Medical Tribune
29. Juni 2023Die Betazellfunktion zu bewahren schützt vor Rückfall und erneuter Manifestation

Typ-2-Diabetes: Remissionserhalt als realistisches Therapieziel?

Die Diagnose Typ-2-Diabetes lässt sich bei etlichen Menschen wieder umkehren. Ob diese Normalisierung des Stoff­wechsels von Dauer ist, hängt vom Zeitpunkt der Intervention, von einer nachhaltigen Lebensstiländerung und einer geeigneten Pharma­kotherapie ab.

Wie gut sich eine Remission beim Typ-2-Diabetes erhalten lässt, hängt vom Grad der Zerstörung der Beta-Zellen ab.
Ozgu Arslan/gettyimages

Wie gut sich eine Remission beim Typ-2-Diabetes erhalten lässt, hängt vom Grad der Zerstörung der Beta-Zellen ab.

Um das Ende einer Remission festzustellen, gelten dieselben Kriterien wie bei der erstmaligen Diagnose eines Typ-2-Diabetes. Darauf weist Professor Dr. Blandine Laferre vom Irving Medical Center an der Columbia University in New York hin (1).

Sprich: Wenn der HbA1c-Wert wieder auf über 6,5 Prozent steigt, erneut Diabetesmedikamente nötig sind, jegliche Blutzuckerwerte oberhalb von 11,1 mmol/l, Nüchternblutzuckerwerte höher als 7 mmol/l oder beim oralen Glukosetoleranztest nach zwei Stunden Werte von über 11,1 mmol/l gemessen werden, dann ist der Diabetes zurück. «Ein einziger dieser Marker reicht aus», betont sie.

Remissionsdauer variiert – es gibt keine Garantie

Ob und wie lange die Remission Bestand hat, variiert je nach Ausgangslage und Initialtherapie. Selbst eine kurzfristige intensive Insulin- oder Pharmakotherapie, ein bariatrischer Eingriff oder Änderungen der Lebensgewohnheiten sind kein Garant dafür, dass sich der Diabetes nicht erneut manifestiert.

So zitiert Prof. Laferre eine Metaanalyse aus dem Jahr 2013. Nach dieser weisen 30 Prozent der Patienten mit neu aufgetretenem Typ-2-Diabetes und HbA1c-Werten zwischen 9,7 und 11,9 Prozent, die über zwei bis drei Wochen nach der Diagnose eine intensive Insulintherapie erhalten hatten, ein Jahr später wieder Diabetessymptome auf (2). Auch eine initiale Therapie mit GLP1-Rezeptoragonisten (GLP1-RA) scheint die Remission trotz eines positiven Effekts auf die Betazellfunktion nur erhalten zu können. Denn die Glukosewerte steigen nach Ende der Therapie wieder an.

Verlust der Betazellfunktion ist wahrscheinlich ein zentraler prädiktiver Faktor

Bei bariatrischen Eingriffen hängt eine nachhaltige Remission wohl vor allem von der Behandlung vor der Operation ab. So kam es in einer Studie aus dem Jahr 2010 im Verlauf von fünf Jahren bei Personen mit einem Roux-en-Y-Magenbypass (Behandlung zuvor ausschliesslich mit einer Ernährungsumstellung), nur in 24 Prozent der Fälle zu einem Rezidiv. An zweiter Stelle folgen diejenigen, die vor der OP orale Antidiabetika einnahmen. 72 Prozent Rückfallquote waren es bei einer präoperativen Insulintherapie) (3).

Daten zur Rückfallquote liefert auch die LookAHEAD-Studie (4). Prädiktoren für die Remission sind demnach die Diabetesdauer, der HbA1c-Wert, Insulintherapie, Gewichtsverlust nach einem Jahr und verbesserte körperliche Fitness. «Leider wurde in der LookAHEAD-Studie die Betazellfunktion nicht untersucht», gibt Prof. Laferrere zu bedenken. Dabei ist der progressive Verlust der Betazellfunktion vermutlich ein zentraler prädiktiver Faktor.

Therapie auf den Erhalt der Betazellfunktion ausrichten

«Zu einem Rückfall kommt es, wenn die Betazellfunktion schon vor der Intervention nicht mehr gut war, wenn die Betazellfunktion mit der Zeit nachlässt oder wenn es zur Dedifferenzierung von Betazellen kommt», erklärt die Expertin. Eine Rückkehr des Typ-2-Diabetes lässt sich am ehesten verhindern, wenn die Menschen frühzeitig eine Behandlung erfahren, sie ihren Lebensstil nachhaltig verändern und sich Verlust der Beta­zellfunktion verhindern lässt.

Deshalb plädiert Prof. Laferre dafür, die Pharmakotherapie unmittelbar nach der Diagnose danach auszurichten, die Betazellfunktion möglichst lange zu erhalten. «Dafür müssen wir unsere Patientinnen und Patienten aber auch besser phänotypisieren», so die Referentin.