Soll das Verbot gelockert werden?
Etwa 1000 Paare reisen jedes Jahr ins Ausland, um sich ihren Kinderwunsch mit einer Eizellspende zu erfüllen. Denn in der Schweiz verbietet das Fortpflanzungsmedizingesetz solche Eingriffe. Soll das Verbot gelockert werden? Die Frage wird gegenwärtig kontrovers diskutiert – auch am letzten Ostschweizer Symposium für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe (OSGG).
Unter der Leitung von Professor Dr. Uli Herrmann, Biel, beleuchteten Mediziner, Ethiker und Theologen auf dem Podium Aspekte rund um die Eizellspende. Professor Dr. Ruth Baumann-Hölzle, Zürich, Theologin und ehemaliges Mitglied der nationalen Ethikkommission, zählte eine Reihe Fragen auf, die sich im Zusammenhang mit der Eizellspende aus der Sicht der Ethik stellen. So müsse sich die Gesellschaft etwa darüber klar werden, wie sie mit neuen Ansprüchen, wie dem Recht auf ein (gesundes) Kind umgehen wolle, sagte die Professorin. «Auch stellen sich sozialethische Fragen im Zusammenhang mit den neuen Trends, wie der Reproduktionsmedizin als neuem Geschäftsfeld und Forschungsgegenstand, der Tatsache, dass arme Frauen ihre Geschlechtszellen besser gestellten Frauen verkaufen und sich diejenigen, die es sich leisten können, sich ihrer bedienen können», so die Theologin. Reflektiert werden müssten zudem die gesellschaftlichen Folgen. «Schwangerschaft und Kinder sind in einer sehr einseitig orientierten Leistungsgesellschaft Störfaktoren, die es zu vertagen gilt», erklärte Prof. Baumann. Die Gefahr bestehe, dass junge Frauen gar nicht mehr die Möglichkeit hätten, in jungen Jahren Mutter zu werden, wenn sie gleichzeitig im Arbeitsprozess sein wollten.
Das Ausland lockt mit billigen Eizellen
«Anders als in der Schweiz, gibt es in Österreich gegenwärtig nicht einmal mehr eine Debatte», erzählte Professor Dr. Christoph Brezinka, Innsbruck. Nach politischen Diskussionen und einem Urteil des europäischen Gerichtshofes von 2011, das es den einzelnen EU-Staaten überlässt, die Eizellspende zuzulassen, geht in unserem östlichen Nachbarland punkto Eizellspende politisch nichts mehr. Grund: «Bei uns hat es sich längst eingebürgert, ins wenige Autostunden entfernte Tschechien zu fahren, wo zu sehr kompetitiven Preisen Eizellen zu bekommen sind», erklärte der Reproduktionsmediziner. Kritisch äusserte er sich auch zur Situation in Frankreich, wo die Eizellspende zwar erlaubt ist, aber nicht entschädigt werden darf. «Die meisten Französinnen gehen deshalb lieber nach Spanien, wo sie für ihre Eizellspende ein Entgelt bekommen.»
Keine Therapie für Normalverdiener
«Eine Zulassung der Eizellspende trägt zur Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Wohlergehen bei, verletzt aber diese Prinzipien auch», bilanzierte Professor Dr. Hanspeter Schmitt vom Lehrstuhl Theologische Ethik in Chur. So werde die Eizellspende kaum zu einer Therapie für Normalverdiener werden, weil nicht mit Kassenleistungen zu rechnen ist. «Das ist keine soziale Gerechtigkeit», betonte er. Wie der Ethiker ausführte, bestehe die Gefahr einer Reduktion der Frau, als Eizellspenderin nützlich zu sein für andere Interessen: für Paare, für die Medizin, die Forschung und vielleicht auch für die Kommerzialisierung. «Gegen jede Autonomie wäre schliesslich, wenn Frauen aus finanziellen Gründen zu Eizellspenden genötigt würden», so Prof. Schmitt. Die Eizellspende eröffne ausserdem den Weg zu einer gesplitteten und anonymisierten Elternschaft, was zu Identitätsproblemen führen könne.
