13. März 2023Von asymptomatisch bis fulminant

Myokarditis: Viele Auslöser, unterschiedliche Verlaufsformen

Zu einer Myokarditis können Viren, Bakterien, Schadstoffe sowie eine (Auto-)Aktivierung des Immunsystems führen. Therapeutisch stehen Komplika­tionen wie Herzinsuffizienz und Rhythmusstörungen im Vordergrund.

Hinter einer Myokarditis können vielfältige Gründe stecken
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Zur globalen Inzidenz der Myo­karditis liegen nur Angaben aus der Zeit vor der Covid-19-Pandemie vor. Demnach lag sie geschätzt bei einem bis zehn Fälle pro 100.000 Personen und Jahr. Das ist in einer aktuellen Übersichtsarbeit im New England Journal of Medicine (1) zu lesen.

Das höchste Risiko wies dabei die Altersgruppe der 20- bis 40-Jährigen auf; häufiger betroffen waren Männer.

Infektionen, Impfungen und Autoimmunität als Gründe

Während der Pandemie bestand ein grosses öffentliches Interesse an dem Zusammenhang zwischen Myokarditis und Covid-19 bzw. ­mRNA-Impfungen gegen SARS-CoV-2 (s. Kasten). Neben Virusinfektionen und einer Immunstimulation durch Impfungen gibt es jedoch zahlreiche andere Ursachen für eine Entzündung des Herzmuskels. Für manche Personengruppen und in manchen Regionen spielen etwa Bakterien und Parasiten wie Corynebacterium diphtheriae, Borrelia burgdorferi oder Trypanosoma cruzi eine Rolle.

Eine Aktivierung des Immunsys­tems aus anderen Gründen kommt ebenfalls als Auslöser infrage, etwa Autoimmunität bei Sarkoidose. Auch die Exposition gegenüber Toxinen gilt als möglicher begünstigender Einflussfaktor.

Auch verschiedene Medikamente werden mit der Entstehung einer Myokarditis in Verbindung gebracht, darunter Antipsychotika, zytotoxische Substanzen und Salizylate. Immuncheckpoint-Inhibitoren, die zur Therapie fortgeschrittener Krebserkrankungen eingesetzt werden, können ebenfalls zu sys­temischen immunvermittelten Nebenwirkungen führen. Dazu gehört auch eine potenziell l­ebensbedrohliche Myo­karditis. ­Heute weiss man zudem, dass bestimmte genetische Faktoren die Entwicklung der Herzmuskele­ntzündung begünstigen.

Die meisten Myokarditiden gehen glimpflich aus

Klinisch kann sich die Myokarditis in vielen Formen äussern. Zu den Symptomen zählen:

  • Thoraxschmerzen
  • eine neu auftretende oder sich verschlechternde Herzinsuffizienz
  • chronische Herzinsuffizienz
  • lebensbedrohliche hämodynamische Störung (d.h. fulminante Myokarditis mit kardiogenem Schock und stark eingeschränkter linksventrikulärer Funktion)
  • schwere Rhythmus- oder Reizleitungsstörungen

Das klinische Erscheinungsbild erlaubt Rückschlüsse auf die Prognose. Bei reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion, Herzinsuffizienz, anhaltenden ventrikulären Arrhythmien oder kardiogenem Schock besteht ein erhöhtes Risiko für eine notwendig werdende Herztransplantation und Tod. Regis­terdaten von Patienten mit akuter Myokarditis zeigen jedoch, dass die meisten Fälle einen unkomplizierten Verlauf aufweisen.

Management von Arrhythmien und Herzinsuffizienz als Therapie

Über viele Jahrzehnte galt die Endo­myokardbiopsie diagnostisch als Goldstandard. In den letzten 20 Jahren hat sich die Abklärungsroutine dank neuer Möglichkeiten (v.a. hochsensitives Troponin und kardiale MRT) jedoch verändert. Im klinischen Alltag genügt heute zur Dia­gnosestellung in den meisten Fällen eine Kombination aus Symptomatik, Labortests und Bildgebung.

In der Therapie der Myokarditis steht das leitlinienkonforme Management von Arrhythmien und Herzinsuffizienz im Vordergrund. Eine hämodynamisch stabile Herzinsuffizienz sollte mit Diuretika, ACE-Hemmern oder Angiotensinrezeptorblockern und Betablockern behandelt werden. Persistiert das Pumpversagen trotz adäquater Therapie, ist die zusätzliche Gabe von Aldosteronantagonisten zu erwägen.

Patienten mit hämodynamisch instabiler Herzinsuffizienz benötigen inotrope Substanzen, wobei die Behandlung auf einer Intensivstation erfolgen und die Verlegung in ein Zentrum der Tertiärversorgung erwogen werden sollte.

Erkrankte, die in den kardiogenen Schock kommen und eine schwere, nicht auf Medikamente ansprechende ventrikuläre Dysfunktion aufweisen, brauchen unter Umständen eine mechanische Kreislaufunterstützung mit einem ventrikulären Herzunterstützungssystem oder eine extrakorporale Membranoxygenierung.

Arrhythmien gemäss Leitlinie behandeln

Für begleitende Rhythmus- oder Reizleitungsstörungen gibt es keine spezifischen Empfehlungen. Nach der Akutphase sollten sie entsprechend der aktuell dafür vorhandenen Leitlinien behandelt werden. Für einige Formen der Entzündung stehen krankheitsspezifische Therapien zur Verfügung, beispielsweise eine Immunsuppression bei Myokarditis im Rahmen einer Sarkoidose.

Covid-19 und der Herzmuskel

Während der Coronapandemie gab es Berichte, dass von 1000 Patienten, die wegen Covid-19 hospitalisiert worden waren, 4,1 Fälle eine definitive, wahrscheinliche oder mögliche Myokarditis aufwiesen. Eine mit der mRNA-Corona-Impfung assoziierte Myokarditis wurde in den USA und Israel bei 0,3 bis 5,0 Fällen pro 100 000 Personen festgestellt. Die FDA und die EMA schätzen, dass etwa eine von 100.000 gegen Covid-19 geimpften Personen eine Myokarditis entwickelt, wobei junge Männer ein erhöhtes Risiko aufweisen.

Referenz

  1. Basso C. N Myocarditis. N Engl J Med. 2022 Oct 20;387(16):1488-1500. doi: 10.1056/NEJMra2114478

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