Medical Tribune
26. Juli 2023Hinter bestimmten Bewegungen stecken definierte Hauterkrankungen

Reiben, kratzen oder löffeln: Was das über die Haut aussagt

Reibt er, kratzt er oder löffelt er? Hinter Juckreiz können etliche dermatologische Krankheiten stecken. Um die potenzielle Ursache besser einordnen zu können, lohnt sich daher der Blick auf die Art und Weise, wie der Patient auf den Pruritus reagiert.

Ob Patienten sich reiben, kratzen oder löffeln hängt von der Art der Hauterkrankung ab.
Eik Scott/gettyimages

Je nachdem, wie ein Pruritus­-Patient seine juckenden Hautstellen traktiert, liegt eher die eine oder die andere Hauterkrankung vor, erklärt Professor Dr. Thomas Dirschka von der Centroderm Klinik Wuppertal (1).

«Ein Urtikaria-Patient kratzt nicht»

Reiben oder drücken ist dabei als Hinweis auf ein urtikarielles Exanthem (Abb. 1), etwa im Rahmen einer Urtikaria, zu werten. «Ein Urtikaria-Patient kratzt nicht.» Behandelt wird die akute Urtikaria dann mit einem Antihistaminikum, das viermal am Tag eingenommen wird. Für welches Präparat man sich entscheidet, ist nach Aussage von Prof. Dirschka relativ egal. Bei chronischer Urtikaria lässt sich z.B. erfolgreich der IgE-Antikörper Omalizumab einsetzen.

Urtikarielles Exanthem
wikimedia

Abb. 1: Eine Urtikaria kann u.a. durch Infekte, Arzneimittel und Allergien ausgelöst werden oder idiopathisch sein.

Eine Urtikaria kann auch die frühe Manifestation eines bullösen Pemphigoids sein. Charakteristisch für diese chronische Autoimmun­erkrankung mit Antikörperbildung gegen Basalmembran sind schwerste Juckreiz-Attacken. Besteht der Verdacht auf diese Erkrankung, kann man eine Histologie mit Immunfluoreszenz­-Testung veranlassen und die zirkulierenden Autoantikörper im Serum nachweisen.

Weniger duschen, mehr cremen

Ekzematiker kratzen sich. Häufigster Anlass ist laut Prof. Dirschka ein Exsikkationsekzem, das vor allem ältere Menschen entwickeln. Durch häufiges Duschen, schäumende Reinigungsprodukte und Unterlassen des Nachfettens fehlt es in der Epidermis an Natural Moisturizing Factor. Es kommt zu oberflächlichen Einrissen, die mitunter ein netzartiges Mus­ter bilden (Craquelémuster, Abb. 2). Für den Juckreiz verantwortlich sind proinflammatorische Zytokine, die dann freigesetzt werden.

Exsikkationsekzem
Science Photo Library/Science Source/DermPics

Abb. 2: Für das Exsikkationsekzem ist das Craquelémuster typisch.  

Patienten einem Ekzem sollte man hinsichtlich der Hautpflege beraten und ihnen eine harnstoffhaltige Lipo­lotion verordnen, rät Prof. Dirschka: «Weniger duschen, mehr cremen!»

Gar nicht so wenige ältere Menschen, vor allem Männer, zeigen am Stamm kleine juckende Papeln. Dabei handelt es sich um eine transitorisch-akantholytische Dermatose, auch Morbus Grover genannt (Abb. 3). Sie wird häufig gar nicht erkannt, kon­statiert der Dermatologe. Auch hier ist Kratzen typisch.

Wodurch die Veränderungen entstehen, weiss man aber nicht genau, womöglich sind sie infektallergisch bedingt. Nach einigen Monaten verschwinden die Knötchen im Normalfall wieder. In der Zwischenzeit sollte sich der Patient mit einer harnstoffhaltigen Lotion eincremen.

Männlicher Oberkörper mit Morbus Grover
wikimedia commons/Tvbanfiled

Abb. 3: Der Morbus Grover wird häufig verkannt.

Topisches Permethrin bei der Skabies

Heftig gekratzt wird auch bei der Skabies. Der Befall mit Milben lässt sich dabei in der Auflichtmikro­skopie durch den Nachweis des sogenannten Drachenfliegers am Ende des Milbengangs erkennen. Damit gemeint ist der Chitin-Panzer im Nacken der Milbe, der die Form eines kleinen dunklen Dreiecks hat (Abb. 4).

Die Therapie erfolgt mit topischem Permethrin. Zweimal im Abstand von 7–10 Tagen cremt sich der Patient am ganzen Körper ein. Das Gesicht bleibt in der Regel ausgenommen, denn nur bei HIV-Patienten und schwer Immunkompromittierten breiten sich die Parasiten bis dorthin aus.

Skabies
wikimedia commons/MichaelBeckHGW

Abb. 4: Zu Juckreiz führt auch die Skabies. Den Befall mit Milben erkennt man in der Auflichtmikroskopie durch den Nachweis des «Drachenfliegers» am Ende des Milbengangs. Damit gemeint ist der Chitin-Panzer im Nacken der Milbe, der die Form eines dunklen Dreiecks hat

Provoziert durch die Milbenreste es trotz Therapie noch Wochen bis Monate dauern, bis Patienten nicht mehr kratzen. Zum Teil wandeln sich die Läsionen in Granulome um. In diesen Fällen werden topische Steroide (z.B. Prednisolon, Prednicarbat) gegeben. Für die Ganzkörpertherapie reicht allerdings keine kleine Tube, eventuell muss man sogar sys­temisch behandeln.

Pruriginöse Exantheme: Löffeln typisch

Bei pruriginösen, knötchenartigen Exanthemen löffeln die Betroffenen die Läsionen sozusagen raus, bis es blutet. Der Juckreiz ist anschlies­send verschwunden. Bisher behandelt man pruriginöse Ekzeme mit lokalen Steroiden oder Calcineurin­inhibitoren und in schweren Fällen mit zentral wirksamen Substanzen, etwa Gabapentin 3 x 300 mg/d oder Pregabalin 75–225 mg/d.

Hoffnung für schwer Betroffene besteht jedoch bald durch die Entwicklung des Interleukin-31-Rezeptorantagonisten Nemolizumab. Prof. Dirschka: «Er wirkt exzellent, schon nach einer Gabe hört die Juckerei auf, die Knoten heilen ab.»