Medical Tribune
5. Sept. 2023Serumnatriumkonzentration langsam steigern

Hyponatriämie: Wie wird behandelt?

Die Hyponatriämie ist die häufigste Elektrolytstörung. Dabei reicht das Beschwerdebild von unspezifischen milden Symptomen bis hin zur Somnolenz mit Koma und Tod als Extremausprägung. Aktuelle Behandlungsempfehlungen zur Schnelligkeit der Korrektur orientieren sich daran, wie mögliche Schäden abgewendet werden können. Dieses vorsichtige Vorgehen ist unter Experten umstritten.

Eine symptomatische Hyponatriämie kann schwere Schäden im Gehirn anrichten.
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Fachliche Redaktion: Prof. Dr. Mirjam Christ-Crain, stellvertretende Leiterin der Abteilung für Endokrinologie, Universitätsspital Basel

Eine Hyponatriämie, definiert als ein Serum-Natrium-Wert von < 135 mmol/L, ist eine der häufigsten Elektrolytstörungen. Ein Serumwert von < 125 mmol/L gilt dabei als schwere Hyponatriämie.

Meistens, aber nicht nur bei chronisch Kranken oder Hospitalisierten

Eine Hyponatriämie tritt besonders bei chronisch kranken oder hospitalisierten Patienten häufig auf. Sie liegt bei rund einem Drittel der Patienten auf der Intensivstation vor (1). Dabei ist sie mit einer erhöhten Mortalität und Krankenhausverweildauer bei hospitalisierten Patienten assoziiert, und sollte daher also auch behandelt werden (1,2). Tatsächlich fehlen jedoch bislang Interventionsstudien, die zeigen, dass eine Behandlung die Mortalität reduziert.

Da hinter der klinischen Ausprägung einer Hyponatriämie viele unterschiedliche Ursachen stecken können, können fast alle Altersgruppen mit und ohne chronische Erkrankungen betroffen sein. So kann eine niedrige Serum-Natrium-Konzentration auch etwa infolge

  • eines akuten oder chronischen Infektionsgeschehens (Pneumonie, AIDS, Covid-19)
  • sportlicher Anstrengung in Verbindung mit dem Trinken hoher Wassermengen
  • akutem Erbrechen, oder einer
  • Herzinsuffizienz

entstehen.

Welche Symptome können bei einer Hyponatriämie auftreten?

Ob und wie schwer die Symptome sind, die eine Hyponatriämie auslöst, ist je Patient unterschiedlich, und wird massgeblich dadurch bestimmt, wie schnell sich die Hyponatriämie entwickelt. Das Beschwerdebild reicht dabei von leichten und unspezifischen (bei sich langsam entwickelnder Hyponatriämie), bis hin zu schweren und lebensbedrohlichen Symptomen (bei akuter, sich schnell entwickelnder Hyponatriämie). Schwere Symptome, wie sie im Zuge einer akuten hypotonen Hyponatriämie auftreten, sind meist durch ein Hirnödem und den dadurch ansteigenden intrakraniellen Druck verursacht (siehe Kasten).

Hirnödem durch plötzliche Hyponatriämie

Hirnödeme entstehen bei der akuten hypotonen Hyponatriämie dadurch, dass bei einem plötzlichen relativen Natrium-Mangel im Serum der Elektrolytausgleich des Extrazellulärraums mit dem Zellinneren nicht mehr funktioniert (3). Denn Natrium ist der Haupt-Elektrolyt im Serum; fällt seine Konzentration im Extrazellulärraum, bleibt die intrazelluläre Konzentration an osmotisch wirksamen Substanzen im ersten Moment nahezu gleich. Durch diesen Konzentrationsunterschied strömt passiv Wasser in die Zellen, und diese schwellen an.

