Medical Tribune
31. Aug. 2013Verordnung von Protonenpumpenhemmern

PPI-Therapie immer kritisch hinterfragen

Seit Jahren nimmt die Verordnung von Protonenpumpenhemmern (PPI) kontinuierlich zu – obwohl sich z.B. die Helicobacter-assoziierte Ulkuskrankheit wegen der nachlassenden Keimbesiedelung auf dem Rückzug befindet. Auch das vermehrte Auftreten der Refluxkrankheit erklärt nicht den "PPI-Boom", schreibt Professor Dr. Michael Scheurlen von der Medizinischen Universitätsklinik Würzburg, Schwerpunkt Gastroenterologie.

Der Autor sieht dafür andere Gründe:

• So werden die Säurehemmer häufiger als Begleitmedikation bei Therapien eingesetzt, die die (Magen-)Schleimhaut schädigen (NSAR, ASS) bzw. mit einem erhöhten gastrointes­tinalen Blutungsrisiko einhergehen (z.B. ASS, Clopidogrel).

• Bei hospitalisierten Patienten dienen PPI oft als "Stressulkusprophylaxe" – und werden als Dauertherapie ambulant beibehalten, obwohl kein Grund dafür besteht.

• Zu einem erheblichen Teil dürfte die PPI-Medikation wegen uncharakteristischer Oberbauchbeschwerden angesetzt und über lange Zeit weiter verordnet werden, nicht zuletzt, weil sie als gut verträglich gelten.

PPIs: Bei Senioren auf Blutbild und Magnesium achten

Doch wie steht es wirklich mit der Sicherheit der PPI? Studien weisen darauf hin, dass gerade in der Langzeitanwendung relevante Nebenwirkungen auftreten können.

Da die Magensäure für die Resorption von Vitamin B12 gebraucht wird, erhöht eine Drosselung der Sekretion möglicherweise das Risiko für einen Mangel. In zwei retrospektiven Analysen wurden erniedrigte Vitamin-B12-Spiegel bei geriatrischen Patienten unter PPI-Langzeitmedikation beschrieben.

Eine Assoziation mit klinischen Mangelerscheinungen (neurologische Symptome, Blutbildveränderungen) konnte aber bisher nicht eindeutig belegt werden. Dennoch empfiehlt Prof. Scheurlen, gerade bei älteren Patienten unter PPI-Langzeittherapie auf Zeichen eines Vitamin-B12-Defizits zu achten.

Fälle einer Hypomagnesiämie unter PPI-Gabe sind zwar selten, wurden aber gelegentlich publiziert. Wegen potenziell ernster Konsequenzen (z.B. Tachykardien, neurologische Symptome) sollte man aber unter Dauereinnahme auch den Magnesiumspiegel im Auge behalten.

Eine erhöhte Frakturrate wurde unter PPI-Medikation ebenfalls beschrieben. In einem Kollektiv der Nurses’ Health Study (knapp 80 000 postmenopausale Frauen) lag das Risiko für Schenkelhalsfrakturen unter regelmässiger PPI-Einnahme um etwa 35 % höher als in einer alterskontrollierten Vergleichsgruppe. Die erhöhte Gefahr ging allerdings ausschliesslich zulasten von aktiven oder Ex-Raucherinnen.

Raucher unter PPIs sind besonders frakturgefährdet

Unter PPI wurde zudem ein gesteigertes Risiko für eine C.-difficile-Diarrhö beschrieben. Möglicherweise gelangen vegetative Formen des Erregers wegen der Säurehemmung bis ins Kolon. Eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse mit ca. 300 000 Patienten bezifferte das relative Risiko für C.-difficile-Infektionen unter PPI auf 1,69. Eventuell beschränkt sich die Gefahr allerdings auf Risikokollektive (schwere Begleit­erkrankungen, fortgeschrittenes Lebensalter).

Auch auf pharmakokinetische Interaktionen gilt es zu achten, da die Verstoffwechselung von PPI durch Cytochrom-P450-abhängige Enzyme die Metabolisierung anderer Medikamente beeinflussen kann. So wird die Wirkung des Thrombozytenaggregationshemmers Clopidogrel evtl. abgeschwächt.

Protonenpumpenhemmer sind also trotz ihrer guten Verträglichkeit nicht nebenwirkungsfrei, fasst Prof. Scheurlen zusammen. Deshalb sollte man sich an die etablierten Indikationen halten und die Notwendigkeit einer langfristigen Therapie regelmässig prüfen. 

Quelle: Michael Scheurlen, Internist 2013; 54:366-372