Medical Tribune
28. Sept. 2023Häufiger als gedacht

Lichen planus kann auch im Ösophagus wüten

Eine Beteiligung der Speiseröhre bei Lichen planus ist vermutlich häufiger als ursprünglich angenommen. Die frühzeitige Diagnose ermöglicht, schwere und refraktäre Verläufe abzuwenden. Etablierte Behandlung gibt es keine; in zwei von drei Fällen sind aber topische Steroide erfolgreich.

Ein Lichen planus muss im Mund nicht enden: Auch die Speiseröhre kann betroffen sein.
Matthieu/stock.adobe.com

Ein Lichen planus muss im Mund nicht enden: Auch Manifestationen in der Speiseröhre sind nicht selten.

Eine Speiseröhrenbeteiligung beim Lichen planus ist häufiger als gedacht – vermutlich übersteigt ihre Prävalenz die der eosi­no­philen Ösophagitis.

Wie man die ösophageale Manifestation der Autoimmunkrankheit erkennen kann, beschrieb kürzlich eine deutsche Expertengruppe (1).

Leitsymptom Dysphagie

Mit einem Anteil von 80 Prozent sind Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer. Das mediane Erkrankungsalter liegt bei 60 Jahren.

Leitsymptom des ösophagealen Lichen planus (ELP) ist die Dysphagie, welche geschätzt bei 80 bis 100 Prozent aller Fälle auftritt. Weitere mögliche Beschwerden sind Odynophagie, Sodbrennen, Regurgitationen, Gewichtsverlust, Hus­ten und Heiserkeit.

Ein ELP sollte dringend abgeklärt werden bei allen Patienten mit

  • bekanntem kutanem, oralem oder genitalem Lichen planus und dysphagischen/dyspeptischen Beschwerden,
  • unklarer oder anderweitig nicht erklärbarer Dysphagie,
  • unklarer Ösophagitis,
  • entzündlicher Stenose des Ösophagus (v. a. im proximalen oder mittleren Drittel).

Was Endoskopie und Biopsie verraten

Endoskopisch werden eine charakteristische Schleimhautablösung (Denudation) und/oder Trachealisierung in der Speiseröhre deutlich. Gelegentlich sind Hyperkeratosen und bei langem Bestehen auch Stenosen erkennbar.

Im Rahmen histologischer Untersuchung lassen sich typische Lichen-planus-Anzeichen wie die Ablösung des Epithels, ein lymphozytäres Infiltrat (v. a. T-Lymphozyten), apoptotische Keratinozyten (Civatte Bodies) und Dyskeratosen erkennen.

Eine Biopsie sollte besser nicht aus den (distal) letzten 5 cm des Ösophagus entnommen werden, sondern aus den darüberliegenden Bereichen, falls parallel eine Refluxösophagitis vorliegt.

Um die Diagnose zu sichern, empfehlen die Experten darüber hinaus die Durchführung einer direkten Immunfluoreszenz. Finden sich dabei die typischen Fibrinogen­einlagerungen entlang der Basalmembran, ist eine sichere Abgrenzung zum Schleimhaut­pemphigoid möglich.

Differenzialdiagnosen von Pemphigoid bis M. Crohn

Denn weitere Hauterkrankungen, bei denen ebenfalls der Ösophagus beteiligt ist, sind Epidermolysis bullosa und Pemphigus.

Zu den ebenfalls relevanten Differenzialdiagnosen zählen zudem unter anderem sämtliche Formen der Ösophagitis ­(z. B. Refluxösophagitis, chemisch, medikamenteninduziert), Morbus Crohn, systemische Sklerose, sowie der Morbus Behçet und eine Graft-versus-Host-Erkrankung.

Retinoide sind beim ELP unwirksam

Bislang konnte sich noch keine Therapieoption beim ELP etablieren. Die klassische Therapie des kutanen und mukosalen Lichen planus mit systemischen Retino­iden scheint unwirksam zu sein. Zwei Drittel der Betroffenen sprechen auf topische Steroide an, wobei Budesonid den meisten Erfolg verspricht. Die Response sollte nach drei Monaten klinisch und endoskopisch evaluiert werden.

In schweren Fällen muss unter Umständen eine intensive immunsuppressive Therapie beispielsweise mit systemischen Kortikosteroiden, Hydroxy­chloroquin, Mycophenolat oder Azathioprin eingeleitet werden. Bei einer symptomatischen Stenose des Ösophagus ist eine endoskopische Dilatation zu erwägen.