Medical Tribune
24. Aug. 2023Vorgehen bereits vor der Befruchtung planen

CMV-Infektionen in der Schwangerschaft

Eine Erstinfektion mit dem Zytomegalievirus (CMV) kann vor allem um die Konzeption und im ersten Trimenon zu kongenitalen Schäden des Ungeborenen führen. Dabei liessen sich viele Infektionen vermeiden. Für Dr. Leila Sultan-Beyer, Chefärztin der Klinik für Geburtshilfe am Kantonsspital Winterthur, ist vor allem die Aufklärung der Frauen bereits vor der Schwangerschaft entscheidend.

Eine CMV-Infektion in der Schwangerschaft kommt bei 0,5 bis 4 Prozent der seronegativen Schwangeren vor.
NataliaDeriabina/gettyimages

Besonders im deutschsprachigen Raum wurde das Thema CMV-Infektion in der Schwangerschaft jahrelang vernachlässigt, beklagt Dr. Leila Sultan-Beyer, Chefärztin der Klinik für Geburtshilfe am Kantonsspital Winterthur (KSW).

«Sehr häufig kommen Schwangere zu uns, die noch nie etwas von einer CMV-Infektion gehört haben. Dabei handelt es sich um die häufigste kongenitale Infektion sowie die häufigste infektiöse Ursache für geistige Behinderung und nicht-erbliche Hörstörungen im Kindesalter.»

Dr. Leila Sultan-Beyer
zVg

«Ob Schwangere ihren Infektionsstatus bestimmen lassen sollten, hängt davon ab, ob sie bereit wären, im Falle einer Erstinfektion Massnahmen zu ergreifen» sagt Dr. Leila Sultan-Beyer, Chefärztin der Klinik für Geburtshilfe am Kantonsspital Winterthur (KSW).

Unter den Kindern von Frauen, die sich während der Schwangerschaft mit CMV infizieren, sind bei Geburt bereits zehn bis 15 Prozent symptomatisch. Sie haben ein 30- bis 40-prozentiges Risiko, Langzeitschäden davonzutragen.

Die mögliche klinische Symptomatik reicht von subklinischen neurologischen Beeinträchtigungen und Wachstumsretardierungen über Störungen der motorischen und mentalen Reifung. In besonders ungünstigen Fällen kann es zur Schädigung des zentralen Nervensystems einschliesslich des Innenohrs oder zum Abort kommen(1). «Gelegentlich lassen sich schwere Fehlbildungen zwar per Ultraschall um die 30. Woche erkennen. In den meisten Fällen werden sie aber erst später augenfällig, wenn sie sich etwa durch Sprachentwicklungsstörungen äussern», so die Expertin.

CMV-Aufklärung sollte bereits vor der Schwangerschaft erfolgen

CMV gehört zur Familie der Herpesviren. Man nimmt an, dass rund die Hälfte der Schwangeren zuvor noch keinen Kontakt mit dem Virus hatte. Bei ihnen besteht die Gefahr einer Primärinfektion, die für den Fötus gefährlich werden kann. In Studien infizierten sich zwischen 0,5 und vier Prozent der seronegativen Schwangeren in der Schwangerschaft erstmals mit CMV (1).

Die Infektion ist vor allem rund um die Konzeption und im ersten Trimenon am gefährlichsten (siehe Kasten). Daher kommt eine Beratung in Bezug auf CMV selbst dann meist zu spät, wenn die Frau in der Schwangerschaft regelmässig zu gynäkologischen Kontrollen geht. Sinnvoll, so Dr. Sultan-Beyer, wäre es stattdessen, die Frauen idealerweise bereits vor der Befruchtung aufzuklären. «Gynäkologen, Hebammen, Hausärzte und Kinderärzte, die wissen, dass Frauen sich ein weiteres Kind wünschen, sollten die Gelegenheit nutzen, sie über die Risiken einer CMV-Infektion und über die Möglichkeit, den CMV-Serostatus zu bestimmen, zu informieren.»

Wann die CMV-Infektion am gefährlichsten ist (1)

Am kritischsten ist die Infektion, wenn sie um die Konzeption oder im ersten Schwangerschaftstrimenon passiert. Zu diesem Zeitpunkt ist die Transmissionsrate mit rund 30 Prozent zwar am geringsten. Allerdings ist hier das Risiko für eine schwere kongenitale Schädigung mit rund zehn Prozent am höchsten.

In den späteren Trimena liegt die Transmissionswahrscheinlichkeit zwar mit rund 70 Prozent wesentlich höher. Da die Organentwicklung aber um die 23. Woche weitgehend abgeschlossen ist, sind bei einer Infektion des Kindes nicht mehr so grosse Schäden zu erwarten.

