Medical Tribune
9. Sept. 2022Impflücken schliessen

Grundimpfungen bei Älteren regelmässig kontrollieren

Impfungen schützen Seniorinnen und Senioren nicht nur vor Infektionen, sondern auch vor schweren Verläufen und Hospitalisation. Dr. Nadia Eberhard-Kuhn, Oberärztin an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene im Universitätsspital Zürich, erklärte in einem Vortrag an den Zürcher Medidays, welche Impfungen für ältere Patienten besonders wichtig sind.

Alte Person zieht seinen Ärmel hoch und zeigt drei farbige Pflaster von Impfungen auf dem Oberarm
BackyardProduction/gettyimages

Mit zunehmendem Alter wird die Blutbildung schlechter und das Immunsystem beginnt zu schwächeln. «Betroffen ist vor allem das erworbene Immunsystem: Die T-Zellen nehmen ab und die, die noch da sind, sind nicht mehr so funktionstüchtig», erklärte Dr. Eberhard-Kuhn.

Die Immunseneszenz ist dann ein wichtiger Grund, warum im Alter die Inzidenz von Infektionskrankheiten, Malignomen, Autoimmun­erkrankungen und Entzündungen steigt, und chronische Erkrankungen wie Atherosklerose und Diabetes mellitus zunehmen.

Auffrischimpfung gegen Diphterie und Tetanus alle zehn Jahre

«Schlechter wird im Alter auch das Impfansprechen», so die Referentin. Trotzdem sollten aber Impfungen bei Senioren nicht vernachlässigt werden. «Denn sie schützen auch vor schweren Verläufen und Spitalaufenthalten», erklärte sie. Um die Wirksamkeit zu steigern, sollten möglichst Impfstoffe mit Adjuvantien oder mit einer erhöhten Antigendosis verimpft werden. Wegen der hohen Morbidität und Mortalität von Infektionen im Alter empfahl Dr. Eberhard-Kuhn, bei Patienten ab 65 Jahren den Impfstatus jährlich zu prüfen und Impflücken zu schliessen.

BAG und EKIF empfehlen für Senioren eine jährliche Grippe­impfung sowie die Immunisierung gegen Herpes Zoster. Hinzu kommen bei Komorbiditäten die Pneumokokken- und bei Kontakt mit Säuglingen unter sechs Monaten die Pertussis-Impfung. «Nicht vergessen werden sollte die Auffrischimpfung gegen Diphterie und Tetanus», betonte die Expertin. Sie ist neu für Senioren ab 65 Jahre alle zehn Jahre empfohlen.

Varizellen-Totimpfstoff bietet längeren Schutz

Die Varizellenimpfung ist von Bedeutung, weil die Inzidenz für Herpes Zoster und auch für die Post-Zoster-Neuralgie seit einigen Jahren steigt, besondere in der älteren Generation, so Dr. Eberhard-Kuhn. Auch die Hospitalisationen nehmen ab 65 Jahre deutlich zu.

In der Schweiz auf dem Markt ist neben dem bisherigen Lebend­impfstoff (Zostavax®) neu auch ein Totimpfstoff (Shingrix®), der zwischenzeitlich auch von den Krankenkassen vergütet wird. «Dieser neue Impfstoff hat eine bessere, länger andauernde Wirksamkeit und kann breiter verimpft werden als der alte», erklärte die Expertin. So bietet der Totimpfstoff nach vier Jahren noch immer einen Infektionsschutz von 80 Prozent, der Lebendimpfstoff hingegen nur noch von 60–70 Prozent. Nach rund acht Jahren ist seine Wirksamkeit fast nicht mehr vorhanden.

BAG und EKIF empfehlen den Totimpfstoff für alle Personen ab 65 Jahre und für jüngere in speziellen Situationen, etwa bei Immunschwäche, einer fortgeschrittenen COPD, bei Diabetes mellitus mit Endorganschaden sowie bei Nierenschaden im Endstadium. «Problemlos verabreicht werden kann der Totimpfstoff auch bei Patienten mit einer unklaren Varizellen-Anamnese in der Vergangenheit», betonte die Referentin.

Als Nebenwirkungen können lokale und systemische Reaktionen auftreten, über die Patienten aufzuklären sind.

Pneumokokken-Impfung nicht nur bei Älteren

Die Pneumokokken-Impfung wird – altersungebunden – bei vielen Komorbiditäten empfohlen. Grund: Jeder zehnte Erwachsene ist mit Pneumokokken kolonialisiert und die Erreger können invasive Infektionen verursachen wie Pneumonie, Meningitis oder Sepsis. Von diesen Folgen sind vor allem viele Senioren betroffen.

Zur Anwendung kommt der konjugierte 13-valente Impfstoff. Seit der Einführung der Impfung ist bei Kindern die Inzidenz für Pneumokokken-Infektionen mit den 13 Serotypen deutlich gesunken. Die Empfehlung von BAG und EKIF zielt deshalb heute mit der Kinder­impfung auf eine Herdenimmunität ab.

In der Pandemie sind die Pneumokokken-Fälle erstmals seit Jahren zurückgegangen, wahrscheinlich aufgrund der Covid-Schutzmassnahmen. «Die Abnahme betrifft vorwiegend die Serotypen, die mit der Impfung abgedeckt sind», erläuterte die Expertin. Der Anteil anderer Typen, insbesondere vom Typ 8, nimmt hingegen bei den Infektionen und bei den invasiven Pneumokokken-Erkrankungen deutlich zu. Betroffen sind hauptsächlich die Älteren. Möglicherweise wird es in Zukunft einen 15- oder gar 20-valenten Impfstoff auf dem Markt geben, meinte Dr. Eberhard-Kuhn.