Medical Tribune
23. Apr. 2024Zehn Prozent haben charakteristisches Autoantikörper-Muster

MS-Früherkennung: Signatur im Blut schon Jahre vor Symptombeginn

Eine Studie findet eine typische Antikörper-Signatur bei rund 10 Prozent der Menschen, die Jahre später eine Multiple Sklerose (MS) entwickeln. Das könnte dazu beitragen, dass eines Tages eine Früherkennung für bestimmte Typen von MS möglich sein wird.

10 Prozent der MS-Betroffenen wiesen in einer Studie eine spezifische Autoantikörper-Signatur auf.
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In der Veröffentlichung im Journal Nature Medicine konnten Forscher zeigen, dass zehn Prozent der Erkrankten mit Multipler Sklerose (MS) eine gemeinsame Antikörper-Signatur aufweisen, die bereits Jahre vor den ersten Symptomen im Blut vorhanden ist.

Die gefundenen Autoantikörper zeigen, dass Autoantikörper und möglicherweise Infektionen bei der MS-Pathogenese eine entscheidende Rolle spielen. Bis zu einer richtigen MS-Früherkennung ist es aber laut Experten noch ein weiter Weg.

Anzeichen einer MS bereits vor Krankheitsausbruch im Serum vorhanden?

Schon die Diagnostik einer MS gestaltet sich oft schwierig und langwierig. Die Früherkennung der Erkrankung steckt daher noch in den Kinderschuhen.

Ein internationales Forscherteam untersuchte nun, ob Menschen, die später eine MS entwickeln, schon davor Anzeichen für die Autoimmunerkrankung aufweisen. Dazu analysierten sie systematisch die Sera von über 10 Millionen Personen aus einer Biobank des US- Verteidigungsministeriums, dem Department of Defense Serum Repository (DoDSR).

Bei insgesamt 250 der eingeschlossenen Personen lag eine diagnostizierte MS vor. Den Forschern standen dabei Sera der Betroffenen von durchschnittlich fünf Jahren vor, sowie durchschnittlich einem Jahr nach der Diagnose zur Verfügung. Diese verglichen sie mit Sera von 250 gesunden Kontrollpersonen, die ein vergleichbares Alter, Geschlecht, Ethnizität und Zeitpunkt der Blutabnahmen hatten.

Signatur liegt bei rund 10 Prozent der MS-Patienten vor

Die Forscher untersuchten dabei die gesamten Serumproteine mittels eines Peptid-Assays nach Autoantikörpern. Um herauszufinden, ob es dabei ein MS-spezifisches Muster gab, zogen sie ausserdem Machine-Learning-Algorithmen heran.

Sie ergaben, dass bei rund zehn Prozent der MS-Erkrankten eine solche Autoantikörper-Signatur vorlag. Diese war dabei sowohl in den Jahren vor dem Auftreten der ersten MS-Symptome, als auch nach Diagnose der Erkrankung nachweisbar.

Bestätigt wurden diese Ergebnisse in einer separaten Kohorte an MS-Erkrankten, bei denen wiederum 10 Prozent der Betroffenen die Signatur zeigten. Bei ihnen konnten die Autoantikörper zudem auch im Liquor nachgewiesen werden. Eine weitere Kohorte mit Betroffenen anderer neurologischer Erkrankungen zeigte das Antikörpermuster ausserdem nur selten. Das spricht für die Spezifität der Signatur.

Anzeichen für neuroaxonale Schädigung bereits vor Ausbruch der Erkrankung

In dem Antikörpermuster vorhanden waren dabei unter anderem Autoantikörper, die sich auch gegen Motive aus mehreren Infektionserregern, darunter zwei Proteine des Epstein-Barr-Virus, richten können. Das legt für die Autoren nahe, dass einer oder mehrerer dieser Erreger an der Bildung von Autoantikörpern beteiligt sein könnten, etwa über eine «Molekulare Mimikry».

In der Studie verfügten Patienten, die die Signatur aufwiesen, zudem öfter auch über erhöhte Spiegel an dem Biomarker Serum-Neurofilament-Light (sNfL). Dieser wird schon jetzt zur MS-Diagnosestellung genutzt, und ist im Serum vieler MS-Patienten vorhanden.

sNfL ist jedoch nicht spezifisch für die MS, sondern kann auch auf andere neuronale Erkrankungen hinweisen, darunter die Alzheimer-Krankheit oder die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).

Für die Studienautoren weist das Vorhandensein von sNfL vor Beginn der MS-Symptome darauf hin, dass möglicherweise bereits in dieser «Prodromalphase» neuroaxonale Schäaden bei Betroffenen vorhanden sind.

Weitere Studien erforderlich

Grundsätzlich liesse sich die Antikörpersignatur nutzen, um zumindest einige Patienten mit MS-Risiko vor dem Ausbruch der Erkrankung zu identifizieren, so Prof. Dr. Bernhard Hemmer, Direktor der Klinik für Neurologie, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.

Für den Experten sind jedoch davor weitere Studien unbedingt notwendig, um die Spezifität der Signatur bei MS-Erkrankten zu bestätigen. Denn davon, wie viele Gesunde oder Personen mit anderen neurologischen Erkrankungen diese ebenfalls aufweisen, werde es abhängen, ob der Test jemals klinisch eingesetzt wird.

Interessant sei dieser dann aber wahrscheinlich für Personen mit hohem Risiko, wie Verwandte ersten Grades von MS-Betroffenen. In zukünftigen Studien müsste dann auch noch geklärt werden, ob der Ausbruch der Krankheit bei Personen mit positivem Test mittels Medikamenten sowie Modifikationen von Lebensstil und Umweltfaktoren verhindert oder verzögert werden kann.