Bestimmung des Serostatus in der Frühschwangerschaft

CMV-Infektionen laufen bei normal immunkompetenten Erwachsenen und Kindern fast symptomlos ab. Nur selten berichten akut Infizierte über grippeähnliche Symptome wie Halskratzen oder Abgeschlagenheit. Vor allem gestillte und kongenital infizierte Kleinkinder scheiden jedoch häufig jahrelang asymptomatisch Viren über Speichel, Tränenflüssigkeit und Urin aus (1, siehe Kasten).

Aufschluss darüber, ob bereits eine CMV-Infektion erfolgt ist, kann nur ein Antikörpertest liefern. Bestimmt werden dabei gegen das CMV gerichtete IgG und IgM. Über diese ist ein Rückschluss möglich, ob eine Infektion stattgefunden hat und wie weit diese zurückliegt. Ist lediglich das IgG erhöht, spricht das für eine CMV-Infektion in der weiter zurückliegenden Vergangenheit.

«Eine Serostatusbestimmung sollte sehr früh, im Idealfall noch vor dem Eintreten der Schwangerschaft erfolgen», empfiehlt Dr. Sultan-Beyer. Besonders bei Frauen mit höherem Risiko, die entweder bereits ein Kleinkind zuhause haben oder beruflich Kleinkinder betreuen, ist diese sinnvoll. Fällt der Test negativ für beide Immunglobuline aus, sollte die Serologie in der 12. bis 14. Schwangerschaftswoche wiederholt werden. Dadurch wird ausgeschlossen, dass eine Infektion in der Frühschwangerschaft stattgefunden hat.

Virostatika und Immunglobuline gegen das CMV

Ob eine Serostatus-Bestimmung überhaupt ein Thema für eine Schwangere ist, ist für die Expertin aber auch davon abhängig, ob die Frauen bereit wären, im Falle einer akuten Infektion weitere medizinische Massnahmen zu ergreifen.

Denn liegt tatsächlich eine akute CMV-Infektion in der Frühschwangerschaft vor, lässt sich durch gezielte Therapien vermeiden, dass das Virus auf das Kind übergeht. Zur Verfügung stehen entweder das Virostatikum Valaciclovir oder Hyperimmunglobuline (Immunglobulinpräparate aus dem Plasma von Spendern mit hohem CMV-Antikörpertiter). In Studien führten beide zu einem guten Schutz vor einer CMV-Transmission (2,3). Bei beiden Vorgehensweisen handelt es sich derzeit noch um Off-Label-Therapien.

Teil des Massnahmenpaketes ist bei einem Infektionsnachweis auch eine Fruchtwasseruntersuchung nach der 20. Schwangerschaftswoche. Im Zuge dieser lässt sich überprüfen, ob eine Transmission stattgefunden hat. Ist die Fruchtwasseruntersuchung negativ, können die Medikamente abgesetzt werden. Fällt der Transmissionsnachweis hingegen positiv aus, lässt sich mittels Ultraschalldiagnostik und einer Nabelschnurblut-Untersuchung weiter bestimmen, ob sich ein Kind symptomatisch infiziert hat.

Hygieneregeln halbieren das Übertragungsrisiko

Das Zytomegalovirus wird vor allem durch Schmierinfektionen mit Körperflüssigkeiten von infizierten Kleinkindern übertragen. Gefährdet sind vor allem Frauen ohne bisherigen CMV-Kontakt, die entweder beruflich mit Kindern unter vier Jahren zu tun haben. Auch Mütter eines oder mehrerer Kleinkinder haben ein erhöhtes Übertragungsrisiko.

Viele Infektionen lassen sich dabei durch eine intensivere Hygiene während des kritischen ersten Trimenons vermeiden. Studien zeigen, dass eine präkonzeptionelle Hygieneberatung das Risiko einer CMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft um 50 bis 85 Prozent senken konnte (4). Dazu gehört, dass Schwangere sich nach dem Wickeln oder nach dem Kontakt mit Tränen, Speichel oder Urin von Kindern gut die Hände waschen. Ebenfalls vermeiden sollten sie es, das Essen des Kleinkindes aufzuessen, das Kind auf den Mund zu küssen, den Löffel zu teilen oder den Nucki abzulecken.

In der Schweiz empfiehlt die Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) ausserdem, dass Frauen, die beruflich mit Kleinkindern zu tun haben, während der Schwangerschaft Handschuhe bei Tätigkeiten tragen, bei denen sie in Kontakt mit Körperflüssigkeiten kommen können. Pauschal rät die Gesellschaft zudem zwar nicht zur Freistellung der Frauen. Wenn Frauen aber nicht an einen weniger risikoreichen Arbeitsort wechseln und die Hygienemassnahmen nicht einhalten können, kann der Arzt aber ein Beschäftigungsverbot vor allem für das erste Trimenon aussprechen (5).