Pankreasinsuffizienz: Malnutrition und Knochenschäden abwenden!
«Essen Sie weniger Fett!» Soll das etwa ein guter Ratschlag sein für einen Patienten mit chronischer Pankreatitis, der über Fettstühle klagt? Gastromediziner können da nur den Kopf schütteln. Bitte genügend Nährstoffe aufnehmen und eventuell die Enzymdosis steigern, heisst die Devise!
Bei der Therapie der exokrinen Pankreasinsuffizienz herrschen erschreckende Missstände, kritisiert Professor Dr. Peter Layer vom Israelitischen Krankenhaus Hamburg (1). Laut einer niederländischen Studie mit 161 Patienten, die eine chronische Pankreatitis und exokrine Pankreasinsuffizienz hatten, lag die mediane Enzymdosis bei sechs Kapseln pro Tag, aber jeder vierte nahm nur drei Kapseln oder weniger. Die Folgen: 70 Prozent der Studienteilnehmer berichteten über Steatorrhö.
Alarmierend zudem: Nur 25 Prozent der Patienten hatten überhaupt eine Ernährungsberatung erhalten und mindestens jeder zweite wies Symptome einer groben Fehlernährung auf. Das setzt Betroffene nicht zuletzt einem hohen Knochenbruchrisiko aus, wie eine weitere Arbeit belegt. Den Daten zufolge wiesen 34 Prozent der Patienten eine Osteoporose auf, in der Kontrollgruppe betrug diese Rate nur 10 Prozent.
Bei unklarer Symptomlage Pankreatin probatorisch
Malabsorption von Vitamin D und Kalzium birgt bei Pankreaskranken für das Skelett besondere Gefahren – vor allem im Zusammenspiel mit allgemeiner Mangelernährung sowie eventuell Alkoholabusus und Nikotinkonsum. Wie macht man es also richtig? Laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) soll Pankreatin supplementiert werden, wenn eine deutliche Steatorrhö besteht (Stuhlfette > 15 g/d) bzw. wenn bei klinischen Zeichen einer Malabsorption ein pathologischer Pankreasfunktionstest vorliegt (2).
Auch bei einer Stuhlfettausscheidung von 7–15 g/Tag verordnet man Pankreatin, wenn der betroffene Patient z.B. unter Gewichtsverlust oder abdominellen Beschwerden mit Dyspepsie, starkem Meteorismus oder Diarrhö leidet. Bei uneindeutiger Symptomlage kann auch eine probatorische Therapie mit Pankreatin über vier bis sechs Wochen eingeleitet werden, heisst es weiter.
Gewichtszunahme als Erfolgskriterium
Das Ziel der Substitutionstherapie lautet: Malabsorption verringern und eine ausreichende orale Nährstoffversorgung ermöglichen – insbesondere auch mit fettlöslichen Vitaminen. Der Erfolg der Pankreatin-Therapie wird v.a. anhand klinischer Kriterien wie Gewichtszunahme, Vitaminstatus und Besserung der abdominellen Symptome beurteilt. Eine vollständige Normalisierung der Nährstoffdigestion und -absorption lässt sich laut Expertenstatement meist nicht erreichen. Um eine Verschlechterung des Ernährungszustands gezielt zu verhindern, empfiehlt die Leitlinie aber eine Ernährungsberatung.
Das Pankreatin-Präparat sollte während der Mahlzeiten eingenommen werden. Die Durchmischung des Enzyms mit dem Speisebrei gilt als Voraussetzung für die Wirksamkeit. Wird mehr als eine Kapsel bzw. Tablette pro Mahlzeit benötigt, kann die Einnahme im Verlauf des Essens (verteilt) erfolgen. Dosiert werden Pankreatinpräparate nach ihrer Lipaseaktivität.
Bei der Substitutionstherapie beginnt mit 20.000 bis 40.000 Einheiten pro Hauptmahlzeit als Einstiegsdosis. Zur Digestion kleinerer Zwischenmahlzeiten genügen ggf. 10 000 (bis 20 000) Einheiten. Lässt der Behandlungserfolg zu wünschen übrig, empfehlen die Leitlinienautoren, die Enzymdosis zu verdoppeln oder sogar zu verdreifachen. Und wenn das nicht hilft, kann Pankreatinpulver oder -granulat gemeinsam mit einem Säureinhibitor gegeben werden – möglicherweise zerstört Magensäure die Lipaseaktivität.
Vitamintabletten nehmen?
Bei Patienten mit chronischer Pankreatitis konnte durch die Fett-Malabsorption häufig reduzierte Spiegel an Vitaminen und Spurenelementen festgestellt werden, darunter die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K, sowie Kalzium, Magnesium, Zink, Thiamin und Folsäure. Eine gezielte Substitution von Vitaminen und Spurenelementen wird jedoch nur bei klinischen Mangelsymptomen empfohlen.
Achtung bei Diabetikern: Bessere Kohlenhydrataufnahme
Wird bei Diabetikern eine Pankreatintherapie initiiert, muss der Blutzucker vorübergehend engmaschiger kontrolliert werden. Durch die bessere Verdauung steigt u.a. auch die Kohlenhydrataufnahme – mit entsprechenden Konsequenzen. Was in der Praxis leider allzu häufig unterbleibt, ist eine adäquate Ernährungsberatung, moniert Prof. Layer: «Viele Kollegen glauben, es ist mit der Verordnung von Pankreasenzymen getan.»
Eine spezifische Pankreasdiät gibt es allerdings nicht. Vorrangig ist eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen, eine Katabolie muss vermieden werden. «Bei exokriner Pankreasinsuffizienz empfehlen Sie am besten normale isokalorische Wunschkost – eventuell verteilt auf vier bis sechs kleinere Mahlzeiten, so der Gastroenterologe.» Und bitte keine Fettbeschränkung, sondern achten Sie auf ausreichende Fettzufuhr, mahnt der Experte.
Reduktion der Fettmenge nur bei Therapieresistenz
Nur wenn der Patient trotz Substitution klinisch unter einer Fettmaldigestion leidet, kann die oral zugeführte Fettmenge je nach Verträglichkeit reduziert werden, heisst es in der Leitlinie. Zum Ausgleich sollte der Eiweiss- und Kohlenhydratanteil in der Kost erhöht werden. Bei fortgeschrittener exokriner Pankreasinsuffizienz sind ggf. zusätzliche Ernährungsmethoden (oral, enteral oder parenteral) erforderlich.
Enzyme vom Schwein für Moslems – wie vermitteln Sie das?
Muslime mit Pankreasinsuffizienz sollten Sie auf den porcinen Ursprung der Enzympräparate hinweisen. Taugliche Alternativen können Sie aktuell nicht anbieten. Doch die Bedenken Ihres Patienten lassen sich ausräumen: Auch bei Religionen, die das Essen von Schweinefleisch ablehnen, ist die Einnahme porciner Pankreasenzyme häufig erlaubt. Hier liefert Ihnen die Leitlinie sogar eine zitierfähige Stelle aus dem Koran (z.B. Sure 5, Vers 1).
Dieser Beitrag wurde am 27. Januar 2023 aktualisiert.
- 21. Gastroenterologie-Update-Seminar, 2013
- Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). S3-Leitlinie Pankreatitis. AWMF Registernummer 021-003, September 2021