Kritisch ist das vor allem beim Anschwellen des Gehirns, das nur sehr begrenzt Platz hat, sich auszudehnen. Vor allem durch Anschwellen des Hirnstammes und den damit ansteigenden Hirndruck entwickeln sich typische schwere Symptome einer schweren akuten Hyponatriämie.

Klassifikation nach Symptomschwere

Je nach Geschwindigkeit, mit der sich die Hyponatriämie entwickelt, kann dies kann zu keinen, milden, mittelschweren oder schweren Symptomen führen.

Zu den mittelschweren Symptomen gehören

  • Verwirrung/Desorientierung
  • Übelkeit ohne Erbrechen, und
  • Kopfschmerzen.

Eine schwere Symptomausprägung kann sich äussern durch

  • Erbrechen
  • Somnolenz,
  • Krampfanfälle, und
  • Koma.

Diagnose und Klassifikation einer Hyponatriämie

Die Einteilung der Hyponatriämien richtet sich nach der üblichen Kapazität des Elektrolythaushaltes, den Natrium (Na+)-Wert im Normalfall innerhalb von 48 Stunden auszugleichen. Tritt eine Hyponatriämie innerhalb von 48 Stunden plötzlich auf, handelt es sich daher um eine akute Hyponatriämie. Dauert sie (mutmasslich) bereits länger als 48 Stunden an, wird sie als chronisch bezeichnet.

Diagnostiziert wird die Hyponatriämie in erster Linie durch eine Bestimmung der Natrium-Konzentration im Serum im Zusammenhang mit dem Hydratationszustand.

Meistens entsteht eine Hyponatriämie indirekt über einen Wasserüberschuss oder, seltener, einen Natriumverlust, bei dem die Serumosmolalität des Blutes meist erniedrigt ist (hypotone Hyponatriämie). Seltener ist die Serum-Osmolalität erhöht (hypertone Hyponatriämie). Die hypertone Form entsteht meist dadurch, dass die Konzentration anderer osmotisch wirksamer Substanzen im Blut zugenommen hat (z.B. Hyperglykämie, oder infolge zugeführter Osmodiuretika wie Mannitol, Glycin oder Sorbitol).

Hypovoläme / Euvoläme Hyponatriämie, SIADH

Klassifiziert wird die Hyponatriämie auch mit dem Volumenstatus.

  • Bei der hypervolämen Form ist das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen erhöht (möglicher Grund dafür ist eine Herzinsuffizienz).
  • Bei der hypovolämen Form gibt es hingegen ein Defizit an Wasser und Natrium, bei dem das Natrium-Defizit überwiegt. Typische Ursachen sind Erbrechen, Durchfall, oder eine ausgeprägte Verbrennung.
  • Bei der euvolämen Form muss man insbesondere zwischen der primären Polydipsie, einer sekundären Nebenniereninsuffizienz und dem Syndrom der inadäquaten Antidiurese (SIADH) unterscheiden. Dieses kann diverse Ursachen haben, unter anderem Medikamente oder eine Infektion, aber auch bestimmte Tumore (v.a. das kleinzellige Lungenkarzinom) oder allgemein starke Übelkeit und Schmerzen können ein SIADH induzieren.

Zu einer korrekten spezifischen Diagnostik gehört also neben dem Serumnatrium auch die Serumosmolarität, Urinosmolarität, die Bestimmung des Volumenstatus (des extrazellulären Volumens, wobei dies klinisch sehr schwierig ist) und die Urin-Natrium-Konzentration (2).

Therapie: Akute Hyponatriämie langsam ausgleichen, und dann auf Ursachenforschung gehen

Hält ein Hirnödem länger an, kann dies zu teils schweren und bleibenden Schäden führen. Eine Hyponatriämie mit mittelschweren oder schweren Symptomen sollte daher so schnell wie möglich behandelt werden.

