Medical Tribune
30. Okt. 2023Fertilitätsabklärung in der gynäkologischen Praxis

Was vor der Kryokonservierung von Eizellen zu beachten ist

Wenn Frauen eine Kryokonservierung ihrer Oozyten erwägen, kann bereits in der Praxis eine erste Fertilitätsabklärung erfolgen. Welche Parameter gemessen und wie sie interpretiert werden, erklärt PD Dr. Alexandra Kohl Schwartz, Luzerner Kantonsspital.

Vor der Kryokonservierung von Eizellen gilt es einiges zu beachten.
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Die klassische Patientin, die in die Sprechstunde kommt, weil sei eine Fertilitätsreserve anlegen lassen will, ist etwa 35 Jahre alt. «Oft ist gerade eine langjährige Beziehung in die Brüche gegangen, vielleicht sogar, weil sich die Beziehung an der Frage des Kinderwunsches gerieben hat», sagt PD Dr. Alexandra Kohl Schwartz, Co-Chefärztin Reproduktionsmedizin am Luzerner Kantonsspital.

Das «social freezing» ist auch ein Thema bei Frauen, die sich Sorgen machen, vorzeitig in die Wechseljahre zu kommen, meist weil sie eine Familiengeschichte von einer prämaturen Ovarialinsuffizienz oder eigene diesbezügliche Risikofaktoren haben.

Gründe für ein «medical freezing», also eine Kryokonservierung mit einer medizinischen Indikation, sind oft eine bevorstehende gonadotoxische Krebstherapie, eine höhergradige Endometriose, eine genetische Krankheit oder Transsexualität. «Die Umstände sind verschieden, das Vorgehen aber ist beim ‹social› und ‹medical freezing› gleich», so die Expertin.

Ovarielle Reserve mit AFC und AMH bestimmen

Um die ovarielle Reserve bei einer Patientin in einem ersten Schritt abzuschätzen, eignet sich der antrale Follikelcount (AFC). «Die Anzahl der kleinen, zwei bis acht Millimeter grossen, Follikel wird standardisiert in den ersten Zyklustagen oder auch einmal zwischendurch, etwa bei der gynäkologischen Jahreskontrolle, gemessen», erklärt die Referentin.

Mit Hilfe von Tabellen und unter Berücksichtigung des Alters der Patientin, liefert der AFC die Information, ob die Frau eine altersentsprechende ovarielle Reserve hat oder ob diese altersbezogen geringer oder höher ist.

Auch das Anti-Müller-Hormon (AMH) hilft, die ovarielle Reserve einzuschätzen. Das AMH entsteht überwiegend in den Granulosazellen der Primärfollikel. Die Messung des Parameters ist zyklusunabhängig möglich, der Wert aber periovulatorisch und unter Antikonzeption erniedrigt. Das AMH ist kein absoluter Wert, die Variabilität ist gross. Interpretiert wird der Parameter deshalb zusammen mit dem Alter. «Das AMH sagt etwas aus über die Anzahl Follikel, die noch bereit sind für eine Reifung», betont die Expertin. Der Wert hilft auch, die Antwort auf eine Hormonstimulation vorauszusagen und die korrekte Stimulationsdosis zu bestimmen.

Eine gute Situation für eine Stimulation besteht bei einem AMH-Wert zwischen 1 ng/ml und 3,5 ng/ml. Bei einem Wert < 1 ng/ml ist die ovarielle Reserve reduziert und es ist mit einer abgeschwächten Antwort auf eine Stimulation zu rechnen. Bei einem Wert > 3,5 ng/ml ist bei der Stimulationstherapie Vorsicht geboten, um nicht ein ovarielles Hyperstimulations-Syndrom zu provozieren. «Denn das ist gefährlich für die Frau und auch nicht günstig für die Eizellqualität», so die Referentin. Nicht voraussagen lässt sich mit dem AMH die Geburtenrate. Dafür ist das Alter der deutlich verlässlichere Parameter.

Kryokonservierung bis 35 Jahre sinnvoll

Eine Kryokonservierung von Oozyten ist bis zu einem Alter von 35 Jahren sinnvoll. «Ist die Frau älter, versuchen wir, sie zu motivieren, einen Partner zu finden und eine Schwangerschaft anzustreben. Dies ist aufgrund der in diesem Alter im Allgemeinen nur noch geringen Anzahl vorhandener Eizellen einfacher», betont PD Dr. Kohl Schwartz.

Für die Kryokonservierung wird in der Regel ein Antagonisten-Protokoll durchgeführt, da dies durch den Trigger der Ovulation mit einem GnRH-Analogon insgesamt die geringsten Risiken für die Patientin hat. Die Stimulation startet frühzyklisch – oder in der onkologischen Situation irgendwann im Zyklus. Die Eizellen werden transvaginal mit einer Punktion unter Ultraschallsicht in Analgosedation gewonnen.

Die Geburtenrate ist abhängig vom Alter, von der ovariellen Reserve und der Ursache der Sterilität, resp. der Grunderkrankung. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine gesunde Frau mit einer aufgetauten Eizelle später tatsächlich einmal ein Kind bekommt, beträgt durchschnittlich sechs Prozent. Ist die Frau jünger, zwischen 30 Jahre und 35 Jahre alt, beträgt sie 8,2 Prozent, im Alter von etwa 41 Jahren noch 2,5 Prozent.

Risiko für Fehlbildungen nicht erhöht

«Für Kinder, die sich aus einer kryokonservierten Eizelle, entwickelt haben, besteht grundsätzlich kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen und Entwicklungsdefizite. Erhöht sind aber die Risiken für ein höheres Geburtsgewicht und je nach Protokoll auch für die Präeklampsie», so PD Dr. Kohl Schwartz, die dieser Zusammenhang auch forschungsmäs­sig interessiert.

Sie leitet die Berner IVF-Kohorte, welche die langfristigen Auswirkungen der reproduktionsmedizinischen Behandlungen auf die Gesundheit der Kinder untersucht.

Die Kosten für ein «social freezing» betragen ungefähr 5.000 CHF pro Zyklus. Hinzu kommen Auslagen für die Kryokonservierung und die Lagerung (ca. CHF 400/Jahr).

Die Kosten für ein «medical freezing» übernimmt die Krankenkasse bei Frauen unter 40 Jahren, wenn nach der gonadotoxischen Krebsbehandlung eine Amenorrhö-Rate von mindestens 20 Prozent zu erwarten ist. «Social freezing» ist in der Schweiz für maximal zehn Jahre zulässig, beim «medical freezing» ist die lebenslange Lagerung erlaubt.