Frauen mit Kinderwunsch in der Schweiz behandeln
Die Reproduktionsmedizinerin Dr. Anna Raggi, Olten, erinnerte an den oftmals langen Leidensweg von Frauen, die sich ein Kind wünschen, aber wegen einer Krankheit oder einer vorzeitigen Ovarialinsuffizienz nicht so einfach schwanger werden können wie gesunde Frauen. «Als Ärztinnen und Ärzte ist es unsere Aufgabe, diesen Frauen zu helfen», sagte sie. Auch sei es doch besser, die Frauen mit Kinderwunsch und Infertilitätsproblem in der Schweiz zu beraten, zu betreuen und zu behandeln, anstatt sie weiter dazu zu zwingen, für eine Eizellspende ins Ausland zu gehen.
«Das Verbot verwehrt unseren Wissenschaftlern, auf dem Gebiet der Eizellspende zu forschen», gab aus dem Plenum ein Reproduktionsmediziner weiter zu bedenken. Eine Ärztin erinnerte daran, wie noch vor Jahren in der Schweiz heftig über die Einführung der IVF diskutiert wurde und wie etabliert und anerkannt die Therapie heute ist. Mit Blick auf die längst erlaubte Samenspende sei die Einführung der Eizellspende für sie vor allem auch eine Frage der Gleichberechtigung.
Eizellspenden vorwiegend aus altruistischen Gründen oder für den Eigenbedarf
In der Schweiz bräuchte es jährlich 500–1000 Spenderinnen, um die etwa 1000 Frauen, die jedes Jahr für eine künstliche Befruchtung ins Ausland reisen, behandeln zu können. «Das ist eine sehr hohe Zahl», kommentierte Dr. Anna Raggi in ihrem Einführungsreferat am OSGG-Podium. Im Rahmen einer kleinen Studie untersuchte sie unter der Leitung von Professor Dr. Christian de Geyter, Universitätsspital Basel, ob in der Schweiz überhaupt genügend Frauen bereit wären, Eizellen zu spenden, wenn die Behandlung eingeführt würde.1
Für die Studie wurde ein Fragebogen online gestellt, und es wurden insgesamt 172 Antworten ausgewertet. Zwei Drittel der Antworten stammten von jungen kinderlosen Frauen zwischen 18 und 24 Jahren. «Unsere Resultate zeigen: 56 % der Frauen wären grundsätzlich zu einer Eizellspende bereit, die Hälfte dieser Frauen würden aus Nächstenliebe ihre Eizellen spenden», so Dr. Raggi. Fast ebenso viele würden es aus persönlichem Interesse tun, um eine eigene Fertilitätsreserve anzulegen, auf die sie später bei Bedarf zurückgreifen könnten. Hingegen würden nur wenige Frauen ihre Eizellen für ein «Egg-Sharing» spenden. «Frauen, die sich in der Studie gegen eine Eizellspende aussprachen, begründeten ihre Haltung hauptsächlich mit ethischen Argumenten und der fehlenden Bereitschaft, sich einer hormonellen Stimulation zu unterziehen», so die Ärztin. Ein Drittel der Frauen würden Eizellen zudem nur gegen eine Entschädigung spenden. Die genannten Wunschbeträge variierten zwischen 100 und 2500 Franken. Mehr als die Hälfte der Befragten war auch der Meinung, Frauen sollten nur bis zum 40. Lebensjahr eine Eizellspende erhalten dürfen, zwei Frauen waren für eine Altersgrenze 50 Jahre und sechs Frauen waren für gar keine Altersbeschränkungen.
Literatur:
1. Raggi Nüssli A et al. Rahmenbedingungen für die Bereitschaft junger Frauen zur Spende von Eizellen. Schweizerische Ärztezeitung 2014; 95(7): 263–267.