Medical Tribune
3. Nov. 2023Bei RED-S ist die Knochengesundheit die grösste Sorge

RED-S: Amenorrhö oft einziges Warnzeichen

Für eine bessere Leistung reduzieren Athletinnen in einigen Sportarten gerne die Energiezufuhr – was schlimmstenfalls in einem relativen Energiedefizit-Syndrom (RED-S) endet. Neben Zyklusstörungen, psychologischen Problemen, Leistungseinbussen und erhöhter Verletzungsgefahr bereitet der Knochenschwund grosse Sorgen.

Frustrierte Sportlerin sitzt auf einer Tartanbahn und vergräbt das Gesicht in den Händen.
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Bei reduzierter Energiezufuhr laufen Athletinnen Gefahr, Osteoporose, Amenorrhö, oder kardiovaskuläre Probeme zu entwickeln.

Die Prävalenz für Oligo- und Amenorrhö ist bei Athletinnen besonders hoch. Sie beträgt 79 Prozent, in der Allgemeinbevölkerung hingegen nur neun Prozent (1). «Die Amenorrhö hat einen Zusammenhang mit einer Abnahme der Fettmasse», erläutert Dr. Sandrine Ackermann, niedergelassene Gynäkologin mit Praxis in Prilly (2).

Dauert das Energiedefizit länger an, kommt es zu Adaptationsprozessen. Der Körper drosselt den Energieverbrauch, fördert die Lipolyse, erhöht die Cortisolproduktion und Neoglukogenese. Diese Mechanismen führen zu einer Hemmung der Hypothalamus-Hypophysen Achse und schliesslich zu einem relativen Energiedefizit-Syndrom (RED-S, 3).

Bei RED-S kommt Knochenaufbau später nicht mehr nach

Ein RED-S kann verschiedene gesundheitliche Folgen haben (4). Die grössten Sorgen bereitet das Osteoporoserisiko. Jugendliche bauen bis zum Alter von 18 Jahren etwa 90 Prozent der Knochenmasse auf. «Ist dies nicht der Fall, kann das Defizit später möglicherweise nicht mehr ausgeglichen werden» so die Referentin.

Auch Oligo- und Amenorrhö sind mit einem RED-S assoziiert. Sie können die Pubertät verzögern und die Fruchtbarkeit herabsetzen. Der Hormonstatus ist bei RED-S vergleichbar mit der Menopause. Auch kommt es im Zusammenhang mit einem chronischen Energiedefizit oft zu kardiovaskulären und psychologischen Problemen, zu einer erhöhten Verletzungsgefahr und Leistungseinbussen.

Das Thema Leistungseinbussen eignet sich laut Dr. Ackermann besonders gut, um das Problem RED-S mit betroffenen Athletinnen in der Praxis zu diskutieren. «Denn für die Sportlerinnen ist ein gutes Abschneiden in den Wettkämpfen ein wichtiges Ziel. Für sie steht die Leistungsfähigkeit und nicht das Osteoporoserisiko im Vordergrund», erklärt sie.

Hormonstatus und Knochendichtemessung

Gynäkologen sind gefordert, weil die Amenorrhö oftmals das einzige Warnzeichen für ein RED-S ist. Bei Athletinnen mit Amenorrhö und Verdacht auf ein RED-S sind diagnostisch zunächst andere Ursachen für das Ausbleiben der Periode auszuschliessen. Dabei hilfreich ist der Hormonstatus. «Bei einem dauernden Energiedefizit sind die Hypophysenhormone LH und FSH zu tief», erläutert Dr. Ackermann (5).

Wichtig bei Athletinnen mit einem chronischen Energiedefizit ist die Knochendichtemessung. Sie ist indiziert bei einer Amenorrhö über sechs Monate, bei einer Essstörung mit Ermüdungsbruch, bei einem Gewichtsverlust von über zehn Prozent in einem Monat oder auch, wenn die Adoleszentin bis zum Alter von 16 Jahren noch keine Menarche hatte. Im Verlauf sollte die Knochendichtemessung jährlich einmal wiederholt werden, und zwar so lange wie das Osteoporose-Risiko erhöht ist.

«Für das Wiedereinsetzen der Menstruation ist die Gewichtszunahme der entscheidende Faktor», betont Dr. Ackermann. Die Behandlung zielt deshalb darauf ab, die Gesamtenergiezufuhr zu verbessern und die Trainingsbelastung zu reduzieren. Für die Knochengesundheit sollte ausserdem das Kalzium und Vitamin-D supplementiert werden.

Energiedefizit lässt sich rasch ausgleichen

Der Energiestatus lässt sich mit adäquater Behandlung rasch, innert Tagen und Wochen, wieder ausgleichen. Hingegen dauert es oft Monate, bis der Menstruationszyklus und oft Jahre, bis die Knochendichte wieder hergestellt ist.

Die Therapie erfolgt interprofessionell in einem Team aus Fachärzten, Ernährungsberatern, Psychologen und Sportcoach (6). «Eine Hormonersatztherapie ist in Erwägung zu ziehen, wenn bei Athletinnen mit RED-S die Menstruation nach sechs Monaten adäquater Behandlung nicht wieder einsetzt», so die Referentin.

Goldstandard ist transdermales Estradiol und per os zyklisches Progesteron. Unter dem Alter von 15 Jahren wird eine HRT in Studien allerdings eher nicht empfohlen. Dr. Ackermann rät zudem, auf eine orale kombinierte Pille zu verzichten, weil mit einem Ovulationshemmer die Menstruation nur künstlich wieder einsetzt und die Ursache des RED-S unbehandelt bleibt.