Medical Tribune
28. Apr. 2024Die infektiöse Konjunktivitis hat eine hohe Spontanheilungsrate

Bindehautentzündung: Drei Tage warten bis zum Antibiotikum

Die Bindehautentzündung (Konjunktivitis) zählt zu den häufigsten Augenerkrankungen. Sie kann durch Viren, Bakterien, Allergien oder Reizungen verursacht werden. Die Behandlungsmöglichkeiten reichen von der Symptomlinderung bis zur Antibiotika-Therapie.

Bei einer Konjunktivitis greift man oft zu schnell zu antibiotischen Tropfen oder Salben.
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Bei einer Konjunktivitis greift man oft zu schnell zu antibiotischen Tropfen oder Salben.

Die Konjunktiva (Bindehaut) ist ein durchscheinendes Häutchen, das den sichtbaren Teil der Lederhaut (Sklera) bedeckt und die Augenlider auskleidet.

Entzündungen der Bindehaut (Konjunktivitis) sind keine Seltenheit – sie machen den Hauptgrund aller augenärztlichen Konsultationen in der Hausarztpraxis aus, wie eine aktuelle Übersichtsarbeit berichtet (1).

Auslöser und Symptome einer Bindehautentzündung

Eine Bindehautentzündung kann prinzipiell durch

  • Infektionen (mit Viren, Bakterien oder Pilzen)
  • Allergien, oder
  • Irritationen wie Rauch, Staub, Augentropfen oder Zugluft ausgelöst werden (Reizkonjunktivitis).

Die Entzündung macht sich dabei durch folgende Symptome bemerkbar:

  • Anschwellen des Augenlids
  • Rötung der Augen, insbesondere der Bindehäute
  • Fremdkörpergefühl
  • Lichtempfindlichkeit (Photophobie)
  • Jucken oder Brennen, sowie
  • Vermehrte Sekretion

Mögliche Differenzialdiagnosen einer Konjunktivitis

Unter anderem auf diese möglichen schweren Differenzialdiagnosen sollten Sie bei «roten Augen» achten:

  • Uveitis
  • Endophthalmitis
  • Skleritis
  • Keratitis
  • Engwinkelglaukom
  • Zellulitis

Alarmzeichen sollten starke Schmerzen, Visusverlust, schmerzhafte Pupillenreaktionen, Anisokorie (ungleiche Pupillengrösse) und orbitale Anzeichen sein, die für andere Ursachen als eine Bindehautentzündung sprechen, und möglicherweise Lebens- oder Visusbedrohende Konsequenzen haben können.

In seltenen Fällen können Bindehautentzündungen auch ein Anzeichen für eine systemische Erkrankung sein (z.B. Stevens-Johnson-Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse, Vitamin-A-Mangel, angeborene Stoffwechselsyndrome wie das Richner-Hanhart-Syndrom oder Porphyrie).

Andere, weniger dramatische Differenzialdiagnosen können auch die Keratokonjunktivitis sicca («trockene Augen»), eine Blepharitis (Entzündung des Lidrandes) oder ein Hagelkorn (Chalazion) bzw. Gerstenkorn (Hordeolum) sein.

Infektiöse Bindehautentzündungen

Auf eine infektiöse Bindehautentzündung weisen unter anderem ein plötzlicher Beginn und eine Symptomdauer von weniger als vier Wochen hin (2).

Hinter einer infektiösen Konjunktivitis bei Erwachsenen stecken in den allermeisten Fällen Viren. Bei Kindern ist das anders: Bis zu 70 Prozent der Bindehautentzündungen sind bei ihnen bakteriell bedingt.

Sowohl virale als auch bakterielle Bindehautentzündungen heilen in der Regel folgenlos ab. Bei lang andauernden Verläufen mit Beteiligung der Hornhaut (Kornea) sollte jedoch der Augenarzt konsulitert werden, um Schäden an Gesundheit und Sehvermögen zu vermeiden.

Kontaktlinsen begünstigen die irritative und infektiöse Konjunktivitis

Träger von Kontaktlinsen sind häufiger von einer Konjunktivitis betroffen. Ablagerungen auf der Oberfläche der Kontaktlinse können die Bindehaut etwa mechanisch reizen.

Das Hantieren mit den Kontaktlinsen erhöht zudem das Risiko für eine infektiöse Bindehautentzündung.

Die virale Konjunktivitis

Typisch für die virale Konjunktivitis (englisch «rotes Auge», pink eye) ist eine wässrige Sekretion. Diese ist jedoch kein sicheres Anzeichen: rund ein Viertel der Betroffenen mit bakteriell bedingten Bindehautentzündungen weisen ebenfalls wässrige Sekrete auf (1).

Etwas mehr für eine virale Ursache spricht, wenn das betroffene Auge stark juckt und der Patient bereits in der Vorgeschichte unter zumindest einer Bindehautentzündung litt (2).