Im Falle einer Hyponatriämie mit schweren Symptomen wird üblicherweise versucht, das Serum-Natrium vorsichtig mit Bolusgaben einer hypertonen NaCl-Lösung zu steigern. 20 Minuten nach Verabreichung eines Bolus wird die Messung des Serum-Natriums wiederholt (2). Diese Massnahme wird so lang wiederholt, bis die Symptome des Patienten sich verbessert haben. Im allgemeinen ist dies der Fall, sobald das Serum-Natrium um rund 5 mmol angestiegen ist.

Wichtig ist es aber, den Natriumspiegel nicht zu schnell anzuheben. Denn ansonsten kann es zu einer gefährlichen osmotischen Demyelinisierung kommen (siehe Kasten). Die empfohlenen Limiten der Korrektur sind deshalb (bei chronischer Hyponatriämie, bei der sich das Gehirn bereits adaptiert hat) maximal 10-12 mmol/L innerhalb von 24 Stunden, mit dem Ziel, den Natriumwert innerhalb der ersten 24 Stunden nur um 4-8mmol/L anzuheben. Eventuelle Überkorrekturen sollten gegenreguliert werden.

Ist das erreicht, sollte die spezifische Ursache der Hyponatriämie gesucht, und so rasch wie möglich behandelt werden, damit sich der Serum-Natrium-Spiegel normalisiert.

Bei inadäquater Therapie drohen schwere Schäden

Hintergrund für die vorsichtige Steigerung der Natriumwerte ist, dass der Körper bei einer chronischen (>48h) Hyponatriämie beginnt, sich auf die neue Situation zu adaptieren (3). Dabei sorgt er für eine Normalisierung des Zellvolumens, indem er Osmolyte ausschleust. Wird in einem solchen Fall ein schneller Natriumausgleich vorgenommen, steigt die extrazelluläre Natriumkonzentration an. Durch die osmotische Differenz wird den Zellen aber Wasser entzogen.

In der Folge kommt es in Bereichen des Hirnstamms aus noch weitgehend unbekannten Gründen zu einer Demyelinisierung (zerebrale Demyelinisierung). Das kann, abhängig von der betroffenen Region, zu Störungen der Augenbewegung, Gesichtslähmung, Schluckstörungen, Atemlähmungen bis hin zur Tetraparese führen. Die Symptome treten dabei mit einer Latenz zwischen einem Tag und mehreren Wochen auf. Die Symptome können sich im Anschluss zurückbilden, aber auch prolongiert sein und bis zum Tod führen.

Ist der zurückhaltende Ausgleich einer Hyponatriämie sinnvoll?

Internationale Leitlinien empfehlen zur Verhinderung einer zerebralen Demyelinisierung die oben beschriebene langsame Anpassung des Serum-Natriums im Fall einer chronischen Hyponatriämie (2).

Aktuell haben einige Experten das zurückhaltende Vorgehen (4) kritisiert. In einer kürzlich veröffentlichten Studie (5) legen sie nahe, dass nur ein kleiner Teil von fast 23.000 untersuchten Patienten mit Hyponatriämie (0,05%) eine Myelinolyse erlitt, und dass diese unabhängig von einer schnellen Natriumkorrektur (>8 mmol/L pro Tag) auftrat.

Die Studie wird aber wiederum von anderen Experten kritisiert, da sie mehrere Mängel aufweist. In einer kürzlich publizierten Stellungnahme rät das internationale Expertenteam dringend zur Einhaltung der bisherigen Leitlinien (6). Dies nicht, da eine Überkorrektur eines tiefen Natriumwertes (v.a. <110mmol/L) oft zu einer osmotischen Demyelinisierung führt, sondern weil eine Ueberkorrektur zu einer solchen führen kann, was potentiell fatal für die Patienten ist. Ausserdem kritisieren sie, dass es schwierig sei, die wahre Prävalenz für das osmotische Demyelinisierungssyndrom zu bestimmen, da die Symptome oft mit Verzögerung auftreten, und die Diagnose klinisch gestellt wird.