Medical Tribune
22. Apr. 2015Gastroenteritis

Brechdurchfall: Abwarten und Tee trinken?

Eine akute, ambulant erworbene Gastroenteritis ist meist selbstlimitierend und benötigt in der Regel keine spezifische Therapie. Den Flüssigkeitshaushalt muss man aber insbesondere bei Risikopersonen immer im Auge behalten, heisst es in der neuen S2k-Leitlinie zur "Infektiösen Gastroenteritis".

Durch den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust sind vor allem ältere Menschen gefährdet. Bei Exsikkose drohen hier orthostatische Dysregulation, Stürze, Bewusstseinsstörungen, Delir, Obstipation, Rhabdomyolyse und Nierenfunktionsstörungen bis hin zum akuten Nierenversagen. Ausserdem ist das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Dekubitus erhöht.

An der WHO-Lösung führt kein Weg vorbei

Die orale Rehydrierung sollte grundsätzlich mit einer glukosebasierten speziellen Elektrolytlösung ("WHO-Trinklösung") erfolgen, heisst es in der Leitlinie. Sie hat die optimale Zusammensetzung und ist "selbstgebastelten" Alternativen (z.B. süsser Tee plus Salzgebäck oder verdünnter Fruchtsaft mit Salz und Zucker) eindeutig überlegen. Völlig ungeeignet sind reine Fruchtsäfte, Limonaden (z.B. Cola) oder Leitungswasser. Ein zu hoher Zuckergehalt kann den Durchfall noch verstärken und Leitungswasser enthält zu wenig Elektrolyte.

Eine Infusionsbehandlung ist nur bei sehr ausgeprägter Dehydrierung (Abnahme von ≥ 10 % des Körpergewichtes, Kreislaufschock, Bewusstseinstrübung) indiziert oder wenn der Patient trotz antiemetischer Therapie alles wieder erbricht. Häufig wird auch eine klassische "Durchfalldiät" mit Bananen, Reis, Apfelmus und Toast unter Vermeidung von Milchprodukten empfohlen – eine wissenschaftliche Evidenz haben die Leitlinien-Autoren hierfür aber nicht gefunden.

Bei unkompliziertem Krankheitsverlauf spricht nichts dagegen, den Durchfall kurzzeitig mit Loperamid zu stoppen. Bei blutigem Stuhl oder Fieber sollte der Motilitätshemmer aber wegen der Gefahr eines toxischen Megakolons nicht eingesetzt werden. Das Gleiche gilt für eine Enterokolitis durch Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Entamoeba spp. oder Clostridium difficile.

Geht die Gastroenteritis mit Schmerzen einher, können Paracetamol, Metamizol, Opioide oder Butylscopolamin unter Beachtung der jeweiligen Kontraindikationen eingesetzt werden. ASS, NSAR oder Coxibe sollten diese Patienten nicht erhalten. Macht Erbrechen die orale Rehydrierung unmöglich, können Antiemetika hilfreich sein.

Kein generelles "Go" für Probiotika

Da die Studienlage zum Einsatz von Probiotika bei akuter Gastroenteritis im Erwachsenenalter unzureichend ist, wird in den Leitlinien von einer generellen Empfehlung Abstand genommen.

Von einer generellen empirischen antimikrobiellen Therapie raten die Experten ab. Anders ist die Situation bei blutiger Diarrhö, Zeichen einer systemischen Infektion (z.B. Fieber > 38,5 °C) oder immunsupprimierten Patienten. Nach Durchführung der Erregerdiagnostik kann dann eine der folgenden Substanzen zum Einsatz kommen:

  • Azithromycin (500 mg/d p.o.) für 3 Tage
  • Ciprofloxacin (1 g/Tag p.o. oder 800 mg/Tag i.v.) für 3–5 Tage
  • Ceftriaxon (2 g/Tag i.v.) für 3–5 Tage

Wie ist es mit der Antibiotikatherapie bei positivem Erregernachweis?

Nicht thyphoidale Salmonellen:

Bei der klassischen Lebensmittelinfektion durch Salmonellen ist in der Regel keine Antibiotikagabe indiziert. Patienten mit Zeichen für eine systemische Infektion (Bakteriämie oder Fieber), Immunsupprimierte oder Hämodialyse-Patienten sollen aber Antibiotika (Ciprofloxacin 1 g/Tag p.o. oder 800 mg/Tag i.v. oder Ceftriaxon 2 g/Tag i.v., jeweils für 5–7 Tage nach Resistenztestung) erhalten. Auch bei Patienten mit Gefässprothesen, Gefässaneurysmen oder Fremdmaterial (z.B. künstliche Gelenke) kann eine Antibiotikatherapie in Erwägung gezogen werden, um fokale Absiedlungen und schwere systemische Verläufe zu verhindern.

Normalerweise scheiden Patienten mit Salmonellen-Enteritis die Erreger etwa vier Wochen lang aus. Sind die Salmonellen auch nach drei Monaten weiterhin im Stuhl nachweisbar, hat man es offensichtlich mit einem "Dauerausscheider" zu tun. In einem solchen Fall wird ein Therapieversuch mit Ciprofloxacin über vier Wochen empfohlen.

Shigellen:

Obwohl auch diese Infektionen in der Regel nach einer Woche ausgestanden sind, empfehlen die Experten hier aufgrund der sehr hohen Infektiosität und den zum Teil sehr schweren Krankheitsverläufen eine Antibiotikatherapie. Die Bakterienausscheidung und damit die Ansteckungsfähigkeit werden dadurch verringert und die Krankheitsdauer um etwa zwei Tage verkürzt. Geeignet sind Ciprofloxacin (1 g/Tag p.o. oder 800 mg/Tag i.v.) für 3–5 Tage oder Azithromycin (500 mg/Tag p.o.) für drei Tage, wobei aber immer eine Resistenztestung erfolgen muss.

Campylobacter:

Hier ist keine Therapie erforderlich, wenn der Patient bereits wieder auf dem Weg der Besserung ist. Bei schweren oder anhaltenden Erkrankungen sind aber auch hier Antibio­tika indiziert. Therapie der ersten Wahl ist Azithromycin (500 mg/Tag p.o. für 3 Tage oder 1000 mg p.o. einmalig), eine Alternative ist Ciprofloxacin (1 g/Tag p.o. für drei Tage).

Yersinien:

In der Regel ist hier keine antimikrobielle Therapie erforderlich. Ausnahmen sind schwere Enterokolitis (Ciprofloxacin 1 g/Tag p.o. oder 800 mg/Tag i.v. für 5–7 Tage oder Cotrimoxazol 1920 mg/Tag p.o. oder i.v. für 5–7 Tage) oder Bakteriämie (Ceftriaxon 2 g/Tag i.v. für 7–14 Tage oder Ciprofloxacin 1 g/Tag p.o. oder 800 mg/Tag i.v. für 7–14 Tage).

Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC):

Mit der antibiotischen Therapie sollte man zurückhaltend sein, da sie den Krankheitsverlauf nicht günstig beeinflusst und möglicherweise die Ausscheidung verlängert wird. Auch das vermehrte Auftreten eines hämolytisch-urämischen Syndroms wird diskutiert. Machen extraintestinale oder generalisierte Infektionen bzw. Komplikationen eine Intervention notwendig, wird in den Leitlinien ein Antibiotikum aus der Gruppe der Carbapeneme empfohlen.

Quelle: Stefan Hagel et al., S2k-Leitlinie Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple; AWMF-Registernummer 021/024