Bei der viralen Konjunktivitis treten häufig wässrige Sekrete auf.
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Bei der viralen Konjunktivitis treten häufig wässrige Sekrete auf. Ein sicheres Zeichen für eine virale Ursache sind sie allerdings nicht.

Oft tritt eine virale Bindehautentzündung in Verbindung mit einem grippalen Infekt auf. Häufige Begleitsymptome sind daher etwa Halsschmerzen, Schnupfen oder Fieber. Für eine virale Ursache eine Bindehautentzündung spricht auch ein Anschwellen der Lymphknoten vor dem Ohr (präaurikuläre Lymphadenopathie).

Die virale Konjunktivitis ist häufig stark infektiös. Hatte der Patient in den Tagen vor Symptombeginn Kontakt mit einem Erwachsenen mit Konjunktivitis (bzw. «roten Augen»), ist eine virale Ursache plausibel.

Hygienemassnahmen dringend erforderlich

Bis zu 90 Prozent der viralen Konjunktivitiden werden von Adenoviren verursacht. Weitere Viren, bei denen eine Beteiligung der Bindehäute bekannt ist, sind aber beispielsweise auch:

  • Herpes simplex (HSV)
  • Varizella zoster (VZV)
  • Enteroviren
  • SARS-CoV-2

Eine schwere und hochinfektiöse Ausprägung der Adenoviren-Konjunktivitis ist die epidemische Keratokonjuntivitis, bei der auch die Hornhaut (Kornea) beteiligt ist. Typische Symptome sind Schmerzen und eine starke Rötung und Tränen des Auges, sowie verschwommenes und teils verschlechtertes Sehen. Diese können oft monatelang anhalten.

Bei allen infektiösen Konjunktivitiden, und insbesondere der epidemischen Keratokonjunktivitis, empfehlen sich strenge Hygienemassnahmen (z.B. getrenntes Handtuch, gute Handhygiene, nicht schwimmen gehen, kein Besuch von Betreuungseinrichtungen bzw. Arbeitsstätten), um weitere Ansteckungen zu vermeiden.

Behandelt wird die virale Bindehautentzündung symptomatisch: Dazu gehört etwa die Anwendung von befeuchtenden Augentropfen («künstliche Tränen"), kalte Kompressen, und gegebenenfalls Augentropfen mit Antihistaminika. Antibiotikagaben sind nutzlos und treiben einerseits die zunehmende Resistenzentwicklung voran, und können zu die Virusinfektion bei unilateralem Befall zudem ins andere Auge verschleppen (2).

Verhalten bei infektiöser Bindehautentzündung

  • Gute Handhygiene
  • Handtücher etc. nicht gemeinsam nutzen
  • Feuchte Kompressen zur Entfernung von Sekret (mit Wasser, Kochsalzlösung bzw. Augentrost-, Salbei- oder Ringelblumentee . Kamillentee reizt die Augen zusätzlich und enthält häufig Kontaktallergene)
  • Augentropfen «künstliche Tränen» zur Befeuchtung
  • Mögliche Reizungs- und (Re-) Infektionsmöglichkeiten (z.B. Augenreiben, Make-up, Kontaktlinsen, Zugluft, Staub) vermeiden

Die bakterielle Konjunktivitis

Bakterielle Bindehautentzündungen treten meist bei Kindern auf, bei denen mehr als 70 Prozent der infektiösen Bindehautentzündungen bakteriell bedingt sind (20 Prozent bei Erwachsenen).

Hinter eitrigen Bindehautentzündungen stecken oft bakterielle Infektionen.
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Hinter eitrigen Bindehautentzündungen stecken oft Bakterien.

Typisch für eine bakterielle Konjunktivitis sind eitrige Sekretionen im Auge, sowie das Vorhandensein von morgendlichen Verkrustungen auf den Wimpern. Diese Symptome können aber auch bei einer viralen Übertragung vorhanden sein – ein sicheres Zeichen sind sie also nicht (2).

Die häufigsten bakteriellen Erreger sind:

  • Staphylococcus aureus
  • Streptococcus pneumoniae
  • Hemophilus influenzae, und
  • Moraxella catarrhalis.

Selten können auch sexuell übertragbare Krankheiten wie die Gonorrhö (Erreger Neisseria gonorrhoeae, «Gonokokken»), sowie Chlamydien (Chlamydia trachomatis) die Bindehäute befallen (z.B. Neugeborene). Eine Konjunktivitis mit diesen Erregern muss konsequent mit der richtigen Antibiose behandelt werden – bei Verdacht sollte also der Augenarzt hinzugezogen werden.

Auch bei der bakteriellen Bindehautentzündung ist eine gute Hygiene nötig, um die Übertragung auf Andere zu verhindern. Meist werden die Erreger über direkten Kontakt mit einem Infizierten, über die Hände, oder über eine kontaminierte Oberfläche übertragen.

Erfordert die bakterielle Bindehautentzündung immer ein Antibiotikum?

