für die Praxis eignet sich zum Beispiel der aktive Stehtest. Dabei werden Blutdruck und Herzfrequenz in drei unterschiedlichen Situationen erfasst:

  • nach fünf Minuten in Rückenlage
  • unmittelbar nach dem Aufstehen aus dem Liegen
  • nach weiteren zehn Minuten

Dieses recht einfache Verfahren liefert allerdings lediglich eine Momentaufnahme. Alternativ kann der Betroffene Blutdruck und Herzfrequenz zu verschiedenen Tageszeiten selbst messen und die Symptome notieren.

Auf ausreichende Trinkmenge und Salz in der Nahrung achten

Covid-19-Patienten mit post­uralem Tachykardiesyndrom sind oft schon beruhigt, wenn sie den Grund ihrer Beschwerden kennen. Falls das nicht ausreicht, bieten sich verschiedene nichtmedikamentöse Massnahmen an. Dazu gehört allem voran eine ausreichende Trinkmenge von zwei bis drei Litern täglich.

Sofern keine Kontraindikationen wie ein Hypertonus vorliegen, sollte der Patient täglich ca. zehn Gramm Kochsalz zu sich nehmen. Das entspricht etwa der Menge von einem bis zwei Teelöffeln. Auch Stützstrümpfe können die Beschwerden bessern. Bekannte Trigger sind tunlichst zu meiden.

Beim Sport unbedingt die Belastungsgrenze beachten

Hohen Stellenwert in der Behandlung hat ausreichende körperliche Bewegung. Den Anfang macht der Patient mit leichten isometrischen Übungen. Später kann er zu intensiverem aerobem Training übergehen, ergänzt um Ausdauersportarten wie Velofahren und Schwimmen.

Zudem haben sich Entspannungstechniken wie Yoga bewährt. Unter einer solchen aktivierenden Behandlung kommt es des Öfteren zur Verschlechterung der Symptomatik. Umso wichtiger ist es, die Belastungsgrenze nicht zu überschreiten.

Wenn die nichtmedikamentösen Massnahmen nicht greifen und wenn der Patient im Beruf oder in einem anderen Lebensbereich stark beeinträchtigt ist, helfen nötigenfalls Medikamente weiter.

Geeignet sind unter anderem Propranolol, Ivabradin, Pyridostigmin, Clonidin und Methyldopa. Mangels Zulassung für die Indikation muss die Verordnung allerdings off label erfolgen, betonen Dr. Espinosa­-Gonzales­ und Kollegen. Wenn sich nach vier bis sechs Wochen kein ausreichender Effekt einstellt, sollte man den Wirkstoff wechseln.

Medikationsliste prüfen!

Arzneimittel, die eine Tachykardie verstärken können, sollten nach Möglichkeit abgesetzt, zumindest aber in ihrer Dosierung reduziert werden. Hierzu zählen die Serotonin-Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer wie Duloxetin und trizyklische Antidepressiva. Auch blutdrucksenkende Medikamente wie Diuretika, Opioide­, Nifedipin und Nitrate sind zu meiden.