Medical Tribune
23. Okt. 2023Gezielt einsetzen, gezielt vermeiden

Was bringt Cannabis? Das sagt die Wissenschaft.

Welche Risiken birgt der Konsum von Cannabis und wann ist ein medizinischer Einsatz Erfolg versprechend? Um diese Fragen zu beantworten, haben Forscher die Evidenz aus 101 Meta­analysen unter die Lupe genommen.

Eine Übersichtsarbeit hat 101 Metastudien zum medizinischen Gebrauch von Cannabis überprüft.
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Cannabis-Konsum kann die psychische Gesundheit beeinträchtigen.

Eine Vielzahl an medizinischen Studien hat die (positiven und negativen) gesundheitlichen Auswirkungen von Cannabinoiden bei verschiedenen Indikationen zum Thema gemacht.

Kanadische Wissenschaftler überprüften nun in einer neuen Arbeit im British Medical Journal (1), wie es um Glaubwürdigkeit und Kohärenz der jeweiligen Ergebnisse steht.

Risiken für Psyche, Schwangerschaft und Fahrtauglichkeit

Rund die Hälfte der in ihre Studie eingeschlossenen Metaanalysen basierte auf Beobachtungsstudien (n = 50), während sich die andere Hälfte auf randomisierte kontrollierte Studien (n = 51) bezog. Die Auswertung der Daten ergab, dass der Gebrauch von Cannabis, Cannabinoiden und Cannabis-basierten Arzneimitteln einerseits mit positiven Auswirkungen bei ganz verschiedenen Krankheitsbildern einhergeht, andererseits aber Risiken birgt.

In Hinblick auf die Risiken gibt es nach Ansicht der Autoren überzeugende und übereinstimmende Belege dafür, dass Cannabis-Konsum mit Verschlechterungen der psychischen Gesundheit und der Kognition assoziiert ist.

Darüber hinaus soll Cannabis das Risiko von Autounfällen erhöhen und bei Konsum in der Schwangerschaft potenziell schädliche Auswirkungen auf den Nachwuchs haben. Die Autoren raten deshalb dazu, Cannabis-Konsum bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, deren Gehirnentwicklung noch in vollem Gange ist, sowie bei schwangeren Frauen und Autofahrern zu vermeiden.

Schmerzen bei MS als mögliche Indikation

Auf der anderen Seite erachten die Wissenschaftler Cannabidiol als potenzielle Behandlungsoption bei Epilepsie in allen Altersgruppen. Die Substanz scheint bei Epileptikern zudem zwar hinsichtlich psychiatrischer Symptome sicher zu sein. Bevor man den Einsatz bei psychiatrischen Störungen in Erwägung zieht, seien jedoch weitere Forschungsarbeiten nötig.

Ausserdem könnten nach Einschätzung der Autoren Cannabis-basierte Arzneimittel zur Behandlung chronischer Schmerzen verschiedener Ursachen in Betracht gezogen werden. Mögliche Indikationen wären demnach unter anderem

  • Schmerzen im Rahmen einer Multiplen Sklerose
  • Spastizität bei Multipler Sklerose
  • Übelkeit und Erbrechen bei Patienten mit verschiedenen Krankheitsbildern, sowie
  • Schlafstörungen bei Krebs-Patienten.

Darüber hinaus können Cannabinoide effektiv sein bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und in der Palliativmedizin.

Keine Empfehlung für Cannabis ohne entsprechende Patientenschulung

Bevor Cannabis, Cannabinoide und Cannabis-basierte Arzneimittel in die entsprechenden Leitlinien aufgenommen werden, gilt es nach Meinung der Autoren, verschiedene Aspekte mit klinischer Relevanz zu klären.

So sollte unter anderem ein Vergleich von Wirksamkeit und Sicherheit mit bestehenden Behandlungsmöglichkeiten erfolgen. Ausserdem wäre die Ausarbeitung von Patienteninformationen über mögliche unerwünschte Wirkungen sinnvoll.