Medical Tribune
28. Mai 2024«Bessere Information, um Ungleichheiten beim PDA-Gebrauch auszugleichen»

PDA reduziert schwere Komplikationen nach Entbindung

Eine neue Studie zeigt: Eine Periduralanästhesie (PDA) während der Wehen reduziert in den ersten Wochen nach der Geburt das Auftreten von schweren Komplikationen wie Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder Eklampsie. Am meisten profitierten Frauen mit Risikofaktoren.

Eine PDA reduzierte vor allem das Komplikationsrisiko von Müttern mit Risikofaktoren.
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Die im Journal BMJ veröffentlichte Beobachtungsstudie an 567.216 werdenden Müttern zeigt, dass schwere mütterliche Morbidität (SMM) seltener bei Frauen auftrat, die während der Wehen eine Periduralanästhesie (PDA) erhalten hatten. Dazu gehört z.B. Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Eklampsie, Sepsis oder Hysterektomie im Zuge des Spitalsaufenthalts nach der Entbindung.

Speziell Frauen mit medizinischer Indikation für eine PDA (z.B. schwere Adipositas, Mehrlingsschwangerschaft, Präeklampsie) hatten in der Studie den grössten Nutzen von der Periduralanästhesie. Bei ihnen halbierte sich das Risiko für eine schwere Komplikation. Gebärende mit erhöhtem SMM-Risiko sollten besser aufgeklärt werden, fordern die Autoren. Denn gerade Frauen mit erhöhtem Risiko erhalten nur selten eine PDA.

Immer mehr Risikoschwangerschaften

Immer mehr Frauen leiden nach einer Geburt unter schwerer mütterlicher Morbidität. Das liegt daran, dass werdende Mütter heute tendenziell älter sind, häufiger Adipositas oder andere Risikofaktoren tragen, sowie immer öfter bereits eine Kaiserschnittentbindung hinter sich haben.

Je nach Land und Gesundheitssystem nehmen Gebärende die Periduralanästhesie unterschiedlich häufig in Anspruch (siehe Kasten). Dabei greifen Frauen mit höherem sozioökonomischem Status statistisch gesehen häufiger auf die Schmerzlinderung während der Wehen zurück.

Doch gerade Frauen aus ethnischen Minderheitengruppen und sozioökonomisch benachteiligten Gegenden haben öfter ein erhöhtes Komplikationsrisiko. Frauen mit einer medizinischen Indikation für eine PDA erhalten diese also seltener, so die Autoren.

Warum Frauen keine PDA wollen

Die Periduralanästhesie wird von vielen Gebärenden abgelehnt. Ihr Einsatz variiert, je nach Gesundheitssystem und Geografie, zwischen 20 und 80 Prozent. Zu den Hintergründen gehört, so die Autoren, dass es viele Fehlinformationen und falsche Vorstellungen zur PDA gibt. Insbesondere über negative Auswirkungen auf den Geburtsmodus und das Wohlergehen des Neugeborenen machen sich die Frauen Gedanken.

Dabei hat unter anderem eine Cochrane-Auswertung von 40 randomisierten kontrollierten Studien gezeigt, dass die die PDA nicht mit einem höheren Risiko für operative Entbindungen (z.B. Kaiserschnitte, Geburtszange, Saugglocke) verbunden war. Ausserdem wirkte sich die Periduralanästhesie nicht negativ auf die Gesundheit des Neugeborenen oder langfristig im Kindesalter aus.  

Ein Forscherteam der Universität Glasgow wollte nun untersuchen, ob sich eine PDA auf das Auftreten von SMM nach der Geburt auswirkt. Ausserdem wollten sie klären, ob Frauen mit einer medizinischen Indikation einen höheren Nutzen von einer PDA hatten.

Dazu zogen sie Daten des Scottish National Health Service heran. Insgesamt 567.216 Mütter mit Wehen schlossen sie zwischen den Jahren 2008 und 2019 ein, die in Schottland vaginal oder mit ungeplantem Kaiserschnitt entbanden.

Anhand der Krankenakten bestimmten sie, ob die Frauen zwischen der Geburt und 42 Tage danach eine SMM erlitten hatten, oder ob sie auf einer Intensivstation behandelt werden mussten.

Die Forscher berücksichtigten ausserdem das Alter, die ethnische Zugehörigkeit, Gewicht, Rauchstatus und Vorerkrankungen der Mutter, sowie den Geburtsort der Kinder und die Schwangerschaftswoche bei Geburt.

Situation in der Schweiz

Die PDA wird in der Schweiz von 25 bis 80 Prozent der Frauen genutzt – abhängig vom Wohnort. Am häufigsten wünschen die Gebärenden in der Romandie eine PDA (62-80 %). Am seltensten in der Deutschschweiz, wo dies lediglich zwischen 25 und 30 Prozent der werdenden Mütter tun.

Laut Experten könnte das an den Einstellungen der jeweiligen Nachbarländer Deutschland und Frankreich liegen, in denen jeweils ähnliche PDA-Raten vorliegen.

Bei Frauen mit SMM-Risikofaktoren oder Frühgeburten halbierte sich das Risiko

Insgesamt 22 Prozent der untersuchten Gebärenden erhielten im Zuge der Wehen eine PDA. Eine SMM trat bei 4,3 von 1.000 Geburten auf.

Zog man die Gesamtpopulation der Frauen heran, verringerte eine PDA das relative Risiko für eine SMM signifikant um 35 Prozent. Am meisten profitierten dabei Gebärende mit erhöhtem Risiko. Bei Frauen mit einer medizinischen Indikation sank das Risiko für die schweren Komplikationen um 50 Prozent, bei Frauen mit vorzeitigen Entbindungen um 47 Prozent. Bei Frauen, die am oder nach dem Geburtstermin entbanden, gab es hingegen keinen Hinweis auf ein geringeres SMM-Risiko durch eine PDA.

PDA-Aufklärung sollte besser bei den Frauen ankommen

Die Autoren unterstreichen daher die Notwendigkeit, Frauen mit bekannten Risikofaktoren eine PDA zu empfehlen, um ihnen den Zugang zu dieser Behandlung zu ermöglichen. Speziell diese Gebärenden sollten so aufgeklärt werden, dass sie in der Lage sind, informierte Entscheidungen in Bezug auf die PDA zu treffen.

In der Studie hatten von den 77.439 Frauen, die ein erhöhtes SMM-Risiko hatten, nur 24,6 Prozent eine PDA erhalten. Diese relativ niedrige Inanspruchnahme der PDA könnte laut den Autoren darauf zurückzuführen sein, dass die Frauen die potenziellen Vorteile nicht vollständig verstehen. Schlussendlich hängt die Entscheidung, ob eine PDA durchgeführt wird oder nicht, vom Wunsch der Frau ab.

Warum die Ergebnisse mit einer PDA besser sind

Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, können keine eindeutigen Schlussfolgerungen auf Ursache und Wirkung gezogen werden. Die Forscher vermuten jedoch, dass die besseren Ergebnisse bei Frauen mit PDAs auf mehrere Faktoren zurückzuführen sind. So

  • werden Mutter und Kind im Zuge einer PDA während der Wehen engmaschiger überwacht
  • schwächt die Analgesie potenziell die physiologischen Stressreaktionen auf die Wehen und die Auswirkungen auf das kardiovaskuläre und respiratorische System ab
  • lassen sich geburtshilfliche Interventionen möglicherweise schneller eskalieren, wenn bereits eine PDA vorhanden ist.