Aufgrund der zunehmenden Resistenzentwicklung warnte die deutsche ophthalmologische Gesellschaft (DOG) bereits 2012 davor, vorschnell Antibiotika zu verordnen (4). Die meisten bakteriellen Bindehautentzündungen heilen auch ohne Behandlung innerhalb von rund einer Woche von selbst aus. Die DOG empfiehlt Patienten daher, drei Tage zuzuwarten, und erst einen Arzt zu konsultieren, wenn die Symptome bis dahin nicht besser geworden sind.

Wissenschaftliche Arbeiten zeigen zudem, dass Antibiotika zwar die Dauer der Bindehautentzündung im Vergleich zu einem Placebo verkürzen können. Die Antibiotika waren jedoch kaum besser darin, eine Infektion zu beseitigen (5).

Auch bei Kindern empfiehlt unter anderem die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie den Gebrauch von Antibiotika nur nach strenger Indikationsstellung (6). Hintergrund ist, dass ungünstige Effekte von antibiotischen Augentropfen oder -salben auf die nasopharyngeale Flora nicht auszuschliessen sind.

Antibiotische Behandlung

Ist eine Antibiotika-Therapie erforderlich, werden in der Regel antibiotische Augentropfen oder Salben angewendet – und das üblicherweise an beiden Augen, auch wenn nur ein Auge betroffen ist.

Die erste Wahl stellt bei Erwachsenen Gentamycin, Tobramycin und Azithromycin dar Fluorquinolone wie Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin oder Ofloxacin sollten hingegen Fällen mit schwereren Krankheitsverläufen vorbehalten bleiben (7).

Für Neugeborene ist Moxifloxacin das Mittel der Wahl. Bei Kindern ab dem zweiten Lebensjahr hat sich Azithromycin 1 % bewährt. Dieses ist dabei vor allem wegen seiner einfachen Anwendung geeignet (2x täglich über 3 Tage).

Die allergische Konjunktivitis

Eine allergische Konjunktivitis präsentiert sich meist durch eine starke Schwellung der Bindehäute (Chemosis), sowie einer Rötung, bei fehlender signifikanter Hornhautbeteiligung.

Für eine allergische Konjunktivitis spricht, wenn die Symptome rezidivieren oder chronisch anhalten (2).

Am häufigsten sind dabei die saisonale und die ganzjährige (perenniale) allergische Konjunktivitis, unter der rund 15-20 Prozent der Population leidet. Es handelt sich dabei um eine IgE-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktion, an der Mastzellaktivierung einschliesslich Histamin, Prostaglandin und Leukotrien-Freisetzung beteiligt sind.  

Die saisonale allergische Konjunktivitis wird meist durch den Kontakt mit Schimmelpilzen bzw. Pollen von Bäumen und Gräsern hervorgerufen. Die perenniale Konjunktivitis tritt das gesamte Jahr hindurch auf – Verursacher sind meist Tierhaare, Staubmilben oder Daunenfedern.

Eine schwerwiegendere Form der allergischen Bindehautentzündung ist die atopische Keratokonjunktivitis, eine chronische allergische Erkrankung der Augenlider, der Hornhaut und der Bindehaut, die meist in Verbindung mit einer atopischen Dermatitis auftritt. Die atopische Keratokonjunktivitis manifestiert sich zumeist auf beiden Augen durch stark tränende Augen (Epiphora), sowie Juckreiz, Rötung und Sehstörungen. Typisch sind auch Ödeme, Lichenifikation und Fehlstellungen der Augenlider.

Eine ähnliche schwere Manifestation sieht man auch bei Kontaktallergien des Auges auf bekannte Kontaktallergene wie Gift-Efeu, Gifteiche, Neomycin, Nickel, und Latex.

Therapie der allergischen Konjunktivitis

Bei vielen allergischen Formen der Konjunktivitis ist zunächst das Meiden eines Allergens unerlässlich. Zusätzlich können Augentropfen («künstliche Tränen») angewendet werden, um die Barrierefunktion des Auges zu stärken, Allergene zu verdünnen, und Entzündungsmediatoren von der Augenoberfläche zu entfernen.

Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind befeuchtende Augentropfen, topische Antihistaminika und Mastzellstabilisatoren, die oft auch kombiniert in Tropfenform verfügbar sind. Sind neben den Bindehäuten noch andere Teile des Auges betroffen, kommen auch orale Antihistaminika zur Anwendung. Steroide sollten hingegen nur bei Patienten mit schwereren Verlaufsformen Anwendung finden.

Für Fälle allergischer Bindehautentzündung, bei der das Allergen bekannt ist, bietet sich zudem die allergen-spezifische Immuntherapie an, die heute meist in Form sublingualer Allergen-Gaben (sublinguale Immuntherapie, SLIT) durchgeführt wird. In Studien konnte diese die Symptome der allergischen Rhinokonjunktivitis deutlich verbessern.