Ohne Sportdrinks rennen Athleten schneller
Schwache Leistungen, Hitzschlag, Muskelkrämpfe – all das droht bei mangelnder Hydratation, so die heute gängigen Thesen. Nach einer Recherche des "British Medical Journal" sind die meisten dieser Empfehlungen eigentlich "industriegemacht".
Denn natürlich ist es mit reinem Wasser nicht getan, es müssen schon elektrolyt- bzw. kohlenhydrathaltige Lösungen sein, die Sportler konsumieren sollten. Und der einfache Durst gilt als schlechter Marker für die drohende Austrocknung, deshalb gibt es eine Flut von Ratschlägen, wann und wie viel Flüssigkeit nachgeladen werden muss.
Dehydratations-Gefahr weit überschätzt
Alles begann, als ein Nephrologe aus Florida Mitte der 1960er Jahre Wasser mit Natrium, Kaliumphosphat, Zucker und einem Hauch Zitronenaroma versetzte: Gatorade war geboren. Es sollte ein amerikanisches Footballteam – die Gators – vor den vermeintlichen Folgen der Dehydratation schützen. Von da an erlebte der Sportdrinkmarkt einen bis heute anhaltenden Boom.
Der Schlüssel dieses Erfolgs liegt in der cleveren Verknüpfung von Wissenschaft und Marketing, schreibt Deborah Cohen im BMJ. Die Hersteller spannten sich renommierte Forscher vor den Karren, gründeten wissenschaftliche Institute und veröffentlichten Empfehlungen, die aussehen wie akademische Unterlagen.
Beweise für die grosse Gefahr der Dehydratation gibt es eigentlich nicht und was den gerne angesprochenen Marathonläufer angeht, ist nach bisherigen Kenntnissen noch kein einziger von ihnen an den Folgen einer Austrocknung gestorben. Das "British Medical Journal" befragte deshalb Hersteller von Sportgetränken nach der Evidenz für ihre Empfehlungen, erhielt aber kaum Antwort. Und die vorgelegten Studien wiesen methodische und inhaltliche Schwächen auf.
Hyponatriämie kann für Sportler gefährlich werden
Die einzige Krankheit im Zusammenhang mit Flüsigskeitsaufnahme, die Sportlern nachweislich vermehrt droht, ist die Hyponatriämie. Diese Elektrolytentgleisung wurde bisher bei 1600 Läufern als kritisch eingestuft und forderte schon 16 Todesfälle. Über die Ursache dieser Hyponatriämien wird heftig diskutiert, besonders interessiert die Frage, ob Volumen generell oder die Art der Flüssigkeit für den Elektrolytmangel verantwortlich ist.
Die grösste prospektive Studie zu diesem Thema kommt zu dem Schluss, dass es keine Assoziation zwischen der Zusammensetzung von Getränken und der Hyponatriämie gibt. Die Menge ist der entscheidende Faktor. Das heisst, Sportmixgetränke bringen keinen Vorteil gegenüber reinem Wasser. Aber selbst Kinder in Schulen oder auf Sportplätzen werden inzwischen dazu angehalten, alle 15 bis 20 Minuten ihre Übungen zu unterbrechen und einen Sportdrink zu sich zu nehmen.
Kaloriengehalt schlägt auf die Hüften
Der verbreitete Genuss von Sportgetränken begünstigt zudem – in allen Altersklassen – die Gewichtszunahme. Denn ein halber Liter dieser Limonaden enthält bis zu 30 Gramm Zucker. Professor Dr. Tim Noakes von der Universität Kapstadt meint dazu: "Wenn Athleten Sportdrinks meiden, werden sie dünner und rennen schneller." Sein abschliessender Kommentar zum Thema Hydratation von Sportlern lautet daher: "Du verlierst Wasser, du wirst durstig, du trinkst – Ende der Geschichte."
Deborah Cohen, BMJ 2012; online first